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„Überrumpelt“: EKD-Synodale kritisieren Krisenmanagement

Mehrere Mitglieder der EKD-Synode sind unzufrieden mit dem Krisenmanagement im Zusammenhang mit dem Rücktritt der ehemaligen Ratsvorsitzenden Annette Kurschus. Wichtige Informationen habe man aus der Zeitung erfahren.

Bei einer digitalen Tagung der EKD-Synode räumte die amtierende EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs eine schlechte Kommunikation rund um die Vorwürfe gegen die frühere Ratsvorsitzende Annette Kurschus ein. In der Aussprache äußerten viele Synodale Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der EKD und im Umgang mit der ehemaligen Ratsvorsitzenden.

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Mehrere Synodale sagten in der Aussprache am Dienstag, sie seien von dem Vorgang „überrumpelt“ worden. Eine konsequente Krisenkommunikation hätte ein anderes Handeln ermöglicht, sagte die Leiterin der Evangelischen Akademie in Berlin, Friederike Krippner. Die badische Landesbischöfin Heike Springhart adressierte konkret den Rat der EKD. Sie hätte erwartet, dass der Rat zunächst auf eine Klärung dringe. Das Problem werde nicht dadurch gelöst, „dass Einzelne von uns zum Rücktritt gedrängt werden“.

Ratsmitglied Jacob Joussen sagte, der Rat sei von den Informationen genauso überrumpelt gewesen. Er habe nur wenige Tage vor der Synode „Gerüchte“ gehört und selbst durch die „Siegener Zeitung“ erst mehr erfahren. Kurschus wusste nach eigenen Worten seit dem Frühjahr durch eine Anzeige von den Vorwürfen gegen den Beschuldigten.

„Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche“

Andere Redner problematisierten, dass Kurschus in ihrer Stellungnahme den Medienberichten widersprach, die auf Schilderungen Betroffener beruhten. Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Kirche und die Frage, ob sie der Ort sei, an dem Betroffenen geglaubt werde, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die der Synode angehört. Deswegen habe es keine andere Möglichkeit als den Rücktritt gegeben, den sie persönlich bedauere. Auch Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich unterstrich, für sie sei „handlungsleitend, dass betroffene Personen und die Aufarbeitung an erster Stelle stehen müssen“.

Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht angemessen transparent umgegangen zu sein. Der Fall reicht in die 90er Jahre zurück, Beschuldigter ist ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus‘ früherem Arbeitsumfeld in Siegen, den sie laut eigener Aussage sehr gut kennt. Er soll junge Männer sexuell bedrängt haben.

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Vertrauen zurückgewinnen

„Für mich kommt es jetzt darauf an, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen“, sagte die Hamburger Bischöfin Fehrs, die bislang stellvertretende Ratsvorsitzende war. In der vergangenen Woche habe es intensive Beratungen mit den Betroffenen-Vertretern im EKD-Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt gegeben.

Zum Abschluss ihrer diesjährigen Beratungen entschied die Synode in der digitalen Sitzung zudem über Kirchengesetze, den Haushalt für das nächste Jahr und verschiedene Entschließungen. Die Synode verurteilte den Terror der Hamas in Israel und Antisemitismus, der sich nach den Anschlägen der Terrororganisation auch in Deutschland gezeigt hat. In einem weiteren Beschluss rät die EKD-Synode von der Wahl der AfD ab. Beim Thema sexualisierte Gewalt sprach sich die Synode einstimmig für einheitliche Verfahren und Leistungen zur Entschädigung Betroffener aus.

Quelleepd

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7 Kommentare

  1. Ein fatales Missverständnis

    Lieber Anderer Jörg: Selbstverständlich sind strengere moralische Maßstäbe anzulegen, aber auch unsere 10 Gebote, die wichtigen Lehren der Bergpredigt und zudem unsere Gesetze und Vorschriften. Nicht alles ist Salamitaktik, aber die gibt es bei Konflikten und Skandalen sowie großen Verfehlungen immer. Und ich bleibe dabei: Ein befangener Mensch ist in kirchlichen, politischen und staatlichen Gremien immer verpflichtet, sich für befangen zu erklären. Er/sie bleibt daher aussen vor, darf und muss aber befragt werden. Ausserdem darf ich auch in einem Kirchenvorstand oder anderen Leitungsgremien Dinge und Angelegenheit, die mich selbst betreffen, nicht mitbetreiben und beraten. Und es gilt daneben auch eine absolute Verschwiegenheitspflicht in Personalangelegenheit. Trotzdem stehen solche Sachen dann trotzdem auf wundersame Weise in der Bildzeitung oder flurieren im Netz. Ich wollte keine Aufklärung oder möchte Salamitaktik, ist ein fatales Mis(s)tverständnis. Wir leben auch in einer regelbasierenden Welt. In der sind Wunder leider selten möglich und Beratungs- und Hilfsprozesse in Sachen sexuellen Mißbrauchs langwierige Angelegenheit. Leider ist eine Versöhnung zwischen Opfern und Tätern so selten wie eine Fata Morgana. Die gute Fee gibt es leider nicht, die unsere Welt mit einem schnellen Fingerzeig in Ordnung bringt. In meiner alten Dienststelle hing vor vielen Jahren ein riesiges Plakat, jeder 3. Mann sei Kinderschänder. Ich forderte meine lieben Kolleginnen auf, diese Anklage von der Wand zu nehmen. Wäre dies aber wahr, würden wir in der Menge der Bösartigkeit leider ertrinken.

    • Wieso sollte Schuld, Verantwortung und Strafe geringer sein, wenn es diese Schuld auch woanders gibt?

      Danke mal drüber nach, denn so klingt es bei dir.

      Du relativiert, redest diesen Missbrauch in der EKD klein ,suchst Ausflüchte und Ausreden.

      Fang endlich mal an, die Opfer zuerst zu sehen, wenn du schon auf die Bergpredigt bezug nimmst. Denn das sind nicht die EKD-Offiziellen.

  2. Absolutes Handlungsversagen

    Annette Kurschus war am 20. November vom EKD-Ratsvorsitz und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Ihr wird vorgeworfen, mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt nicht angemessen transparent umgegangen zu sein. Unabhängig davon, dass alle Vorwürfe immer aufgeklärt und jedem Opfer geholfen werden muss, bleibt aber eines sehr fragwürdig (wenn es so richtig ist): Wenn Frau Kurschus mit der/den dort betroffenen Tätern befreundet war und sich deshalb daher definitiv für befangen erklärte, wäre schon von daher eine Vorverurteilung völlig absurd. Denn wer befangen ist, darf an Beratungen und Entscheidungen nicht mitwirken und sie nicht beeinflussen (und ggfls. noch nicht einmal etwas wissen) – kann also nur schweigen – und dies ist in jeder Weise zwingend. Es ging dabei allerdings um einen angeblich homosexuellen Menschen. Dass die Betroffenen bzw. Opfer immer an erster Stelle stehen und alles aufgeklärt werden muss, wird ja von mir und niemand ansonsten infrage gestellt. Im übrigen dürfen Personalangelegenheit niemals auch in einer öffentlichen Sitzung oder Tagung referiert werden. Dies ist, soweit es vermutliche Vertuscher:innen als genauso vermutliche Opfer betrifft, zwingend absolut vertraulich. Dafür gibt es definit sehr strigente Gesetze und ebenso kirchenlich auch strafbewährte Regeln. Auch Seelsorge ist – immer für beide Seiten zutreffend – absolut auch unter einen sehr großen Vertrauensschutz gestellt. Dies dient aber immer Schutz aller beteiligten Personen. Der Trierer Bischof wurde bekanntlich kürzlich gerichtlich auch bestraft, weil er nur irrtümlich einen Klarnamen eines Opfers nannte. Das Ganze scheint mir mit Sicherheit ein absoluter Gau von schwerem Handlungsversagen der zuständigen Stellen zu belegen. Wir alle können überhaupt nicht wissen, was wirklich passierte, schon gar nicht im Detail. Auch nicht wer wirklich nicht handeln konnte, wollte oder durfte. Dass die EKD, die ja nur ein Zusammenschluss der Ev. Gliedkirchen ist, erst 10 Jahre nach der Kath. Kirche angeblich anfing Missbrauchsfälle aufzudecken, ist definitiv völlig unrichtig. Allein aus meiner alten Heimat, einem kleinen Kirchenkreis, sind mir aus länger zurückliegender Zeit einige Fälle aus 3o Jahren Fälle bekannt, weil sie so auch detaliert in der lokalen und regionalen Presselandschaft aufschlugen. Der Ev. Kirche diesen Vorwurf zu machen, Zitat: „Ich glaube, die evangelisch Kirche hat deutlich gemacht dass sie immer noch kein Ort für Betroffene ist und dass man ihr immer noch nicht vertrauen kann“!, ist eine reine Falschbehauptung. Wenn so ein Vorwurf über mich als Person ausgesprochen würde, ohne dass es dafür weder Quellen noch handfeste Beweise gibt, oder nur der Anschein eines Verdachtes, wäre dies – lieber EinFragender – pure und strafbewährte Verleumdung. Nur die Presse darf – was vom Gesetzgeber so vorgesehen ist, – schon bei einer begründbaren Verdachtsvermutung Dinge und Personen öffentlich machen. Letztlich dienen solche Rechtsvorschriften nur dem allseitigen Schutz aller Menschen vor den vielen ungerechtfertigten Behauptungen, die bei ganz anderen Themen und auch weniger gravierenden Themen in der Presse, vor allem jener mit den sehr großen Buchstaben reißerische Überschriften erzeugen. Lieber Einfragender: Einer somit der ganzen Kirche Vertrauen abzusprechen, ist – abgesehen davon wenn ich wirklich furchtbar irre – fast wie eine andere Form von Sippenhaftung. Die Millionen Christen in der Ev. und kath. Kirche in Deutschland werden nur an ihrer eigenen Schuld schuldig und nicht an jener, von der sie nichts erfahren haben. Leider kann man auch heute noch nicht lesen, was ein Gehirn denkt, plant, tut und vertuscht. Telepathen, wenn es sie geben sollte, sind auf Erden extrem rar gesät. (Nachbemerkung: Heute dürfen Personalangelegenheiten nicht im öffentlichen Internet, sondern nur im besonders geschützten Intranet kommuniziert werden. Wer solche Informationen weitergibt, macht sich strafbar. Journalisten dürfen aber viel behaupten und auf ihren Quellenschutz verweisen. Ob das nun gut ist, muss der geneigte Leser selbst entscheiden. Es soll ja nichts vertuscht werden).

    • > Dass die EKD, die ja nur ein Zusammenschluss der Ev. Gliedkirchen ist, erst 10 Jahre nach der Kath. Kirche angeblich anfing Missbrauchsfälle aufzudecken

      Wie man es nimmt. Es geht ja hier um den systematischen Missbrauch und nicht um Einzelfälle.

      Und da hast Du recht, die 10 Jahre sind strittig. Aber aus einem anderen Grund:

      Nämlich weil sowohl bei der RKK, die damit formal 2010 anfing, als auch bei der EKD, die damit formal 6 Jahre später, nämlich 2016 anfing, diese Aufarbeitung durch eigene Kommissionen so erbärmlich waren, dass man sich in der Tat fragen kann, wann es wirklich einen Anfang gab. Die RKK hat ja 2013 alles erst einmal gestoppt, bei der EKD löste sich diese Kommission auch gern mal auf und immer wieder bemängelten selbst interne „Aufklärer“, dass die RKK wie auch die EKD an wirklicher Aufklärung wohl nicht gelegen war.

      Aber alles nicht so schlimm, Du kennst ja einen Fall aus deiner alten Heimat, wo Missbrauch schon Jahrzehnte vorher aufgeflogen ist. Also alles palletti.

      Übrigens: Wenn eine Organisation kriminell ist und das strukturell und das jedem bekannt sein kann, dann stellt sich durchaus die Frage, inwieweit die reine Mitgliedschaft dann eine mindestens moralische Mitschuld beinhaltet. Schlimmer wird diese Mitschuld aber sicher dann, wenn diese Mitglieder versuchen, die Verbrechen zu beschönigen oder klein zu reden.

      Wir haben hier tausendfachen Missbrauch. Wie wäre es, wenn die Kirchen endlich mal anfangen, wirklich an die Opfer zu denken und nicht nur, wie sie selbst da bestmöglich raus kommen?

  3. Hallo!
    Deswegen heißt es ja: …versuchen Vertrauen zurück zu gewinnen… .Somit bleibt noch viel zu tun.
    Gruß,
    Peter

  4. … die Frage, ob sie der Ort sei, an dem Betroffenen geglaubt werde … und vertrauen zurückgewinnen?

    Was ist das für eine Kirche die beim auftreten der Missbrauchsfälle stumm wird und darauf hofft, im Windschatten einer anderen Kirche davon zukommen? Warum hat die EKD mehr als 10 Jahre nach der katholischen Kirche angefangen die Missbrauchsfälle aufzudecken und aufzuklären? Warum hat es viele Jahre gedauert bis man Betroffene gehört hat?

    Ich glaube die evangelisch Kirche hat deutlich gemacht das sie immer noch kein Ort für Betroffene ist und das man ihr immer noch nicht vertrauen kann.

    • einer der seltenen Fälle, wo wir beide mal einer Meinung sind.

      Auch jetzt sieht sich die EKD wieder eher in der Opferrolle. Dabei ist das Problem, dass sie als Täterorganisation alles Vertrauen verspeilt hat.

      Insofern sind nicht, wie Bernd es fordert, hier nur juristische Maßstäbe wie die Unschuldsvermutung anzusetzen sondern strengere moralische Maßstäbe. Viel zu lange haben die beiden großen Kirchen mit juristischen Manövern wie herauszögern der Aufklärung bis zur Verjährung oder nur das zugeben, was eh nicht mehr bestritten werden kann, operiert. Hier passt Frau Kurschus, auch wenn Bernd das nicht wahr haben will, bestens rein mit ihrer Salamitaktik, wann sie was gewusst hat. Eben deshalb war sie auch nicht mehr tragbar.

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