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Geht’s auch verständlich?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner

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Christen pflegen mitunter ihre ganz eigene Insider-Sprache. Fachbegriffe inklusive. Tom Laengner bezweifelt, dass dies dem Auftrag dienlich ist.

Am Wochenende war ich auf einem Seminar in Wuppertal. Eine bunte Mischung an Menschen war zusammen, um über eine noch buntere Mischung aus Fragen nachzudenken. Ich war erstmalig dabei, bewies am Empfang meine Gesundheit, bekam meinen Zimmerschlüssel und überprüfte die Qualität meiner Matratze. Im Tagungsraum bekam ich Programmdetails. Allein für den ‚Check-In‘ waren 60 Minuten vorgesehen! Ich fragte mich, was das denn werden sollte? Mehr eingecheckt, als ich es war, ging doch nicht. Aber dann erklärte mir ein Insider, dass es sich um eine Einstiegsrunde handele. Da hätten alle die Möglichkeit zu sagen, was sie im Moment so inspiriere oder beschäftige. Aha, so dachte ich, warum nicht gleich so!

Ehrlich gesagt war ich auch etwas erleichtert. Denn ich denke, dass wahrscheinlich jede Community sprachliche Eigentümlichkeiten hat. Die macht es leichter, sich innerhalb der eigenen Blase auf nahezu liturgische Weise zu verständigen. Ob die Gemeinschaft der Christen da wesentlich anders tickt, wage ich zu bezweifeln. Denn was wollen Menschen sagen, wenn sie davon reden, Gott zu erheben, sich unter sein Blut stellen oder 10.000 Gründe haben ihn zu preisen? Mir würde, ehrlich gesagt, eine einzige konkrete Geschichte mehr geben als diese fünfstellige Zahl. Können wir die Dinge nicht so ausdrücken, dass sie jeder Mensch verstehen kann? Beim Repetitorium für Intensivmedizin oder im Verein für Fliegenfischen wäre ich mit  Fachsprache einverstanden. Bei Menschen, die eine Mission für alle Welt haben, zwingt mir das Falten auf die Stirn.

Wir schämen uns, weil wir nicht spritzig sind?

Aber vielleicht haben wir ja auch die Nase voll von real existierenden Menschen?  Die sind alle so, sagen wir mal, anders. Als sich unlängst ein Bekannter dafür einsetzte, eine junge irakische Familie mit Kindern in eine ortsansässige Gemeinde zu integrieren, rutschte die Begeisterung schnell in den Minusbereich. Es hieß, die Gemeinde sei schon alt. Was sollte die Botschaft dieser Ausage sein? Wir schämen uns, weil wir nicht spritzig sind. Oder: eine lebendige Familie ist uns eher lästig und verdächtig. Ich weiß es leider nicht.

Aber ich stelle mir vor, dass es solche unklaren Vorkommnisse sind, die bestimmte Medien auf Ideen bringen. Anfang August veröffentlichte die TAZ aus Berlin die Geschichte einer Frau, die sich aus einer Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde verabschiedet hatte. Zugegeben, die TAZ ist nicht als Hofberichterstatterin für die evangelikale Szene bekannt. Wenn sie aber in ihren Texten recht hat, mag das beschämend sein, sollte aber ernst genommen werden. In dem Bericht wird davon geredet, dass Mitglieder in Freikirchen zu 90 Prozent Kontakte innerhalb ihrer Gemeinschaft pflegen. Das könnte damit zu tun haben, dass ihre Gemeinschaft aus den ‚Richtigen‘ und ‚wahren Gläubigen‘ besteht. Nicht dein Problem? Aber du kannst mitfühlen wie es ist, einem solchen Menschen live und in Farbe gegenüberzustehen. Ich könnte darauf verzichten.

„Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt“

Allerdings habe ich mich aber gefragt, warum in solchen Artikeln immer wieder dieselben bescheuerten Dinge genannt werden. In solchen Vereinen möchte ich auch nicht gerne Mitglied sein. Und warum schreiben Journalisten und Jounalistinnen nie über die hingebungsvolle Liebe der  Menschen, die Jesus nachfolgen. Dafür sollen sie doch bekannt sein. Jesus war doch ergreifend schlicht als er sagte: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe“. Das schien zu reichen. Von der beeindruckenden Liebe und Opferbereitschaft der Christen habe ich leider in der taz nichts lesen können. Nun weiß ich nicht, ob es daran lag, dass darüber auch nichts zu sagen war, oder dass unsere Sprache so nebulös ist, dass sie keiner außerhalb der Szene versteht. Ich weiß es nicht.

Als das Seminar an der Wupper schließlich vorbei war, gab es noch einen ‚Check-Out‘. Der sollte auch eine Stunde dauern und mir dämmerte, dass es nicht darum gehen würde, lediglich den Schlüssel an der Rezeption abzugeben. Auf jeden Fall verschaffte es mir Zeit darüber nachzudenken, wofür ich eigentlich bekannt bin oder zumindest sein will.

Out of the Box – Teil 1: Was gibt mir Energie?
Out of the Box – Teil 2: Was müsste dein Bruder tun, damit du glaubst, dass er der Sohn Gottes ist?
Out of the Box – Teil 3: Was macht mein Herz frei und warm?
Out of the Box – Teil 4: Wie erkläre ich meinen Glauben im Zoom-Meeting?
Out of the Box – Teil 5: Von Pornoweltmeistern und Polenschlüsseln
Out of the Box – Teil 6: Darf ein Christ eigentlich Mikado spielen?
Out of the Box – Teil 7: Was macht die Barmherzigkeit barmherzig?
Out of the Box – Teil 8: Wann wird das Nein zum Geld ein Ja zum Glück?
Out of the Box – Teil 9: Wie viel Gewicht gebe ich meinem Gewicht?
Out of the Box – Teil 10: Ist mir das Paradies zu wenig?
Out of the Box – Teil 11: Betest du auch manchmal für einen Parkplatz?


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

3 Kommentare

  1. Genau. Das ist doch die Kunst: Ehrlich, authentisch, alltagstauglich und doch geistlich sauber und kompromisslos zu sein.
    Vielleicht ist ein Teil des Problems das, das unser Propst neulich vor einer Versammlung von predigenden Laien ansprach: „Sie haben das, was kein Pastor der Gemeinde geben kann: Alltagserfahrungen mit Ihrem HERRN, über die Sie sprechen können.“
    Das ist doch „dem Volk aus Maul geschaut“, wozu Luther den Mut hatte. Ohne sich anzubiedern und dem Geist der Welt die Botschaft zu überlassen…

  2. Ja und Ja dazu!
    Halten wir es also einfach mit Luther, „rein und klar Deutsch“ reden.

    Aber egal, wie sehr wir uns um verständlichere Sprache bemühen, es gilt immer noch, „Nichts redet lauter als die Tat“.
    Oder, mit Paulus gesagt,
    „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.“

  3. Wenn die Kirche an ihrer Sprache „verreckt“

    Tom Laengner hat eingeschränkt recht: Der Glaube lässt sich dem leider Fernstehenden besser erklären, oder eher nahebringen, ohne viele Worte zu machen, wenn das Wesentliche an Substanz gewinnt. Da denke ich vielleicht daran, dass der Glaube ein sehr festes Vertrauen in Gott ist und nicht ein Fürwahrhalten (alleine). Dann vor allem auch als eine Beziehung, denn wenn Gott Liebe ist, geht es immer um Beziehung. Schlimm ist, wenn es sich in der Gemeinde und ihrer Kommunikation so verhält wie es Erik Flügge auf seinem Büchlein schon im Titel andeutet: „Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“! Es gibt immer noch eine furchtbare zelebrierende Kirchensprache. Mein alter liebenswürdiger Gemeindepfarrer vor ganz vielen Jahrzehnten hatte die Angewohnheit, damals die sogenannte Sprache Kanaans zu benutzen, wenn er predigte. Da wusste ich bereits drei Sätze früher, welche Aussage kommt. Viele Worthülsen wurden in getragener Sprache vorgetragen, die aber alle kaum Inhalt hatten und Orts- und Glaubensfremde im Dunklen lassen. Im übrigen wird kaum ein/e Jesusnachfolger theoretisch infrage stellen, dass gelebte Ethik mit dem was uns unbedingt angeht – dem Glauben an einen liebenden Gott – auch übereinstimmen muss. Die Praxis steht leider oft anders aus, nicht nur in Freikirchlichen Gemeinden, sondern auch bei uns kirchensteuerzahlenden Christen ohne Perfektionsanspruch: Durch Lieblosigkeit.

    Es gibt viele Menschen, die keine Ahnung haben, was wir Christinnen und Christen glauben. Da muss man bei den einfachen Dingen anfangen. Etwa dass Glaube ein festes Vertrauen in Gott ausdrückt, nicht ein Fürwahrhalten von Unwahrscheinlichem. Oder eine Beziehung ist, weil es um Liebe geht und Gott Liebe ist. Aber wenn jemand zurecht fragt, wie es um die Schöpfungsgeschichte steht, um ihre Wahrheit, dann müsste ich sagen sie sei auf jeden Fall ein antikes Glaubensbekenntnis, obwohl doch Gott auch durch solche Geschichten in unserer Bibel Wahrheit spricht. Jedenfalls im Diskurs, der oft nicht wirklich möglich ist hier auf Jesus.de zwischen Fundamentalisten und teilweise Evangelikalen einerseits, und liberalen Christen andererseits, habe ich allerdings auch als ein durchaus informierter Nichttheologe eine feste Überzeugung. Das geht dann nicht mehr nur in einfacher Sprache. Aber es gibt auch falsche Alternativen zwischen einem Fürwahrhalten der Bibel in Punkt und Komma und einer Wahrheit der Bibel und damit unseres Glaubens im Rahmen eines wirklich auch geistlichem Verständnis von Glaubenswahrheiten. Letztlich kann absolut niemand Gott erklären. Gott funktioniert auch nicht so einfach wie bei den Esoterikern die angebliche Wunscherfüllung durch das Universum, wenn Wünsche dort nur richtig bestellt werden. Und dass Christen, wenn sie denn einmal zusammen sitzen und einen Dialog führen möchten, dafür (durchaus Diskussionslust steigernde) Methoden der Gruppenarbeit geniesen, muss nicht verwundern. Manche Menschen lieben solche Methoden und Spielchen überhaupt nicht, auch wenn es gar nicht um Glauben, Himmel und Ewiges Leben dabei geht.

    Ich würde mich aber über eine Sprache, die nicht banal aber alltagstauglich ist, auch im Gottesdienst bei der Predigt freuen. Allerdings wenn die Predigt so wenig Inhalt hat wie ein sehr dünner Kaffee im Krankenhaus, nutzt auch die einfache Sprache nichts. Es besteht zudem das Problem, dass bei manchen Menschen der Glaube mit dem Alter nicht mitgewachsen ist. Dann in ihn hineinzuschlüpfen könnte der Versuch sein, mit dem Lebensalter von 40 Jahren sich in den Konfirmationsanzug hinein zu quetschen. Von heute her gesehen kann dieses Dilemma aktuell erzeugt werden, wenn im Religionsunterricht nur situationsbezogen gearbeitet wird und nicht mehr dies, was wir inhaltlich wirklich glauben und wie wir es verstehen. Meine alte Religionslehrerin vor 60 Jahren erzählte die Geschichten der Bibel, vor allem auch manche Gleichnisse so genial, dass sie mir zeitlebens eine große Hilfe sind. Diese sind nämlich immer selbsterklärend ohne allzu viele Worte. Von der Geschichte vom Verlorenen Sohn habe ich gelernt und abgeleitet, dass Gott nie endgültig seinen Stab über einem Menschen bricht, auch wenn dies Fundamentalisten oft völlig ablehnen. Denn auch schlechte Eltern würden nie ihr Kind verstoßen, wenn es ihnen abhanden kommt – schon gar nicht für alle Ewigkeiten. Dann wäre es überflüssig, dass Jesus für alle Menschen aller Zeitalter sowie für jegliche Kreatur gestorben und auferstanden ist – und nicht nur für eine fromme Elite, die dafür stolz auf sich ist. Dass Gott immer größer ist als wir denken habe ich von dem Ev. Marienschwestern in Darmstadt gelernt, die nicht im Verdacht steht, glaubensmäßig links zu stehen. Allerdings fehlt diese Botschaft fast völlig. Die ist einfach, aber unerklärlich.

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