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Herausforderung: So gelingt Einheit unter Christen

Was meint christliche Einheit? Was macht sie so herausfordernd? Wie wird sie möglich? Ein Plädoyer für echte Einheit in der Kirche Jesu.

Von Stephanus Schäl (Dozent an der Bibelschule Brake)

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I have a dream. Ich träume von einer Kirche, die christliche Einheit lebt und gleichzeitig Vielfalt auf allen Ebenen fördert. Ich träume von dieser Kirche, weil genau solch eine Einheit Menschen zu Jesus zieht (Joh 17,20-23). Eine Kirche, in der Einheit und Vielfalt Hand in Hand gehen, ist die beste Einladung für den christlichen Glauben.

Die Realität ist aber eine andere. Wir leben in einer Art Albtraum. Einerseits driftet die Christenheit immer weiter auseinander. Es entstehen mehr und mehr christliche Splittergruppen, die verschiedenen Lager bekämpfen sich unentwegt und die Debatten um das „wahre Christsein“ werden immer verbitterter. Die Kirche Jesu ist nur noch selten als Einheit erkennbar.

Auf der anderen Seite verkommt die Botschaft der Kirche oft zu einer Plattitüde. Der Einsatz für Vielfalt geschieht oft auf Kosten der christlichen Botschaft. Die Stimme der Kirche ist dann kaum noch von anderen gesellschaftlichen Stimmen zu unterscheiden. Die Kirche Jesu hört auf, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Ist christliche Einheit also nur ein Wunschtraum? Nicht unbedingt.

Weder Einheitlichkeit noch Beliebigkeit

Mein Nachdenken über Einheit lebt von zwei grundlegenden Differenzierungen: Christliche Einheit meint meines Erachtens weder Einheitlichkeit noch Beliebigkeit.

Christliche Einheit ist eine geistliche Realität. In Jesus gehören wir zur Familie Gottes (Epheser 2). Und in einer Familie gibt es unterschiedliche Charaktere, Vorstellungen und Meinungen. Häufiger streitet man sich. Manchmal sogar heftig. Das alles ändert aber nichts daran, dass alle Mitglieder eine Einheit sind – einfach weil sie zur gleichen Familie gehören. Einheit in der Familie Gottes ist also die Zusammengehörigkeit trotz großer Unterschiede. Sie ist eine Folge von Tod und Auferstehung Jesu.

Einheitlichkeit ist im Gegensatz dazu eine künstliche Gleichförmigkeit. Sie basiert auf natürlichen oder erzeugten Gemeinsamkeiten, in denen jeder ähnlich denkt, redet und glaubt. Das Zusammensein ist hier einfach. Aber künstlich. Und irgendwie auch langweilig.

Das Ziel ist für mich nicht die utopische Vorstellung einer großen, glücklichen Familie, in der jeder immer mit allem einverstanden ist und alle alles gleich sehen. Das Ziel ist vielmehr eine in Christus begründete Einheit, in der Unterschiede anerkannt, akzeptiert, wertgeschätzt und manchmal auch einfach nur ausgehalten werden.

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Auf der anderen Seite ist christliche Einheit aber auch nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln. Einheit ist nur dann christlich, wenn sie sich an Christus und seinem Wort orientiert. Fundament, Zentrum und Zielpunkt muss das Wort Gottes in seiner dreifachen Gestalt (durch Jesus, durch die Bibel, durch die Predigt) sein. Ein christlicher Glaube, der mit allem und jedem kompatibel ist, steht selbst für nichts mehr.

Es kann deshalb nicht darum gehen, den Anspruch des christlichen Glaubens immer weiter zu minimieren, um konsensfähig zu sein. Auch das wäre wieder eine Form der Einheitlichkeit. Es geht um echte christliche Einheit. Eine Einheit, die weder im Deckmantel der Einheitlichkeit noch in Form der Beliebigkeit daherkommt.

Was Einheit so herausfordernd macht

Einheit zu leben ist kein Selbstläufer. Im Gegenteil. Sie wird auf unterschiedlichsten Ebenen herausgefordert.

Zunächst ist da die existenzielle Dimension der Debatte. Die „Einheitsfrage“ tangiert das Bibelverständnis, die eigene Biografie und Prägung, den lieb gewonnenen Frömmigkeitsstil und nicht zuletzt den persönlichen Glauben. Folglich geht es für viele um „alles oder nichts“. Das ist nicht grundlegend verkehrt, erschwert aber einen konstruktiven und entspannten Dialog.

Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang Vorurteile und Lagerdenken. Häufig unterscheidet man zwischen „innen“ und „außen“ bzw. zwischen „uns“ und „ihnen“. Kennzeichnend für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sind sogenannte „boundary marker“, also bestimmte identitätsstiftende Schlüsselbegriffe, Ansichten und Verhaltensmuster. Jeder, der anders denkt, redet oder glaubt, gehört automatisch zu „den anderen“, nicht mehr zur Familie. Ich meine, echte Einheit sieht anders aus.

Hinzu kommen die Herausforderungen von blinden Flecken und unserer Art zu denken. Grundsätzlich ist es sehr schwer, die eigenen Annahmen und Vorurteile zu erkennen. Wir denken für gewöhnlich schnell und intuitiv. Entscheidend sind dabei Prägung, Veranlagung und Vorurteile. Viel zu selten denken wir langsam und reflektiert.

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Nur wenn es zu Unstimmigkeiten, Widersprüchen und Problemen kommt, beginnen wir bewusst und intensiv über unsere eigenen Meinungen, Intuitionen und Prägungen nachzudenken. Fakt ist: Wer ausschließlich in seiner eigenen Bubble unterwegs und wenig korrektur- und lernbereit ist, wird seine blinden Flecken nicht erkennen – aber umso lauter für sie kämpfen.

Zu oft wird die eigene Position verteidigt, ohne den anderen überhaupt verstehen, geschweige denn von ihm lernen zu wollen.

Stephanus Schäl

Diese Streitmentalität wird vielerorts durch einen Kampf- statt Dialogmodus verstärkt. Das Ringen um den Kern des christlichen Glaubens und damit das Fundament der Einheit wird zu oft als Kampf und zu selten als Dialog gesehen. Häufig fehlen Respekt und Wertschätzung für „die anderen“. Es wird lieber übereinander, statt miteinander gesprochen. Der Ton der Debatte ist teilweise unterirdisch. Zu oft wird die eigene Position verteidigt, ohne den anderen überhaupt verstehen, geschweige denn von ihm lernen zu wollen.

Schließlich ist Einheit auch deshalb so schwer, weil ein Navigieren im Spannungsfeld zwischen den Extremen der Einheitlichkeit auf der einen und der Beliebigkeit auf der anderen Seite stattfindet. Das impliziert, dass das Leben nicht immer schwarz-weiß, die Antworten nicht immer klar und die Wege auch nicht immer vorgezeichnet sind. Nicht jeder kann und nicht jeder will damit umgehen.

Ich nehme die eben genannten Gefahren in allen Bereichen des christlichen Spektrums wahr, – unabhängig von der inhaltlichen Positionierung. Christliche Einheit ist in der Tat herausgefordert. Aber: Sie ist meines Erachtens dennoch erreichbar.

Wie Einheit möglich wird

Im Kern geht es um Folgendes: Christliche Einheit wird überall dort möglich, wo an der Wahrheit der Bibel festgehalten und gleichzeitig die eigene begrenzte Perspektive auf diese Wahrheit anerkannt wird.

Christliche Einheit braucht einerseits das Festhalten an der biblischen Offenbarung als zuverlässige Richtlinie für Lehre und Leben. Wo die Bibel nicht mehr norma normans, also normierende Norm für Glauben, Theologie und Ethik ist, verkommt die Einheit zur Beliebigkeit. Genauso wichtig ist aber, dass die eigene begrenzte Perspektive auf diese Wahrheit anerkannt wird.

Gerade das Predigerbuch macht deutlich, dass wir Menschen „unter der Sonne“ leben und die Wirklichkeit immer nur aus einem bestimmten Blickwinkel wahrnehmen. Wir sind in der Perspektivität gefangen, erkennen deshalb nur teilweise. Unsere Erkenntnis bleibt „Stückwerk“ (1Kor 13,9-10). Wird das übersehen, so verkommt die christliche Einheit zur gesetzlichen Einheitlichkeit.

Wir brauchen also beides: das Festhalten an der Wahrheit der Bibel und das ebenso betonte Eingestehen, dass unsere eigene Perspektive auf diese Wahrheit begrenzt, stückhaft und unvollständig ist.

Wir brauchen die anderen Meinungen

Wo das geschieht, ist ein von Liebe und Respekt geprägter Diskurs über das Verständnis der Wahrheit möglich. Solch ein konstruktiver, ergebnisoffener und kontroverser Dialog ist auch nötig. Ohne ihn erkennen wir unsere eigenen Annahmen und blinden Flecken nicht. Ohne einen solchen Diskurs, in der sich die gesamte Kirche Jesu als Auslegungsgemeinschaft versteht, werden Lagerdenken und Vorurteile weiter zunehmen. Wir brauchen aber den anderen, um die Wahrheit von unserer Wahrheit zu unterscheiden. Nötig ist ein von Liebe und Respekt geprägtes Gespräch über Grenzen hinweg.

Von daher lasst uns an der Wahrheit der Bibel festhalten. Lasst uns miteinander, nicht übereinander reden. Lasst und Unklares und Komplexes als solches benennen. Lasst uns aus einer halben Wahrheit nicht eine ganze machen. Lasst uns die Schwächen der eigenen Perspektive offenlegen und uns auch mal vom Gegenteil überzeugen lassen. Lasst uns Einheit leben, indem die einzelnen Stimmen miteinander im Gespräch sind. Respektvoll und voller Liebe.

Einheit ist dort möglich, wo man sich auf die Vielfalt an Stimmen einlässt und diese Pluralität für die Gesamtbotschaft des christlichen Glaubens fruchtbar macht – ohne dadurch die zentralen Botschaften des christlichen Glaubens zu negieren.

Stephanus Schäl

Bemerkenswerterweise ist die Bibel selbst ein Modell für diese Einheit. Sie besteht aus vielen verschiedenen Büchern mit unterschiedlichen Betonungen, Perspektiven und Aussagen. Und doch ist sie ein Buch mit einer zusammenhängenden Botschaft. Diese Einheit wird erreicht, indem die verschiedenen Stimmen miteinander im Dialog sind. Sie brauchen einander als eine Art kontrapunktisches Gegenüber. Jede einzelne ist für die Gesamtbotschaft notwendig.

Das Mandat des biblischen Kanons liegt damit auf der Hand: Einheit ist dort möglich, wo man sich auf die Vielfalt an Stimmen einlässt und diese Pluralität für die Gesamtbotschaft des christlichen Glaubens fruchtbar macht – ohne dadurch die zentralen Botschaften des christlichen Glaubens zu negieren.

Ich habe den Traum der christlichen Einheit noch nicht aufgegeben – allen momentanen Entwicklungen zum Trotz! Und ich habe zumindest für mich persönlich entschieden, dass ich zuallererst für diese Einheit und nicht gegen den anderen kämpfen will.

I (still) have a dream …

Stephanus Schäl ist Dozent für Altes Testament an der Bibelschule Brake. Er ist stellvertretender Sprecher des Konvents der Evangelischen Allianz in Deutschland und Teil der EAD-Mitgliederversammlung. Darüber hinaus ist er im Vorstand von visiomedia und dem Bibelprojekt aktiv.

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Dieser Artikel stammt aus der Zeitschrift AUFATMEN. AUFATMEN ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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7 Kommentare

  1. Einheit kann nicht Widersprüchlichkeit sein, also kann Einheit nur durch den Geist der Wahrheit geschehen. Dieser Geist kann nur wirksam werden, wenn der Mensch bestrebt ist die Wahrheit erkennen zu wollen. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh. 8,32) „Der Geist erkennt alles, sogar die Tiefen der Gottheit“ (1. Kor. 2,10), „Wir haben geglaubt und erkannt“ (Joh. 6,69)

    Wir lassen es uns stattdessen am Nachplappern von Bibelversen und Fürwahrhalten (was wir „Glauben“ nennen) genügen. Deshalb trifft subjektive Meinung auf subjektive Meinung. Wahrheit aber ist objektiv. Also brauchen wir eine wirkliche Erneuerung! Da mir das bereits am Beginn meines Christseins bewusst wurde, habe ich mich in die entsprechende Richtung bewegt und so viele Wahrheiten erkannt, die geleugnet wurden – https://repository.globethics.net/bitstream/handle/20.500.12424/169831/Genetik_Reinkarnation_Kirche.pdf?sequence=1&isAllowed=y – und falsche Lehren widerlegt, wie die Lehre von der Prädestination: https://www.academia.edu/44621183/Die_Widerlegung_kirchlicher_Pr%C3%A4destinationslehren

    • Fängst Du schon wieder damit an…?
      Deine „Weisheiten“ widersprechen der Bibel und allem, was Jesus lehrt!

      • Nichts von dem was ich sage widerspricht der Bibel, noch den Lehren Jesu oder der Apostel. Dergleichen kann nur jemand sagen, der seine subjektiven Ansichten, die er möglicherweise mit einer Mehrheit oder traditionellen Vorstellungen teilt, zum Maßstab für die Realität macht.

        • Und aus genau diesem Grund wurdest Du hier auch schon mal mit einer „subjektiven“ Sperre belegt… 😉

  2. Als Grundlage wird die Bibel genannt, die Wahrheit der Bibel. Kann denn da gesehen werden, dass auch die historisch kritische und liberale Lesart der Bibel an dieser Wahrheit festhalten, sie gerade verständlich machen wollen für das heutige Weltverständnis, das so ganz anders ist als vor 2000 Jahren? und wo beginnt Beliebigkeit? schon dabei, das Schöpfungslied nicht als naturwissenschaftlichen Bericht zu lesen? ist das schon abzulehnende Beliebigkeit? Wertschätzen und Aushalten klingt gut. aber was heißt das genau? Beinhaltet das auch, Christen als Christen wahrzunehmen? Dass es also Menschen gibt, die so ganz anders fühlen und denken und glauben, aber trotz dieser Fremdheit auch Christen sind? wie oft wird z.b. in solchen Foren ähnlich wie hier gerade von fundamentalistischen Christen andersdenkenden Christen der ganze Glaube abgesprochen. Sich überhaupt erst einmal als Christen stehen lassen wäre ein erster Schritt zum Dialog.

  3. Welchen Zweck soll denn diese Einheit haben? Davon schreibt er nichts. Oder ist hier Einheit Selbstzweck?

    Letztlich grenzt auch der Autor immer mal wieder ab, indem Allianzgedankengut als Grundlage vorausgesetzt wird. Derartige Einheitswünsche hört man häufiger. Sie führen eher zu einer weiteren tieferen Trennung, denn es sind dann ja wieder die anderen die Schuld sind, weil sie nicht mal die grundlegensten (eigenen) Grundlagen anerkennen

    Ich denke nicht, dass das Christentum jemals so etwas wie eine Familie wird. Derzeit wäre ja sogar eine ‚gute Nachbarschaft‘ eine Utopie. Dabei sollte man vielleicht diese erst Mal als Ziel angehen. Damit hätte man genug zu tun.

    • Ich würde sogar noch tiefer gehen, denn bereits innerhalb der eigenen Familie gilt es, die Einheit zu wahren, auch wenn das nichts mit Einigkeit zu tun hat. Einheit würde ich in diesem Fall in der Namensgebung annehmen, die sich aus Jesus ergibt und bis heute weiter entwickelt hat.

      Warum wurde ich getauft?
      Warum nehme ich den Namen des Vaters, der Mutter oder sogar einen mir selbst ausgesuchten Namen an?
      Wodurch gewinnt mein Name seine Identität?
      Gehe ich mit seiner Identität so um, dass sie nicht nur erhalten bleibt, sondern sich fortbilden kann, indem ich durch ihn lerne, im Leben zu bestehen, gegenüber anderen Menschen zu argumentieren und nicht zuletzt im Glauben zu wachsen?

      Letztendlich sind mit der Namensgebung alle Fragen verbunden, die für das Leben relevant sind, das aus ihm hervortritt, denn ohne ihn bleibt das Leben in dem Herz stecken, das von Gott gegeben in seinem Namen erwachsen ist. Wir, die Getauften, sollten uns endlich bewusst werden, dass wir das Leben dort abholen müssen, wo es für den Menschen begonnen hat. Das heißt in der Genesis finden wir unseren Anfang, den es gilt für alle Zeiten in dem Maß zu erhalten, dass sich aus seiner Einheit und ihrem Vermögen ergibt.

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