- Werbung -

Vor 47 Jahren: Pfarrer verbrennt sich selbst aus Protest

Pfarrer Oskar Brüsewitz zündete sich am 18. August 1976 aus Protest gegen die Unterdrückung der Kirchen in der DDR selbst an. Er gilt als Vorbote der politischen Wende.

Die Stadt Zeitz in Sachsen-Anhalt und die evangelische Kirchengemeinde erinnern an diesem Freitag an die Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz vor 47 Jahren. An der Brüsewitz-Stele im Michaeliskirchhof werden um 11.55 Uhr zu Beginn der Gedenkveranstaltung die Glocken läuten, teilte die Stadtverwaltung am Montag mit. Auch die jüngste Tochter von Brüsewitz, Pastorin Esther Fröbel, werde vor Ort sein und gemeinsam mit allen Gästen ein Gebet sprechen.

- Werbung -

Oskar Brüsewitz wurde am 30. Mai 1929 im Memelgebiet geboren. In den Kriegswirren floh die Familie nach Melle in Westfalen. Brüsewitz absolvierte eine Schuhmacherlehre. Seine erste Ehe, aus der eine Tochter hervorging, scheiterte und wurde geschieden. Im Jahre 1954 siedelte Brüsewitz nach Weißenfels in die DDR über. Dort bekehrte er sich unter dem Einfluss seiner Gastfamilie. Ein Jahr später, 1955, folgte seine zweite Heirat in Leipzig mit der Krankenschwester Christa Roland. Zwei Töchter wurden geboren.

Probleme mit der Stasi

Ab 1956 wurde Brüsewitz von der Stasi überwacht. In den Jahren 1964 bis 1969 besuchte er die Predigerschule in Erfurt. Anschließend übernahm er die lange vakante Pfarrstelle in Droßdorf-Rippicha im Kreis Zeitz. Anfangs belebte er mit seinen ungewöhnlichen Aktionen, seiner Jugendarbeit und seinem Eifer das Gemeindeleben. Doch die Schwierigkeiten von staatlicher Seite nahmen zu und seine Gottesdienste wurden wieder leerer.

Am 18. August 1976 wollte Brüsewitz mit seiner Aktion gegen die Unterdrückung der Kirchen in der DDR protestieren. Am Morgen bat er seine Tochter das Kirchenlied „So nimm denn meine Hände“ zu spielen und fuhr dann nach Zeitz. Dort stellte er vor der Michaeliskirche im Stadtzentrum zwei Plakate auf das Dach seines Autos. Mit Sprüchen wie „Funkspruch an alle – Funkspruch an alle – Wir klagen den Kommunismus an wegen Unterdrückung der Kirchen in Schulen an Kindern und Jugendlichen“ machte er seinen Protest gegen die Kirchenpolitik des SED-Regimes deutlich.

- Weiterlesen nach der Werbung -

Kein Selbstmord

Im Anschluss übergoss sich der evangelische Pfarrer mit Benzin und zündete sich an. Obwohl Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit die Aktion schnell beendeten, starb er vier Tage später an seinen Verbrennungen. Die DDR stellte die Selbstverbrennung als Tat eines krankhaft veranlagten Menschen hin. Brüsewitz selbst teilte in einem Abschiedsbrief mit, dass dies kein Selbstmord, sondern eine politische Aktion gewesen sei. Bereits ein Jahr später wurde in der Bundesrepublik von der Paneuropa-Union ein Brüsewitz-Zentrum in Bad Oeynhausen gegründet, das die Opposition in der DDR unterstützen sollte.

Oskar Brüsewitz war ein Vorbote des Systemwechsels. Das sagte der damalige Oberkirchenrat Manfred Stolpe der WELT im Jahr 2006. 1976 sah er das noch anders: Damals machte er sich Sorgen, dass die Protestaktion die „mühsamen“ Verhandlungen mit dem Staat stören könnte. Stolpe versuchte die Staatsführung zu beschwichtigen. Er beschuldigte deshalb Kreise im Westen, „die Verzweiflungstat des Pastors für ihre antikommunistische Politik zu missbrauchen“.

Blickpunkt

Täglich gute Impulse
(Mo. bis Fr.)

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

- Werbung -

Diese und andere ähnliche Aktionen der Kirchenleitung brachten ihr den Vorwurf ein, „sie nehme mehr Rücksicht auf den Staat als auf die Wahrheit, sie wage aus Ängstlichkeit kein klares, eindeutiges Wort mehr“. So formulierte es der Magdeburger Bischof Werner Krusche im Jahr 1976. Stolpe gibt inzwischen zu, die Botschaft von Brüsewitz zu langsam verstanden zu haben: „Auch habe ich die Lösung von Einzelsorgen für dringlicher genommen als die klare Benennung des Grundübels Freiheit“, sagte er der WELT.

Brüsewitz Tod und die darauf folgende Verunglimpfung in den DDR-Medien führte zum Schulterschluss zwischen Kirchen und Marxisten. Als zwei Monate später Wolf Biermann ausgebürgert wurde, sah sich die DDR-Regierung einer breiten Opposition gegenüber, die zu einer der Wurzeln der Wende 1989 wurde.

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

Zuletzt veröffentlicht

1 Kommentar

  1. Wie verzweifelt muss man sein ??

    Wie verzweifelt muss ein Mensch wie Oskar Brüsewitz gewesen sein, um so etwas zu tun. Dabei ist es unerheblich, ob es ein Selbstmord war, oder eine politische Inzenierung: Es kommt aus Gleiche heraus. Ähnlich haben wir dies in meiner Heimat gemeinsam erlebt, als ein sehr aktiver und eher sogar charismatischer Pfarrer, beliebt bei allen Menschen, sich mit einem Jagdgewehr brutal selbst zu Tode brachte. Er befürchtete aufgrund der gleichen Erkrankung seiner Mutter, die unter großen Schmerzen gestorben war, ein zukünftig gleiches Elend. Auch Pfarrer Brüsewitz soll nach Schilderung von Menschen, die ihn kannten, nicht unbedingt eine einfache Persönlichkeit gewesen sein. Allerdings sind solche schrecklichen Inszenierungen von Menschen, die auch von Brücken springen auf belebte Autobahnen, oder sich für Eisenbahnen legen, doch diejenigen wir wir auffangen sollten. Da muss schon, auch hinsichtlich neuerer ähnlicher Ereignis, ernsthaft gefragt werden: Funktionieren da noch unsere Sozialen Netze, die Kommunikationsstränge unserer christlichen Mitmenschlichkeit – oder sind wir zu sehr schon individualisiert, dass sich lieber jemand statt auszuheulen zu können, sich selbst aus seiner irdischen Existenz ausrottet. Sicher: Niemand kann so etwas wirklich mit Sicherheit verhindern. Aber Suizide aus Verzweiflung sind immer Warnanzeichen von menschlichen Defiziten an denen, die blind, taub und stumm sind. Dass an Brüsewitz Tod auch die damals real existierende Unmenschlichkeit des DDR-Staates die Grundlage schuf, ist selbsterklärend. Wobei allerdings die Begrifflichkeit „Staat“ davon ablenkt, dass sich dahinter immer Menschen verbergen, die dann als Böse oder als Gute seine Wirklichkeit generieren.

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.