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Dramatischer Anstieg bei Tafelkunden: „Wir müssen streng rationieren“

Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die Inflation auf Rekordniveau und dazu noch die Corona-Pandemie: Viele Tafeln arbeiten am Limit. Die Lebensmittelknappheit sorgt für Streit zwischen den Kunden.

Von Stefanie Unbehauen

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Samstag, 11.30 Uhr. Eine lange Menschenschlange wartet vor der Tür der Ansbacher Tafel, einem Gemeinschaftsprojekt der Caritas und der Diakonie. So groß wie derzeit sei der Andrang noch nie gewesen, sagt Edeltraud Merker, die die Tafel vor zwei Jahrzehnten mit einer Freundin gegründet hat. „Die Ware wird knapp bei uns. Die Discounter haben ja teilweise selbst leere Fächer“, sagt die 81-Jährige.

Wie hier in Franken ist die Lage an den Lebensmittelausgabestellen bundesweit angespannt. „Die gestiegenen Lebensmittel- und Spritpreise bringen mehr Familien in finanzielle Notlagen. Alle Tafeln in Hessen haben das Problem, dass die Menge der gespendeten Lebensmittel zurückgeht und die Anzahl der Tafelkunden täglich steigt“, sagte Willi Schmid, Vorsitzender des Tafelverbandes in Hessen, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Landesweit liege der Rückgang der Nahrungsmittelspenden bei 15 bis 20 Prozent. Zugleich nehme „die Zahl der Antragsteller dramatisch zu“.

Zustrom an Flüchtlingen macht sich bemerkbar

Das bestätigt auch Karltheodor Huttner, Vorsitzender des Tafelverbandes Sachsen mit rund 220 Ausgabestellen im Freistaat. Der Zustrom an Flüchtlingen mache sich vor allem in den Großstädten bemerkbar. „Das trifft uns empfindlicher als etwa die vergangenen zwei Jahre mit Corona. Aktuell haben wir einen Zuwachs von bis zu 20 Prozent der Kunden.“

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„Man muss das schon einen massiven Andrang an Neukunden nennen“, sagt auch Bayerns Tafel-Vorsitzender Peter Zilles: „Bei einigen kleineren Tafeln sehen wir bereits, dass die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge die Zahl der Altkunden übersteigt.“ Viele seien auf solch einen Anstieg nicht vorbereitet: „Diese Tafeln fahren am Limit oder sind bereits darüber hinaus.“

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„Öl ist momentan völlig aus“

Wie jeden Samstagmorgen räumen die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel Ansbach die Regale ein. Nachdem diese mit Konserven, Nudel- und Reispackungen befüllt sind, kommen gekühlte Lebensmittel wie Salat, Fleisch und Milchprodukte an die Reihe. Edeltraud Merker muss die knappe Ware sorgsam einteilen. „Öl ist momentan völlig aus, da haben wir gar nichts mehr“, sagt die Tafel-Gründerin.

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Wenn die Ware knapper werde, sei es wichtig, mögliche Konflikte zwischen den Kunden erst gar nicht entstehen zu lassen. Letztens habe ein Schwerbeschädigter behauptet, die ukrainischen Flüchtlinge würden bevorzugt. Merker: „Das stimmt so nicht. Man muss mit den Leuten reden.“

Konflikte zwischen Russen und Ukrainern

„Dass deutsche Tafelkunden sagen, die bösen Ausländer nehmen uns was weg, das gibt es anders als noch 2015 so bei den Ukraine-Flüchtlingen nicht“, berichtet Karltheodor Huttner. Was jedoch vereinzelt vorkomme, seien Konflikte zwischen Russen, die oft seit Jahren Tafel-Kunden seien, und den jetzt Vertriebenen aus der Ukraine.

Das Angebot der Ansbacher Tafel reicht für 80 bis 100 Familien. Merker klagt: „Am Ende des Tages sind wir hier wie ausgeleckt.“ Kein einziges Lebensmittel bleibe übrig. „Wir müssen streng rationieren, damit jeder, der hierherkommt, auch etwas erhält und niemand leer ausgeht.“ Waren es vor Corona rund 300 Bedürftige, die jeden Samstag zur Tafel kamen, sind es momentan 400 bis 500 Personen.

Keine Angst davor, leer auszugehen

Eine davon ist Melanie Frühling. Die 51-Jährige kann ihren Lebensunterhalt aufgrund verschiedener Erkrankungen nicht mehr selbst bestreiten. Sie lebt von Hartz IV, ihr Ehemann bezieht eine geringe Rente. „Ich komme jeden Samstag her, das reicht mir dann für die Woche“, sagt Frühling. Durch die Ukraine-Krise kämen zwar mehr Menschen, Angst davor, leer auszugehen, habe sie aber keine.

12 Uhr mittags. Die Schlange vor der Ansbacher Tafel wird immer länger. Ganz vorne mit dabei ist Gerhard Groß. „Ich lasse kaum einen Samstag aus“, sagt der 61-jährige Frührentner und Stammkunde bei der Tafel. Ob ihm die steigenden Preise Angst machen? Ja, ein wenig, sagt er. Ob er im Alltag deswegen weitere Sparmaßnahmen vornehme? „Nein, denn es gibt kaum noch etwas, woran ich sparen könnte. Es ist eben, wie es ist.“

Quelleepd

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