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Wie politisch darf die Kirche sein?

Wo und wann sollten sich die Kirchen in öffentliche Diskussionen einmischen? Und dabei noch verständlich kommunizieren? Fragen, mit denen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Religion und Gesellschaft der Ruhr-Universität Bochum beschäftigen – ganz theoretisch. Die Direktorin des Instituts, Prof. Dr. Isolde Karle, freute sich daher darüber, einen Referenten begrüßen zu dürfen, der sich ganz praktisch mit diesen Fragen beschäftigt: Den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm. Seine These: „Wer fromm ist, muss auch politisch sein.“

Von Laura Schönwies

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Prof. Dr. Reinhard von Bendemann, Dekan der Fakultät für Evangelische Theologie, kündigte Bedford-Strohm als „Medien-Experten“ an, was man nicht von jedem Theologen sagen könne. Dabei gehörten Kirche und Öffentlichkeit unbedingt zusammen, wie Bedford-Strohm direkt zu Beginn seines Vortrags unterstrich: „Man kann sich nicht auf Martin Luther berufen, wenn man sagt, die Kirche soll zu öffentlichen Fragen schweigen. Es kann keine unpolitische Kirche geben.“

Rückblende: Erst zu Weihnachten hatte WELT- Chefredakteur Ulf Poschardt die Debatte über genau dieses Thema mit einer Twitter-Nachricht befeuert, in der er fragte: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“ Sein Credo: „Weniger Politik in Predigten.“

„Es tut der Gesellschaft gut, wenn die Kirche sich einmischt“

Die Reaktion des EKD-Ratsvorsitzenden – selbst SPD-Mitglied mit ruhender Mitgliedschaft –auf diesen Vorwurf? Er empfehle, einfach einmal eine Tageszeitung durchzublättern oder sich eine Talkshow anzusehen, denn: „In den meisten politischen Debatten sind Fragen nach der ethischen Orientierung versteckt.“ Man denke nur an die Genforschung. „Darf der Mensch alles, was er kann?“, fragte Bedford-Strohm. Hier kämen die Kirchen und Religionsgemeinschaften ins Spiel. „Kirchen sind ganz starke Kandidaten für die Frage, woher eine Gesellschaft Orientierung bekommt. Wer sich dem Doppelgebot der Liebe verpflichtet, kann nicht anders, als sich für politische Fragen zu interessieren. Es tut der Gesellschaft gut, wenn die Kirche sich einmischt.“

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Die Kirche müsse ein „Lautsprecher“ sein, auch in die säkulare Welt hinein, aber gleichzeitig die Rolle des „Hörenden“ einnehmen, so der Ratsvorsitzende. Das Reden der Kirche müsse gegründet sein in der biblischen Tradition – dies sei der erste und wichtigste Grundsatz. Außerdem müsse Kirche immer „zweisprachig“ sprechen, um nicht nur in der „christlichen Filterblase“ verstanden zu werden, sondern auch in der säkularen Welt. Umgekehrt müsse Kirche auch die Gesellschaft verstehen: „Wir müssen mindestens die richtigen Fragen stellen können, wenn es um die Belange und Sorgen der Menschen geht.“ „Kritisch-konstruktiv“, so charakterisierte Bedford-Strohm die Rolle der Kirche, für die er sich stark macht. Beraten, ja, aber „ohne zu wettern“. Man wolle sich als Teil des demokratischen Diskurses „leidenschaftlich einbringen“, dürfe sich aber nicht über andere erheben.

Genau diese Leidenschaft zeigte der Ratsvorsitzende beim Thema Klimaschutz. Auch das, so Bedford-Strohm, gehöre in die Kirche. Während einer Tansania-Reise habe man ihm die vertrockneten Felder eines Hilfsprojektes gezeigt. Es hieß, die Pflanzen seien aufgrund des Klimawandels eingegangen. „Wie könnte ich denn schweigen, wenn es um den Klimawandel geht, wo mir doch meine Schwestern und Brüder gezeigt haben, was unser Handeln für Konsequenzen hat?“

Auch Glaubenslehren im engeren Sinne haben nach Ansicht von Bedford-Strohm durchaus „öffentliche Bedeutung“. So zum Beispiel „das Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer als Grundlage eines dankbaren Lebens oder der Glaube an Christus als Grundlage für den Umgang mit Schuld und die Hoffnung auf Vergebung.“ Dies sei „höchst relevant für die öffentliche Kultur.“

In den säkularen Medien spiegelt sich diese „Relevanz“ allerdings kaum wider. Der Ratsvorsitzende selbst hatte erst kürzlich in einem Interview mit dem Christlichen Medienmagazin Pro gesagt, er werde von Journalisten fast ausschließlich zu politischen und nicht zu geistlichen Themen befragt. Er verstehe das zwar, wünschte sich jedoch, es wäre anders. Für Bedford-Strohm gehören der persönliche Glaube und das gesellschaftliche bzw. politische Engagement untrennbar zusammen. Und so schloss er seinen Vortrag mit den Worten: „Radikale Christusliebe ist radikale Liebe zur Welt.“

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