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Ökumene: Unter einem Dach, aber noch nicht an einem Tisch

In Düsseldorf wachsen die evangelische und die katholische Kirche näher zusammen. Ab sofort finden sich Büros beider Kirchen unter einem Dach – das ist bisher bundesweit einmalig. Unser Gastkommentator Pastor Marcus Tesch begrüßt die Entwicklung. Seiner Meinung nach dürften die Schritte zueinander deutlich weiter gehen. 

Wenn Jesus vom Reich Gottes erzählte, dann spielte häufig das gemeinsame Essen eine große Rolle. „Aus Ost und West, aus Nord und Süd werden die Menschen kommen und in Gottes neuer Welt zu Tisch sitzen.“ (Lukas 13,29) In diesem Sinne und als Vorgriff auf diese neue Welt hat Jesus schon gemeinsam mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen am Tisch gesessen. Jede und jeder war willkommen, der seine Nähe suchte.

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Diese Haltung hat nicht nur die Urkirche geprägt, wie wir es etwa bei Paulus lesen. Sie ist auch noch bis heute spürbar in der Vision von der weltweiten Ökumene und der Ökumene vor Ort. Auch wenn wir heute (noch!) an unterschiedlichen Orten nach Konfessionen getrennt Gottesdienste feiern, ist es kaum vorstellbar, dass wir im Reich Gottes am Tisch Jesu einmal nach evangelisch-landeskirchlicher, evangelisch-freikirchlicher, katholischer oder nach welcher Konfession auch immer getrennt an verschiedenen Tischen sitzen werden. Es ist nicht der Wunsch nach einer menschlichen Gleichmacherei, der die Ökumene trägt, sondern der Wunsch des Herrn selbst, der darum bittet, dass seine Jünger und Jüngerinnen eins seien, wie er selbst eins mit dem Vater ist.

Es ist darum sehr zu begrüßen und ein erfreuliches Zeichen, dass die Vertretungen der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen bei der Landesregierung in NRW in das nun von allen drei genutzte Büro der Katholischen Kirche gezogen sind – ein sichtbares Zeichen für das gemeinsame Zeugnis und die gemeinsame Verantwortung aller Christen und Christinnen in der Welt. Dies hat nicht nur praktische Gründe und verkürzt Wege. Es eröffnet nicht nur neue Perspektiven der Zusammenarbeit etwa der Diakonischen Werke und der Caritas – es ist auch ein fester Ausdruck der Zusammengehörigkeit. Diese Konstellation ist bisher in Deutschland einzigartig – sie könnte aber ein Vorreiter sein für andere Bundesländer.

Es ist vielen Menschen heute gar nicht mehr zu vermitteln, warum wir Christen an so vielen Stellen noch getrennt unterwegs sind, statt für unseren Glauben gemeinsam einzustehen.

Vorurteile schwinden zunehmend

Ich erlebe Ökumene auch vor Ort. Die Basis, so heißt es, ist an vielen Punkten schon weiter als die jeweiligen Apparate. Da geschieht viel gemeinsame Arbeit, von gemeinsamen Festen über zusammen verantwortete diakonisch-karitative Arbeit bis hin zu ökumenischen Gottesdiensten. Es ist vielen Menschen heute gar nicht mehr zu vermitteln, warum wir Christen an so vielen Stellen noch getrennt unterwegs sind, statt für unseren Glauben gemeinsam einzustehen. Alte Vorurteile, die vor 50, ja manchmal sogar noch vor 20 Jahren bestanden, sind heute oft weitgehend abgebaut. In der Stadt, in der ich lebe und arbeite, gab es früher noch einen bei sehr vielen präsenten dicken Strich auf dem Schulhof der Grundschule, der die evangelischen von den katholischen Kindern trennen und fernhalten sollte. Das ist, Gott sei Dank, längst vorbei und Geschichte. Längst sind sich die Kirchen auch in zentralen Fragen des Glaubens nähergekommen, wenn auch unterschiedliche Nuancen bleiben.

Ich kenne die Scheu vieler evangelikaler Christen und Christinnen vor der Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Zerrbilder und Unverständnis haben lange auch in der Verkündigung nachgewirkt. Ich gebe zu, auch mir bleibt manches bei unseren katholischen Geschwistern unverständlich. Das Gebet zu Maria, das eben doch manchmal entgegen der katholischen Lehre im volkstümlichen Verständnis eher wie eine Anbetung wirkt. Der Umgang mit den Sakramenten, wie er sich vor allem in der Fronleichnamsprozession zeigt. Das priesterliche Amt mit der besonderen Weihe. Und das eine oder andere mehr ebenfalls.

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In Jesus finden wir zusammen

Andererseits stimmt aber auch: Wer zum Beispiel die leidenschaftlichen Jesus-Bücher der beiden zugegebenermaßen sehr unterschiedlichen Päpste gelesen hat, kommt nicht umhin, festzustellen, dass sich da ein Vertrauen auf Jesus und eine Liebe zu ihm zeigen, die auch mir als frommer evangelischer Christ wichtig sind. Wie käme ich dazu, ihnen den Glauben an Jesus abzusprechen? Paulus schreibt im 1. Korintherbrief: „Niemand kann sagen: »Jesus ist der Herr!«, wenn nicht der Heilige Geist in ihm wirkt.“ Ich habe gerade im Gespräch mit katholischen Christen und Christinnen eine solche innerliche Hinwendung zu Jesus gefunden, wie ich sie für mich und meine evangelischen Geschwister – auch in den Freikirchen und Gemeinschaften – manchmal nur wünschen könnte, gepaart mit einem vorbildlichen praktischen Einsatz in der Gemeinde und für die Bedürftigen. Das entbindet nicht davon, den Glauben und das Tun der Geschwister aus der fremden sowie aus der eigenen Kirche immer wieder einer Prüfung am Evangelium zu unterziehen. Am besten fange ich damit immer wieder bei mir selbst an.

Ich freue mich jedenfalls sehr über diesen Schritt, unter ein gemeinsames Dach als Vertretung der großen Kirchen bei der Landesregierung in NRW zu ziehen. Wer weiß, vielleicht kommen ja noch andere Kirchen dazu?

Trotzdem will ich nicht verhehlen, dass auch diese Nachricht für mich mit einem Stachel behaftet bleibt. Er hat mit der Botschaft vom Reich Gottes und vom gemeinsamen Tisch zu tun, die Jesus verkündet hat. Solange wir als Christen noch in der zentralen Frage des Abendmahls, der Eucharistie, und ihrer Feier getrennt sind, mischt sich in meine Freude auch noch Trauer. Könnte, ja müsste nicht im Vertrauen auf den einen Herrn der Kirche gesagt werden: Auch wenn wir die Feier des Abendmahls und der Eucharistie unterschiedlich deuten, ist es doch im Sinne Jesu, dass Menschen an dem EINEN Tisch zusammenkommen und sie nicht voneinander getrennt bleiben. Wir werden das Geheimnis der Liebe Gottes, die sich uns im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu gezeigt hat, in seiner Gänze niemals verstehen oder vor Missverständnissen schützen können. Wäre es darum nicht an der Zeit, nicht nur unter ein gemeinsames Dach, sondern auch an einen gemeinsamen Tisch zu kommen?

Marcus Tesch ist Pfarrer der rheinischen Kirche
in der evangelischen Kirchengemeinde Wissen.

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