Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Was steht in meiner Macht?

Bisschen weniger reden, dafür mehr tun. Zum Beispiel Menschen besuchen oder singen. Tom Laengner schätzt seine Nachbarn – und mag die Sternsinger.

Sternsinger bringen weder Sterne ins Haus noch die Rettung für die Welt. Die meisten ihrer Art sind deutlich kleiner als ich, tragen goldene Kronen aus Pappe und haben rote Backen vor Aufregung. Genau von dieser Sorte waren auch die Drei, die am Samstagvormittag bei mir klingelten. Der Himmel war grau und ich hatte die Bude voll mit befreundeten Geburtstagsgästen aus der Nachbarschaft. Eine überraschende Kulisse für höfliche Kinder, die Zeit und Nerven für mehr einsetzen als das nächste Level eines Open-World Spieles. In diesem Jahr geht es für Kinder in Amazonien durch Nässe und Wind.

Während die drei Mädels sangen, blickte ich auf all die mitgebrachten Köstlichkeiten. Zaid war extra früh aufgestanden. Er hatte Hummus zubereitet. Drei Kilo waren es geworden. Weiter studieren würde er am Nachmittag. Was wäre gewesen, wenn er mich damals nicht angesprochen hätte, als ich am Straßenrand Brombeeren pflückte? Und was, wenn ich unsere Begegnung nicht zum Gespräch genutzt hätte. Carola hatte Zimtschnecken gebacken, frisch und köstlich. Sie konnte es meisterlich und aß sie selber mit Genuss. Keiner war auf die Idee gekommen, weiche Spekulatius oder bereits ergrauende Dominosteine anzuschleppen. Die Reste vom Feste waren zu Hause geblieben. Alle hatten sich überlegt, in ihre Köstlichkeiten eine würzige oder duftende Portion an Wertschätzung einzuarbeiten. Angela hatte ein fein ziseliertes Tablett mit Blätterteigblumen mitgebracht. In denen verbargen sich Salat und Lachs. Es sei viel einfacher zu machen, als ich glauben würde, sagte sie mir lächelnd. Das Lächeln kaufte ich ihr ab. Das andere aus Respekt vor ihrer Mühe mal lieber nicht.

Lob von der Polizei

Als die Kronenträgerinnen dann ‚In excelsis deo‘ sangen, fielen viele von uns mit ein. Das war einfach. Schließlich hatten wir geübt. Während des Lockdowns 2020 hatten wir auf der Straße gesungen. 100 Tage und jeden Abend. Unter den Liedern waren alle 7 Strophen von „Der Mond ist aufgegangen“. Selbst die Polizei hatte das bei ihren Streifen für gut befunden. Als die letzten Töne verklungen waren, öffneten so manche, ohne auf eine Aufforderung zu warten, ihr Portemonnaie. Martha und Rebekka duzen sich jetzt. Martha hatte uns angeboten, bei ihr auf der Schlafcouch zu übernachten, als vor Kurzem bei uns eingebrochen worden war. Sie machte auch jetzt wieder klar, dass solche Unterstützungsangebote doch selbstverständlich seien. Ich blickte ihr nach, als sie vor der Tür eine rauchen ging. Ja, wenn wir mehr Menschen wie Martha hätten, dachte ich bei mir. Gute Nachbarschaft ist doch eine Menge wert, wenn auch nicht zum Nulltarif zu haben.

Als Dortmunder wissen wir ja: „Entscheidend is‘ auf‘m Platz“. Ob Borussia Legende Adi Preissler damals das Neue Testament zeitgenössisch interpretieren wollte? Ich weiß es nicht. Denn in einem der Briefe an die frühe Kirche heißt es: „Wer die Zeit und die Mittel hat, Gutes zu tun, und es nicht tut, macht sich schuldig“. Es geht darum, Gutes zu tun, nicht darum, es gut zu beklatschen. Die Anwesenheit im Fanblock bringt mich nicht ins Team und verbessert weder meinen Alltag noch den anderer Menschen. Selbst wenn ich am Montag noch heiser zur Arbeit schleiche.

Wo kann ich etwas bewirken?

Ich persönlich bin froh, dass ich es aufgegeben habe, zu allem Möglichen meine unmaßgebliche Meinung zu verkünden. Stattdessen möchte ich weiterhin Freiräume ausloten, in denen ich etwas bewirken kann. Dabei fällt mir auf, dass auch meine dramatische Erkrankung daran nichts Wesentliches geändert hat. Vielleicht müssen wir gerade mit dem Blick auf den Tod auch todesmutig handeln. Keine Ahnung, warum das unbedingt spektakulär ausfallen sollte!

Ramona konnte übrigens gar nicht kommen. Sie war krank. Trotzdem kam sie am Abend kurz vorbei. Sie hatte einen Kuchen gebacken und blieb dann noch. Wie das eben so ist. Draußen nieselte es nur noch. Als die Tür wieder geschlossen war, bemerkte ich ein paar ganz kleine Pfützen. Aber ich sagte ja bereits. Die drei Sängerinnen waren nicht so groß.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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11 Kommentare

    • Herr Reichelt, wie schon wiederholt geschrieben: Teilen Sie bitte Ihre Inhalte hier und verlinken nicht ständig auf externe Inhalte. Die Diskussion findet hier statt. Siehe dazu Punkt 3 unserer Nutzungsbedingungen. MfG, das JDE-Team

  1. Lieber Bernd Hehner,
    für Ihr Erinnerungsvermögen:
    „Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben!
    Denn auf diese Weise haben einige, ohne es zu wissen, Engel bei sich aufgenommen.“ (Hebräer 13:2)

    Liebe Grüße
    Saint Peter

  2. Besucher:innen können wie Engel sein

    Wo kann ich etwas bewirken? Dies fragt Tom Laengner (uns alle). Ich glaube wir können nicht heute noch die Welt retten, aber doch offen, respekt- und liebevoll sowie mit Achtsamkeit mit anderen Menschen umgehen. Gastfreundschaft soll ja auch ein christlicher Wert ansich sein. Wir sind es aus vielen unliebsamen Geschehnissen heraus gewohnt, eher Fremde gar nicht erst ins Haus zu lassen. Menschen die andere Hautfarbe, Kulturen, Sitten, Gebräuche und Gerüche mit sich bringen, sehen wir oft instinktiv als möglicherweise potentiell gefährlich an. In Menschen die zuwandern als Flüchtlinge, Asylanten oder anderen Gründen sehen wir unsere Existenz gefährdet und fast jeder der uns diese Fremden vom Hals halten will, ist uns nicht selten politsch genehm. Laengner schildert hier entlang den Sternsingern menschliche Begegnungen unter dem Motto: „Bisschen weniger reden, dafür mehr tun. Zum Beispiel Menschen besuchen oder singen. Tom Laengner schätzt seine Nachbarn – und mag die Sternsinger“! So soll es doch sein. Offen sein für Menschen, nicht grenzenlos, auch nicht übergriffig, nicht vereinnahmend, aber doch wertschätzend und als Mitmenschen. Der Mensch ist nach dem Abbild seines Schöpfers geschaffen (wie sein Stempelabdruck). Aber der Mitmensch muss nicht eine Kopie meiner Meinung und Weltsicht verkörpern. Ich darf den Mitmensch nicht als mein Abbild verstehen. Andersdenkende könnten doch ein gutes Korektiv sein für fest eingewurzelte Überzeugungen. Heißt es doch (die Stelle in der Bibel ist mir entfallen): Wer Fremde aufnimmt, hat Engel aufgenommen. Vielleicht werden sie uns geschickt, diese Engel auf zwei Beinen, und nicht nur als Sternsinger.

    • Sehr geehrter Herr Hehner,
      Sie schreiben: “ Der Mensch ist nach dem Abbild seines Schöpfers geschaffen, ( wie ein Stempelabdruck). Eine Aussage, die keine Erklärung enthält, was Sie darunter verstehen.
      Könnten Sie mir freundlicherweise erklären, was Sie konkret darunter verstehen?
      Vielen Dank

      • Antwort an Jacques Jordans

        Sicher: Ich verweise auf den Schöpfungsbericht der Bibel, der ein antikes Glaubensbekenntnis und zugleich ein Schöpfungshymnus ist . Dort steht, dass der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde. Dies muss man aber so verstehen dass wir (sinnbildlich) eigentlich wie ein Stempelabdruck der Liebe Gottes sein sollten. Ich hielt dies für christliches Kernwissen. Der Mensch (Adam und Eva stehen dort stellvertretend für alle Menschen) war so im Paradies, also in seiner Ursprünglichkeit in der Nähe Gottes, und wir werden wieder so sein, wenn wir in die Ewigkeit kommen. Wir sind dann nach dem Alten Adam durch die Erlösung Jesu am Kreuz (wieder vollkommen) begnadigt und der Neue Adam. Auf Erden bleiben wir allerdings Sünder, die den Mangel an Ruhm gegenüber Gott haben (Römerbrief). Aber schon hier wurde unsere Sünde mit Jesus (bildlich gesehen) ans Kreuz genagelt und ungültig. Versöhnen sollten wir uns (insbesondere wir Christen) mit Gott schon hier auf Erden. Die Sünde wird hingerichtet, nicht der Sünder. Jesus kam nach seinen eigenen Worten nicht zum Gericht über die Sünder, aber der Sünde und daher für die Erlösung aller Menschen. Das Kreuz von Golgatha ist daher so etwas ähnliches wie ein vorauseilender unverdienbarer Freispruch, den wir aber noch annehmen sollten, in dem wir Gott dankbar sind und uns möglichst in diesem Leben mit ihm versöhnen sollten. Diese Aussage ist wohl auch eine der unumstrittensten Glaubenswahrheit in fast allen Konfessionen und Kirchen. Allerdings gibt es auch Christen, die davon überzeugt sind, sie seien nach ihrer Bekehrung vollkommen. Dies entspricht aber nicht den Aussagen der ganzen Bibel im Alten und im Neuen Testament. Die großen Personen Gottes und selbst die Jünger waren nicht vollkommen und auch das Volk Israel ist in der Bibel nie vollkommen im Gehorsam gegenüber Gott gewesen. Vollkommen sind wir erst alle in Gottes Neuem Himmel und Neuer Erde. Denn die Hölle (die Sünde) wurde in den Feurigen Schlund geworfen (ich glaube dies steht auch in der Offenbarung des Johannes). Daraus muss man eigentlich ableiten, dass es keine ewige Verdammnis geben kann, denn die Hölle wurde vernichtet. Oder wir müssen mit einem Widerspruch leben. Allerdings wurde der Glaube als eine große Hoffnung und als Überlieferung von Gottes- und Glaubenserfahrung aus Jahrtausenden aber immer von Menschen weitergegeben – und ist daher ist auch die Bibel nicht ohne Widersprüche Nach Paulus sehen wir hier Gott erst wie in einem dunklen Spiegel und erst im Himmel von Angesicht zu Angesicht. Also ist auch unsere Glaubenslehre immer irdisches Stückwerk. Daher muss man mit Widersprüchen leben. Ich bin nicht in Dogmen verliebt, aber in Gott.

        • Vielen Dank Herr Hehner,
          leider habe ich keine Antwort erhalten. Aber , das ist wohl der Alltag der Kirchen.
          Es gibt tiefes, wahres Wissen, welches auch öffentlich zugänglich ist. Warum wird es nicht beachtrt?

          • Gab es da nicht so ein Gebot, dass man sich von Gott kein Bildnis machen soll?

            Spricht für mich nicht gerade dafür, dass man sich Gott wie ein Mensch vorstellen soll.

  3. Ein Danke an die Jesus.de Redaktion: Eine echt positive Nachricht/Meldung.
    Ich freue mich auch jedes Jahr über die Sternsinger, dass sich junge Menschen/Kinder auf den Weg machen, Menschen in ihren Häusern ‚einen Segen‘ zu bringen und Gutes für die Welt/die Menschheit zu tun… das prägt hoffentlich fürs Leben und gibt mir ein Stück Hoffnung für unsere Gesellschaft …
    Wie wahr: ‚Ich persönlich bin froh, dass ich es aufgegeben habe, zu allem Möglichen meine unmaßgebliche Meinung zu verkünden. Stattdessen …“, da habe ich sicherlich auch noch einiges zu tun/zu lernen …. Aber es ist schön, seine Meinung noch frei äußern zu können (wie es Tom Laengner auch macht) und dafür sollten wir uns in unserem Land weiter aktiv einsetzen, um dieses hohe Gut langfristig zu erhalten.
    LG

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