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Wolfgang Gern: «Die Glut kommt von unten»

Wenn es um die Zukunft der Kirche geht, zitiert Wolfgang Gern oft ein brasilianisches Sprichwort: «Die Glut kommt von unten.» Will sagen: Wer oben etwas erreichen will, muss die Basis beteiligen.

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Jetzt ist der 59 Jahre alte Diakonie-Chef von Hessen-Nassau aus Frankfurt am Main selbst auf dem Weg nach oben. Gemeinsam mit dem Berliner Generalsuperintendenten Ralf Meister (48) kandidiert er für das Bischofsamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

Ende November werden die 77 Mitglieder des Kirchenparlamentes in Hannover entscheiden, wer Nachfolger von Margot Käßmann wird, die im Februar zurückgetreten war. Er wird dann an der Spitze von Deutschlands größter Landeskirche stehen, die mit knapp drei Millionen Mitgliedern rund drei Viertel Niedersachsens umfasst.

Wolfgang Gern bringt dafür reichlich Erfahrung mit. Seit zehn Jahren leitet er das Diakonische Werk in Hessen-Nassau mit mehr als 18.000 Mitarbeitenden in Einrichtungen für alte, kranke oder behinderte Menschen. 1.200 davon sind direkt bei seinem Verband beschäftigt. Auf seine Mitarbeiter ist der promovierte Theologe stolz. «Gute Leute sind die halbe Miete», betont er und lobt die Team-Arbeit. Diakonie und Kirche gehören für Gern untrennbar zusammen. «Kirche ohne Diakonie ist Gerede, Diakonie ohne Kirche ist Getue.»

Als Sprecher der Nationalen Armutskonferenz ist der gebürtige Berliner seit 2007 bundesweit bekannt. Unermüdlich setzt er sich öffentlich für Hartz-IV-Empfänger oder Flüchtlinge ein.

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Auch das Bischofsamt versteht Gern zum Teil politisch. «Die Aufgabe eines Bischofs ist es zu verbinden, zu vermitteln und zu versöhnen», sagt der verheiratete Vater eines Sohnes. «Aber er muss auch das klare Wort erheben, wo Hass und Gewalt überwunden werden müssen und die sozialen Spannungen zu Zerrissenheit führen. Und er muss mit dafür sorgen, dass der soziale Ausgleich gelingt.»

Aufgewachsen ist Gern als viertes von fünf Kindern im protestantischen Milieu West-Berlins. Der frühere Bischof Kurt Scharf (1902-1990) und die Traditionen der «Bekennenden Kirche» hätten ihn stark geprägt, erzählt er. Der Vater war Betriebsprüfer, die Mutter Diakonieschwester, der Onkel Pastor. Schon mit 20 war er Jugenddelegierter in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Mit 22 ging er für ein Jahr nach Laos und Kambodscha und betreute dort Kriegsflüchtlinge aus Nordvietnam.

Nach dem Studium in Berlin und Heidelberg sowie in Indien widmete sich der systematische Denker im Wechsel der wissenschaftlichen Theologie und der Gemeindearbeit als Vikar und Pfarrer im Odenwald. Er schrieb seine Doktorarbeit über die Predigten des Theologen Eduard Thurneysen (1988-1974), eines Weggefährten des Schweizer Theologen und Nazi-Gegners Karl Barth (1886-1968), und lehrte Missionswissenschaft. Bis heute predigt er fast jeden Sonntag, immer auf einer andern Kanzel in Süd-, Rhein- und Mittelhessen.

 An Niedersachsen reize ihn die lebendige Arbeit in den Gemeinden und Werken und die Vielfalt der Frömmigkeitsstile, erzählt er. «Und mich reizt die Bodenständigkeit, gepaart mit trockenem Humor.» Er sei ohnehin ein halber Norddeutscher. Seine Mutter stammt aus Ostfriesland, dort liegt auch seine älteste Schwester begraben, die mit anderthalb Jahren starb. Auf Spiekeroog hat er sich verlobt, und hier war er als Kurpastor tätig.

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 Seine besondere Solidarität gilt auch den Kirchengemeinden rund um Gorleben in ihrem Kampf gegen ein Atommüll-Endlager. «Ich bewundere die Pastorinnen und Pastoren, die hier vor Ort für zivilgesellschaftlichen Widerstand sorgen und Verantwortung dafür übernehmen, dass dieser Konflikt friedlich ausgetragen wird.» Deshalb will er im Falle einer Wahl zum Bischof diese Region mit als erste besuchen. An seiner kritischen Haltung zur Atomenergie lässt Gern keinen Zweifel: «Kernkraft spaltet die Gesellschaft, das ist überall spürbar.»

 Vor vier Jahrzehnten hat Wolfgang Gern einmal als Redakteur einer Schülerzeitung eine Reportage über den früheren hannoverschen Landesbischof Hanns Lilje (1899-1977) geschrieben. Für die Zeitung «Lili» des Berliner Lilienthal-Gymnasiums war es Ehrensache, einen Mann zu interviewen, der Lilje hieß. Das von Lilje handschriftlich autorisierte Interview hat Gern noch in seiner Schublade. Es könnte für ihn unerwartet aktuell werden.

(Quelle: epd)

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