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Kein Ende in Sicht: Staat entschädigt Kirchen weiterhin

Seit über 100 Jahren entschädigen die Bundesländer die Kirchen für Enteignungen – inzwischen über 600 Millionen Euro pro Jahr. Trotz der hohen Kosten wollen die Bundesländer nichts daran ändern. Warum?

Jedes Jahr zahlen die Bundesländer mehr als 600 Millionen Euro an die Kirchen – aus Steuergeldern und unabhängig von der Kirchensteuer. Diese sogenannten Staatsleistungen sollen die Kirchen entschädigen. Wofür? Vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts hat der Staat den Kirchen zahlreiche Vermögenswerte entzogen, aus deren Erträgen diese sich zuvor finanzierten. Geld und Ländereien gingen in den Besitz der deutschen Staaten und ihrer Fürsten über. Für diese Verluste erhalten die Kirchen Ersatzleistungen. Die Staatsleistungen fließen in die Gesamthaushalte der Kirchen ein. Sie sind nicht zweckgebunden und werden vonseiten der Bundesländer auch nicht auf ihre Verwendung hin kontrolliert. Die Kirchen setzen sie für Personalkosten, Angebote wie Gottesdienste, Taufen, Beerdigungen oder Trauungen ein – aber auch in Bereiche wie Seelsorge, Bildung und Jugendarbeit. Die Länder zahlen also nicht direkt die Gehälter der Geistlichen, sondern teilweise indirekt – in unterschiedlicher Höhe.

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Die Staatsleistungen abzuschaffen, ist Verfassungsauftrag. Das Grundgesetz enthält einen aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Auftrag, diese Entschädigungszahlungen „abzulösen“. Möglich wäre dies etwa durch Einmal- oder Ratenzahlungen. Ein Gesetzesentwurf von LINKE, FDP und Grüne aus dem Jahr 2020 schlug als Ablösesumme das 18,6-fache der damals aktuellen jährlichen Zahlungen von etwa 548 Millionen vor. Das hätte ungefähr zehn Milliarden Euro entsprochen. Diese Summe hätten die Bundesländer innerhalb von 20 Jahren an die Kirchen zahlen sollen. Zusätzlich hätten sie 20 Jahre lang die bisherigen Staatsleistungen weiterzahlen müssen. Der Entwurf wurde jedoch im Bundestag abgelehnt.

Nach Angaben der Bundesländer summieren sich die Staatsleistungen inzwischen auf rund 638 Millionen Euro jährlich. Die Staatsleistungen steigen jährlich, weil sie sich wie etwa in Bayern unter anderem an der Entwicklung der Beamtengehälter orientieren. Diese Summe zahlen die Länder hauptsächlich an die evangelische (rund 356 Millionen Euro) und katholische (rund 247 Millionen Euro) Kirche, aber auch an andere Religionsgemeinschaften.

Staatsrechtler: Kirchen längst überkompensiert

Expertinnen und Experten sind sich laut Deutschlandfunk weitgehend einige, „dass die Kirchen mittlerweile reichlich überkompensiert wurden“. Staatsrechtler Bodo Pieroth verweist auf ein Sachverständigengutachten in der letzten Wahlperiode. Dieses ging davon aus, dass die Kirchen bei drei Prozent Zinsen über die letzten 100 Jahre bereits das 194-fache des ursprünglich entzogenen Wertes erhalten hätten. Pieroth ist sei 2019 Mitglied im Beirat des Instituts für Weltanschauungfragen (ifw). Das ifw fördert säkulare Rechtspolitik und setzt sich für die weltanschauliche Neutralität des Staates ein. Gegründet hat das ifw die humanistische Giordano-Bruno-Stiftung.

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Jurist Hans Michael Heinig widerspricht Pieroth. Heinig leitet das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Es wurde den Kirchen Vermögen entzogen, aus dem sie eigentlich Gewinne hätten erwirtschaften können. Die Staatsleistungen treten an die Stelle dieser Gewinne“, sagte Heinig der Deutschen Welle. Dabei müsse auch die fortschreitende Inflation berücksichtigt werden. Er argumentiert mit dem Beispiel eines Hauskaufs: „Wenn ich ein Haus lange Zeit als Mieter bewohne und dann das Haus kaufen möchte, bekomme ich die Mietzahlungen auch nicht angerechnet.“

Kirche nicht abhängig von Staatsleistungen

Die Staatsleistungen machen nur einen kleinen Teil des kirchlichen Einkommens aus. 2022 nahmen die katholische und die evangelische Kirche knapp 13 Milliarden Euro Kirchensteuer ein. Dazu kommen Einkünfte aus Vermögenswerten wie Wäldern, Grundstücken, Immobilien und Firmen. Politologe Carsten Frerk schätzt gegenüber der Deutschen Welle den Gesamtumsatz der Kirchen auf 150 Milliarden Euro, das Vermögen auf 300 Milliarden Euro.

Kirchliche Leistungen wie Kindergärten, Pflegeheime oder Krankenhäuser stünden laut Frerk nicht vor dem Aus, wenn die Staatsleistungen wegfallen würden. „Es werden nur maximal zwei Prozent dieser Einrichtungen von den Kirchen finanziert“, sagte Frerk der Deutschen Welle. Die meisten Kosten übernehme der Staat.

Frerk wurde durch kirchen- und religionskritische Werke bekannt. Er war schon in verschiedenen Funktionen für die humanistische Giordano-Bruno-Stiftung tätig. Von 2006 bis 2013 war er Redaktionsleiter des Humanistischen Pressedienstes (hpd). 2009 initiierte Frerk eine atheistische Buskampagne mit.

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Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) widerspricht. Einzelne Regionen würden durch den Wegfall der Staatsleistungen empfindlich getroffen, schreibt diese auf ihrer Webseite. In manchen Landeskirchen mache der Anteil der Staatsleistungen am jeweiligen Haushalt mehr als zehn Prozent, in Einzelfällen sogar mehr als 20 Prozent, aus. Auf den ganzen Bereich der EKD bezogen etwa 2,2 Prozent.

Bundesländer scheuen sich vor Ablösung

Die Ampel-Koalition will das Thema Ablösung jetzt wieder angehen. Ziel sei ein entsprechendes Grundsätzegesetz in dieser Wahlperiode, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums dem epd. Der Bund müsste die Rahmenbedingungen zur Ablösung gesetzlich regeln. Die Gespräche, die darüber Anfang des Jahres in einer Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund, Ländern und Kirchen geführt wurden, liegen aber wegen des Widerstands der Länder derzeit auf Eis.

Die Bundesländer scheuen sich vor einer Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Landesregierungen der 14 Länder, die Staatsleistungen zahlen, ergab, hat die Ablösung für die überwiegende Mehrheit keine Priorität. Einige sehen das wegen der derzeit angespannten Haushaltslage dezidiert kritisch. Es sei ein schlechter Zeitpunkt, hieß es etwa aus Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Man sei grundsätzlich offen gegenüber diesem Vorhaben der Bundesregierung, zentrale Fragen müssten aber noch geklärt werden, erklärten wiederum Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Es sei noch „kein für alle Beteiligten konsensfähiges Ablöse-Modell bekannt“, sagte ein Sprecher des Brandenburger Kultusministeriums. Viele Länder verwiesen auf die in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Position, das Thema zunächst zurückzustellen.

Sonderfälle Bayern und Sachsen

Die Länder, die zahlen müssten, verweisen wiederum auf die Notwendigkeit der Regelung durch den Bund. Eine Ausnahme ist Bayern: Vertragliche Ablösungen im Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen seien unabhängig von einem Grundsätzegesetz möglich und würden in Bayern insbesondere auf dem Feld staatlicher Baupflichten an kirchlichen Gebäuden seit Jahren praktiziert, hieß es aus dem dortigen Kultusministerium.

Ein Sonderfall unter den Ländern ist auch Sachsen, wo nach Angaben der Staatskanzlei in den Kirchenverträgen nach der Wiedervereinigung eine sogenannte Abgeltung in Form der jährlichen Leistungen festgeschrieben wurde. Das Weiterzahlen auf unbefristete Zeit wird dort bereits als Ablösung verstanden.

Kirchen zeigen sich offen für Ablösung

Die Höhe und damit die Bedeutung der Staatsleistungen für Kirchen- und Landeshaushalte variieren dabei stark. Baden-Württemberg zahlt mit 141 Millionen Euro die höchste Summe, Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben mit rund 19 Euro die höchsten Staatsleistungen pro Einwohner (gesamt: 42,1 Millionen). In Bayern summieren sich die Staatsleistungen in diesem Jahr auf 130 Millionen Euro, in Rheinland-Pfalz auf 66,6 Millionen Euro, im Saarland auf eine knappe Million Euro.

Die Kirchen zeigen sich seit einiger Zeit durchaus offen für die Ablösung. Sie habe angesichts der Haushaltssituation Verständnis für die Zurückhaltung der Länder, für die eine Ablösung eine zusätzliche Belastung darstellen würde, sagte Anne Gidion, Bevollmächtigte der EKD, dem epd. Zugleich stehe man weiter „für eine Kooperation zur Einlösung des Verfassungsauftrags bereit“. Es gebe Ablösemodelle, deren Umsetzung sich kurzfristig nicht so stark auf die Haushalte der Länder auswirken würde, sondern langfristige Perspektiven schüfen, ergänzte sie.

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5 Kommentare

  1. Statt Demagogie lieber mehr Sachlichkeit

    Es bleibt sachlich so, wie ich dies schon früher schilderte – aus meiner Sicht: Die sozialen Leistungen der beiden großen Kirchen werden auch nicht annähernd voll finanziert, die sie als Freier Träger anstelle des Staates – im Sinne der Nachrangigkeit staatlicher Engagements aufgrund staatlicher Subsididarität – leisten. Dies könnte jeder beweisen, der sich mit kirchlichen Haushalten (sachlich) befassen kann, oder als ein Insider. Fallen die Kirchensteuer – zudem auch die Unterstützungsleistungen der Bundesländer – weg, hat der Staat selbst das größte Problem. Er muss alles Soziale dann selbst schultern. Leider ist auch die Kirchensteuer keinerlei Geschenk des Staates, sondern dafür müssen die beiden großen Mitgliedskirchen sogar kräftig löhnen. Mich erschreckt auch dieses Foto oben vor allem deswegen, weil hinter der Ratte im lila Mantel sich ebenfalls eine Ratte am Kreuz befindet. Ebenso auf dem Nürnberger Kirchentag, mitten in der Innenstadt, hatten die organisierten Atheisten einen riesigengroßen Luther aufgebaut. Nackt, und als bösartige Beleidigung noch mit einem extrem winzigen Zipfelchen zwischen den Beinen. Viel beachtet wurde diese Demonstration bewusster Demagogik aber nicht: Auch nicht die angebrachten Argumente, unser Christentum habe die Diffamierung jüdischer Menschen, (nur megakausal) durch Luther praktiziert und diese seien später von der Hitler-Ideologie perfektioniert worden. Dies ist ein extrem weit hergeholtes konstruiertes Argument. Wobei aber niemand der evangelisch bzw. christlich ist, eine Person wie Luther gewissermaßen heilig spricht. Leider war Luther wie vorher und nachher die ganze christliche Welt, (so weit man sie überhaupt so nennen mag), oft absolut antisemitisch. Dass die Juden Jesus damals ans Kreuz genagelt hätten und daher zu bestrafen und zu hassen seien, ist nicht christlich und glatte Lüge: Es waren leider die Römer. Dabei war Jesus doch selbst ein Jude, was hierbei oft vergessen wird. Aber ich denke, das menschenverachtende Tun des Antichristen Hitler war nur möglich durch die vielen Rädchen im Getriebe durch damalige (un)anständige Bürger*innen und Chrísten, zudem leider auch sehr obrigkeitshörig, und die Hitler als bösen Ersatzmessias huldigten. Der Hass gegenüber Juden ist purer Hass gegenüber Gott. Denn Hass und Vorurteile gegenüber Menschen, egal welchen Menschen, ist christlich unakzeptabel. Christen kennen weder Juden, Christen, Heiden oder andere Menschen, sondern nur solche die Gott alle liebt. Der Jude Jesus, nach ursprünglicher Meinung nur von ihm selbst, nur zu den verlorenen Schafen Israels gesandt, wurde immerhin zum Erlöser aller Menschen und des gesamten Universums. Nun darf man staatliche Unterstützungsleistungen des Staates für Kirchen gerne streichen, auch die Kirchensteuer, aber muss bedenken: Universitäten zur Ausbildung von Theologen fallen nicht vom Himmel, Diakonie und Caritas werden nicht mit Aktionendurch Heinzelmännchen ersetzt und die sozialen Wohltaten, die unser Staat immer mehr einschränkt wegen der heiligen schwarzen Null, wird das überforderte Gemeinwesen nicht auch noch übernehmen können. Vielleicht werden später die Noch-Beamten der Zukunft und die vielen Angestellten unsere alten Zeiten wieder in ihr Gebet einschließen und bitten, dass die wiederkommen mögen. Als am Sonntag auch noch ein gescheiter Mensch vor der Gemeinde stand, der etwas sinngebendes predigte und sogar fromm war. (Ist etwas zugespitzt formuliert und will nicht unsere freikirchlichen Geschwister ärgern, die geauso gut predigen können).

  2. Auch ich denke, dass Jesus.de diesen Beitrag anders illustrieren könnte. Das jetzt gewählte Bild ist in hohem Maße provokant und tendenziös und passt nicht zu dem ansonsten ja durchaus sachlichen und fairen Artikel.

  3. Mich erschreckt dieses Foto oben vor allem deswegen, weil hinter der Ratte im lila Mantel ebenfalls eine Ratte am Kreuz befindet. Es ist mir verständlich, dass diese Ablösesummen, die auf viele sehr hoch wirken, irgendwann mal abgetan werden müssen, denn es sind Steuergelder, auch von denen, die schon längst aus der Kirche ausgetreten sind. Das habe ich z.B. nicht gewusst. Aber solche Figuren auf einer Demo zu zeigen, verletzt mein religiöses Empfinden und ich hätte Strafanzeige erstattet. Jesus Christus als Ratte zu verunglimpfen ist eine Schande!

    • Die Figuren sollen wohl eher MÄUSE als RATTEN darstellen!
      Da gibt es natürlich die Verbindung zur „KIRCHENMAUS“ und zu „Mäuse“ im finanziellen Sinne.
      Aus weltlicher Sicht sind diese Symbole schon sehr naheliegend!
      Aber der Herr Jesus Christus sollte aus christlicher Sicht keineswegs mit einer Maus identifiziert werden!
      Jedoch kann man vermuten, dass diese Darstellungen von Nichtchristen stammen, die nicht wirklich wissen, was sie tun.

      Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die obligatorischen staatlichen Leistungen unabhängig von der Anzahl der Kirchenmitglieder sind!
      Die staatliche Seite ist in der Pflicht und nicht die Kirchenmitglieder!

      Liebe Grüße
      Saint Peter

      • Der arme Staat ??!!

        Lieber Saint Peter: Ich könnte da (ist eher humorvoll gemeint) sagen: Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich meine die Aussage: „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die obligatorischen staatlichen Leistungen unabhängig von der Anzahl der Kirchenmitglieder sind. Die
        staatliche Seite ist in der Pflicht und nicht die Kirchenmitglieder“!

        Das mag man sich im Wunderland so wünschen, wo Milch und Honig und noch schönere Sachen fließen. Aber in der realen Welt spart sich der Staat beispielsweise fast kaputt an der Schwarzen Null, wobei er das Sparen sich zugleich aber schön rechnet durch Neben- oder Schattenhaushalte. Die jetzt noch möglichen notwendigen sozialen Leistungen sind es möglicherweise nicht mehr in etwas fernerer Zukunft. Und dann noch alle gute Arbeit der großen Kirchen, die ja im Prinzip allen Menschen zugute kommt, dann auch noch als Staat übernehmen zu müssen, rechnet sich weder noch kommt was gutes dabei heraus. Aber so pleite wie manche Landeskirchen hier auf evangelischer Seite sind, ist nichts unbedenkbar. Auch nicht, wie schon in der Nordkirche geschehen, einfach Stellen wegfallen und damit Menschen, die unmittelbar für die kirchlichen Bereiche und deren Arbei zuständig sind. Dabei verwalten die angeblich fast schon gottlosen Kirchen (was purer Unsinn ist) doch allerlei Gemäuer und Denkmalgeschütztes, also wertvolle Kulturgüter, die man doch nicht der Abrissbirne anheim geben kann. Denn wenn eines Tages, aus finanziellen Gründen, die kirchensteuerfinanzierten Kirchen nicht mehr sind, wenn diese wie in den USA eher wie Vereine gestellt werden, dann werden einige Religionskritische (was sie gerne sein dürfen), dumm dreinschauen. In Amerika überleben Obdachlose in kalten Wintern nur, weil Ehrenamtliche aus Kirchen ihnen helfen, nicht der Staat. Und unser Staat kann so viele Ehrenamtliche nicht logistisch organisieren, wie es dann nötig wäre. Diakonie und Caritas sind unendlich viele Hände und Köpfe, die das soziales Miteinander organisieren. Leider gibt es aber ersatzweise Mainzelmännchen nur im Märchen. Schönen Sonntag wünsche ich trotzdem und verstehen Sie bitte meine Zeilen nicht als Kritik, sondern nur als meine etwas zornigen Gedanken. .

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