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Sterbehilfe: Diakonie sieht Gesetzesvorschläge skeptisch

Vor der Abstimmung im Bundestag über eine mögliche Regelung der Suizidassistenz hat sich die Diakonie skeptisch über beide vorliegenden Vorschläge geäußert. Sie fordert ein Präventionsgesetz.

Eine gesetzliche Regelung dürfe nicht zu einer Normalisierung des assistierten Suizids führen, erklärte Diakoniepräsident Ulrich Lilie am Freitag. Der Aufbau eines Beratungs- und Begutachtungssystems habe aber eben auch den paradoxen Effekt, dass Normalisierung eintrete. „Wir legalisieren also etwas, das wir als Gesellschaft gerade nicht als Normalität wollen sollten“, sagte Lilie.

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Indirekt wendet er sich damit gegen beide Vorschläge, die ein unterschiedlich strenges Verfahren für die Abgabe tödlich wirkender Mittel zum Zweck der Selbsttötung vorsehen. Eine fraktionsübergreifende Gruppe um Lars Castellucci (SPD) plant eine strafrechtliche Regelung, nach der die Verschreibung nur nach ärztlicher Begutachtung und einer Beratung erlaubt wäre. Abgeordnete mehrerer Fraktionen um Katrin Helling-Plahr (FDP) wollen dagegen eine Beratungsregelung ähnlich der beim Schwangerschaftsabbruch, dies aber nicht im Strafgesetzbuch festschreiben.

Prävention soll Vorrang haben

Lilie sagte, bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids müssten Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden. Der Diakoniepräsident erneuerte seine Forderung nach einem Suizidpräventionsgesetz. Dies müsse klaren Vorrang vor der Regelung des assistierten Suizids haben, sagte er. Er sprach sich dafür aus, das Thema nochmals gründlich über die jetzt vorliegenden Entwürfe hinaus zu diskutieren.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben zu nehmen und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Damit kippte es ein wenige Jahre zuvor verabschiedetes Verbot organisierter Suizidassistenz, das auf Sterbehilfeorganisationen zielte. Seitdem wird um eine Neuregelung gerungen. Die Abstimmung im Bundestag über die nun vorliegenden Vorschläge ist für nächsten Donnerstag geplant.


Falls ihr selbst in einer verzweifelten Situation seid, sprecht mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch die Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Quelleepd

4 Kommentare

  1. Kein ethischer Dammbruch bitte

    „Eine gesetzliche Regelung dürfe nicht zu einer Normalisierung des assistierten Suizids führen, erklärte Diakoniepräsident Ulrich Lilie am Freitag. Der Aufbau eines Beratungs- und Begutachtungssystems habe aber eben auch den paradoxen Effekt, dass eine Normalisierung eintrete. „Wir legalisieren also etwas, das wir als Gesellschaft gerade nicht als Normalität wollen sollten“, sagte Lilie. Dem kann ich mich hier nur anschließen. Allerdings gestehe ich gerne auch ein, was der medizinische Fortschritt nach beiden Seiten hin alles denkbar macht: Einerseits das Leben an sich nicht mehr als etwas heiliges anzusehen, sondern es verfügbar zu machen, man darf es dann schnell mit einer entsprechenden Begründung oder der Tagung eines Ethikausschusses geschäftsmäßig auslöschen. Selbst viele Totkranke, die oft sehr leiden, wollen ja an einem Tag unbedingt weiterleben und an einem anderen Tag auch unbedingt sterben. Nach der anderen Seite hin ist es möglich, Leben an Maschinen fast endlos zu verlängern, auch wenn der Betroffene es bewusst nicht mehr miterlebt. Das schafft Räume, die jede Ethik bisweilen überfordern. Vielleicht sollte man nicht gesetzlich festlegen, wenn in ausgesprochen aussergewöhnlichen Fällen eine Selbsttötung straffrei bleiben soll, ich würde sie aber nicht legalisieren im Sinne von Erlaubtsein und Routine. Der Tod darf somit kein Geschäftsmodell für das Sterben werden, für das man sich bewerben darf. Sonst sehe ich einen Dammbruch, die Verfügbarmachung von Leben und Tod sowie der sich nähernde Verdacht, dass endlos nur an kalten Maschinen weiterlebende Menschen zu viel Geld des Gesundheitssystems kosten könnten. Ich will da gar nicht vom dann gesetzlich vorgesehenen gnädigen Tod reden, aber solche Phantasien im Zusammenhang mit Gesundheitskosten sind nicht völlig ausgeschlossen. Insbesondere nicht in Systemen, die nicht mehr nur demokratisch sein könnten. Leider mutet uns auch die Weiterentwicklung der Medizin oder anderer Wissenschaften zu, die Profession der Ethik zu überfordern. Gruselig war die Idee eines Menschen, ein isoliertes menschliches Gehirn an Apparaten weiterleben zu lassen und es vorher auch an Tieren auszuprobieren. Oder was wird sein, wenn die speziellen Gehirnfunktionen eines bestimmten Menschen dann irgendwann in einem Quantencomputer gespeichert werden könnten? Da mutet es fast altertümlich an, doch lieber Gott zu überlassen, wenn ein Menschen sterben darf, nämlich wenn der natürliche Sterbeprozess unverhinderbar vom Körper selbst eingeleitet wird. Aber selbst dieses so zu regeln dass es für alle Menschen gilt, ist schlicht unmöglich, auch nicht gesetzlich. Aber um diese letzte Momente im Leben von uns allen schwierige Gesetze zu bauen, die gar nicht alles im Detail zu regeln vermögen, hilft niemand. Ein alter Herr hatte einmal verfügt, man möge ihn nicht mehr an lebenserhaltende Maschinen hängen. Leider verlor sein Haushalt die notarielle Verfügung, sodass er weiterlebte, wie durch ein Wunder wieder aufwachte und noch einige Jahr relativ gesund war und Kuchen für die Nachbarschaft produzierte: Sein Hobby. Die Geschehnisse haben sein eigenes Weltbild auf den Kopf gestellt. Das Leben ist doch schön, wenn man noch nicht im Himmel ist, wo es vielleicht noch schöner ist.

    • Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass sich aus dem Grundgesetz, der Menschenwürde und dem Recht auf Selbstbestimmung das Recht auf selbstbestimmten Suizid ergibt.

      Das hat jeder zu akzeptieren.

      Entscheidend hierbei ist zweierlei:

      – Es ist eine Entscheidung desjenigen selbst. Es darf nicht fremdbestimmt werden. Weder darf man dazu gezwungen/überredet werden noch gegenteilig abgehalten.
      – Da es dieses Menschenrecht gibt, muss auch jeder, der will, die Möglichkeit dazu haben. Deshalb muss die Assistenz dazu erlaubt sein (und nicht nur strafffrei; der Unsinn hat schon bei Schwangerschaftsabbrüchen sehr viel Leid erzeugt)

      Ein Beratungsangebot ist sinnvoll. Entsprechend dem Grundgesetz hat sie offen zu erfolgen. Eine Beratungspflicht hingegen ist kritisch, da sie eine Beschränkung ist.

      Herr Lilie hat ein Recht auf seine Meinung. Aber über dem Grundgesetz steht sie nicht. Und es ist nicht rechtens, dass anderen Menschen dieses Grundrecht enthalten werden soll, weil es seinem Glauben nicht entspricht. Einem Glauben, den viele nicht einmal teilen.

  2. „Wir haben auf der Erde aktuell knapp 8 Milliarden Bewohner – und statistisch gesehen sterben 100% von ihnen.“

    Eine wärmste Empfehlung für den Podcast von Klaus-André Eickhoff, der sich mit Ingmar Hornke (Gründer und Leiter des Würdezentrums Frankfurt) über genau dieses Thema unterhalten hat.
    http://jetztwirdspersoenlich.net/https-tnnaw1-podcaster-de-download-066-ingmar-hornke-mp3/

    Er schlägt darin den Bogen von einem abstrakt wirkenden Gesetz zu Jedem Einzelnen (!!!) von uns. SO WICHTIG!

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