Annette Kurschus ist als EKD-Ratsvorsitzende und Präses der Westfälischen Kirche zurückgetreten. Sie reagiert damit auf Vorwürfe, nicht transparent mit einem mutmaßlichen Missbrauchsfall umgegangen zu sein.
Annette Kurschus ist mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern als EKD-Ratsvorsitzende und Präses der Westfälischen Kirche zurückgetreten. Dies gab sie am heutigen Montag in einer persönlichen Erklärung vor Journalisten im Landeskirchenamt in Bielefeld bekannt. Dieser Schritt falle ihr sehr schwer, sagte die 60-Jährige. Für beide Ämter habe sie sich „mit Leidenschaft und Herzblut eingesetzt.“ In der Sache sei sie mit sich im Reinen. „Ich habe zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, so Kurschus. Die Situation habe sich jedoch derart zugespitzt, dass es für sie nur eine Konsequenz geben könne. Sie trete zurück, um Schaden von der Kirche abzuwenden.
Am vergangenen Wochenende waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein öffentlich geworden, in dem Kurschus ab 1993 als Gemeindepfarrerin und später als Superintendentin tätig war, bevor sie 2012 Präses der westfälischen Landeskirche wurde. Der Beschuldigte, den Kurschus nach eigenen Angaben gut kennt, soll über Jahre hinweg junge Männer sexuell bedrängt haben.
Kurschus: Habe nichts vertuscht
Kurschus stand unter Druck, seit wann sie von den Vorwürfen gegen den Beschuldigten wusste. Sie beteuerte mehrmals, erst im Januar dieses Jahres davon erfahren zu haben. Bei der EKD-Synode in Ulm hatte Kurschus vor einer Woche anderslautende „Andeutungen und Spekulationen“ ausdrücklich zurückgewiesen, sie habe von den Vorwürfen bereits seit Ende der 1990er-Jahre gewusst. Dagegen berichtete die Siegener Zeitung, ihr lägen eidesstattliche Erklärungen vor, die dies nahelegten. Die Kritik an Kurschus hatte in den vergangenen Tagen stark zugenommen. Vor zwei Jahren hatte sie nach ihrer Wahl zur EKD-Ratsvorsitzenden das Thema Missbrauch zur Cheffinnen-Sache erklärt.
Kurschus erklärte heute, der Konflikt sei in der Öffentlichkeit „geschürt worden“. Diesen Konflikt werden sie nicht öffentlich austragen. Es sei ihr niemals darum gegangen, sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen, Sachverhalte zu vertuschen oder gar einen Missbrauchstäter zu schützen. Sie hätte damals ausschließlich „Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.“ Inzwischen habe sich aber die öffentliche Debatte um den Vorgang derart zugespitzt, dass sie keine Alternative zum Rückritt sehe. Es sei eine „absurde und schädliche Verschiebung“ eingetreten. Statt um die Betroffenen gehe es seit Tagen nur noch um ihre Person. Dies müsse aufhören – daher trete sie zurück. „Ich kann meinen Dienst nicht weiter tun, wenn meine Aufrichtigkeit täglich angezweifelt wird“, so die 60-Jährige. Ihre persönliche Redlichkeit lasse sie sich von niemandem absprechen, sagte sie. „Mit Gott und mir selbst bin ich im Reinen.“
Bischöfin Fehrs übernimmt kommissarisch EKD-Ratsvorsitz
Das Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt der EKD hat den Rücktritt von Annette Kurschus mit Respekt zur Kenntnis genommen. „Ihre Entscheidung, auf die Ämter zu verzichten, schützt unsere Arbeit vor weiteren Belastungen“, erklärten am Montag die Sprecherinnen und Sprecher der Betroffenenvertretung und der kirchlichen Beauftragten. Sie dankten Kurschus zugleich für ihre Unterstützung des Beteiligungsforums. Man wolle die Arbeit mit großem Vertrauen in die Struktur des Beteiligungsforums in der „bestehenden vertrauensvollen Art und Weise“ fortsetzen.
Kirsten Fehrs, Bischöfin von Hamburg und Lübeck und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende, wird nach Kurschus‘ Rücktritt das Amt der Ratsvorsitzenden ab sofort kommissarisch führen. Fehrs kündigte an, Missbrauchsvorwürfe in Kirche und Diakonie weiter konsequent aufklären zu wollen. „Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir uns als Kirche nicht mit uns selbst beschäftigen“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den kommenden Wochen sollen Gespräche mit dem Beteiligungsforum, mit der EKD-Synode und den Landeskirchen geführt werden, um die Vorkommnisse aufzuarbeiten und um Vertrauen zurückzugewinnen.
Die Erklärung von Annette Kurschus im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):
„Die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelische Kirche in Deutschland sind seit Jahren der Mittelpunkt meines Lebens. Nicht nur meine Tage, auch mein ganzes Denken und Handeln sind davon bestimmt. Daran hat sich nichts geändert.
Doch in den letzten Tagen haben sich Ereignisse überschlagen. Aus einem zunächst rein lokalen und regionalen Vorgang wurde ein Fall von bundesweiter Bedeutung. Inzwischen hat sich die Lage derart zugespitzt, dass es für mich nur eine Konsequenz gibt, um Schaden von meiner Kirche abzuwenden: Ich trete von beiden kirchlichen Leitungsämtern zurück.
In der Sache bin ich mit mir im Reinen. Ich habe zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Seit mehr als einer Woche wird in der Öffentlichkeit ein Konflikt geschürt. Ein Konflikt zwischen Betroffenen von sexualisierter Gewalt und mir als Amtsträgerin. Diesen Konflikt möchte ich schon deshalb auf keinen Fall austragen, weil das die Erfolge gefährden könnte, die wir in der Aufarbeitung und Bekämpfung sexualisierter Gewalt gemeinsam mit Betroffenen in vielen Jahren errungen haben. Und die es weiterhin zu erringen gilt. Für die Menschen, die hier an der Arbeit sind, stehe ich. Ihnen will ich nicht mit Schlagzeilen durch einen Verbleib im Amt schaden.
Der Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein und meine westfälische Landeskirche setzen sich seit Anfang dieses Jahres mit Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt auseinander, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. Die Verantwortlichen arbeiten mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln daran, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Dabei werden die Betroffenen durch die Kirche intensiv unterstützt.
Der Verdacht richtet sich gegen einen Mann, mit dessen Familie ich lange befreundet war. Nie stand ich zu ihm in einem Dienstverhältnis, auch nicht zu meiner Zeit als Pfarrerin und Superintendentin im Kirchenkreis Siegen. Ich wünschte, ich wäre vor 25 Jahren bereits so aufmerksam, geschult und sensibel für Verhaltensmunster gewesen, die mich heute alarmieren würden. Ich habe allein die Homosexualität und die eheliche Untreue des Beschuldigten wahrgenommen.
Mein aufrichtiges Bemühen darum, Persönlichkeitsrechte zu schützen – auch beschuldigte Menschen und deren Familien sind und bleiben Personen mit Rechten! -, wird als mangelnde Transparenz kritisiert. Als der Versuch, meine eigene Haut zu retten oder mein kirchliches Amt zu schützen. Das ist umso bitterer, als es mir niemals – und das betone ich ausdrücklich! – niemals darum ging, mich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen, wichtige Fakten zurückzuhalten, Sachverhalte zu vertuschen oder gar einen Beschuldigten zu decken.
Inzwischen hat die Frage nach meiner Glaubwürdigkeit öffentlich eine derartige Eigendynamik entfaltet, dass eine absurde und schädliche Verschiebung eingetreten ist: Statt um die Betroffenen und deren Schutz geht es seit Tagen ausschließlich um meine Person. Das muss endlich aufhören. Es zieht die Aufmerksamkeit ab von den Betroffenen und von der Aufklärung des Unrechts, das ihnen angetan wurde. Um diese Aufklärung geht es. Diese Aufklärung gehört in den Fokus.
In aller evangelischen Freiheit zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen pointiert Stellung zu nehmen, theologisch auch Unbequemes klar beim Namen zu nennen: All das wird mir durch die aktuelle Entwicklung künftig nicht mehr so möglich sein, wie es die Ämter einer Ratsvorsitzenden und einer westfälischen Präses verlangen und wie es mir selbst am Herzen liegt.
Deshalb – und nur deshalb! – trete ich heute mit sofortiger Wirkung von den Ämtern der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen zurück.
Dieser Schritt fällt mir nicht leicht. Ich habe ihn reiflich geprüft. Es ist eine schwerwiegende Entscheidung, nicht zuletzt für mich persönlich. Gern hätte ich mir noch mehr Zeit dafür gelassen. Aber in unserer westfälischen Kirche steht Ende dieser Woche die Tagung der Landessynode an. Da muss für die weiteren Planungen Klarheit herrschen.
Sie wissen: Ich habe die Aufgaben in beiden Ämtern mit Leidenschaft und Herzblut wahrgenommen. Aus dem Evangelium heraus meine Stimme zu erheben für diejenigen, die sonst wenig zu Wort kommen: Dafür schlägt mein Herz.
In beiden Ämtern liegt eine große Verantwortung, beide sind mit einem hohen Maß an öffentlicher Wirksamkeit verknüpft.
Der Dienst, der hier zu tun ist, lebt nicht allein von dem Vertrauen, das einzelne Menschen in mich setzen. Er setzt ein öffentliches Vertrauen in meine Person voraus. Dieses Vertrauen hat Schaden genommen. Und zwar ausgerechnet in dem Bereich, den ich beim Amtsantritt ausdrücklich zu meiner „Chefinnensache“ gemacht habe.
Menschen, denen im Raum unserer evangelischen Kirche durch sexualisierte Gewalt schlimmes Unrecht angetan wurde, uneingeschränkte Aufklärung und Aufarbeitung dieses Unrechts zuzusichern: Das war meine erklärte Absicht. Mit den starken Möglichkeiten meiner Führungsposition alles zu tun, was strukturell solches Unrecht verhindern kann: Das war mein Ansinnen. Um diese Absicht, um dieses Ansinnen geht es unserer Kirche. Unbedingt. Dafür werde ich auch weiter einstehen.
Ich weiß, dass viele Menschen enttäuscht sind über meine Entscheidung.
Vor allem in meiner westfälischen Landeskirche: Gemeindeglieder, Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitende, Mitglieder der westfälischen Kirchenleitung.
Mich haben persönliche Vertrauensbekundungen erreicht, die mich tief berühren. Danke dafür! Viele haben mich gebeten, im Präsesamt meiner Landeskirche zu bleiben. Es geht nicht.
Die Enttäuschten wissen: Ich kann meinen Dienst nicht wirksam tun, wenn meine Aufrichtigkeit öffentlich angezweifelt und infrage gestellt wird.
Mit Gott und mir selbst bin ich im Reinen, und so gehe ich sehr traurig, aber getrost und aufrecht.“
Ich bin weder in der evangelischen Kirche noch tatsächlich ein Fan von Frau Kurschus – eher im Gegenteil. Dennoch kann ich Herrn Hehner und Herrn Ekkehard nur zustimmen: Mittlerweile ist es bei bestimmten Themen leicht, unliebsame Personen aus dem Weg zu räumen, wenn man nur das „richtige“ Thema anspricht. Hinzu kommt leider auch die Tendenz, Denunziationen zu fördern, was ja positiv formuliert gerne als „Whistle-Blowertum“ verkauft wird. Die FDP hat ja gerade dazu ein Gesetz auf den Weg gebracht.
Das Brennglasbeispiel von Herrn Heuer gibt es in der Medizin ja auch: Es gibt keinen gesunden Menschen; der vermeintlich gesunde ist nur nicht sorgfältig genug untersucht. Es ist keine Frage, dass die Missbrauchsthematik gerade für die Kirchen ein Desaster bedeutet, aber ich plädiere dafür, mit kühlem Kopf und in aller Sachlichkeit auch die Schwere der Vergehen und die persönliche Schuld zu betrachten. Ich verweise da gerne auf Johannes 8, 1-11.
PS: Im übrigen werde ich auch nicht müde einzufordern, dass in solchen Diskussionen mit Klarnamen agiert wird. Wer sich hinter Pseudonymen versteckt, schießt aus dem Nebel. Ich habe in der Schule gelernt, zu meiner Meinung zu stehen.
Jeder Mensch in unserem Land ist entweder
[gestrichen – mfG, das JDE-Team. Auch wenn wir die pauschale Kritik von Marita ebenfalls nicht teilen – bitte sachlich kritisieren, danke.]
In der evangelischen Kirche kann man alles treiben, ob Frau Kurschus da ist oder nicht : „Abtreiben“, Missbrauch treiben, der Homosexualität fröhnen, zwei Schwule können heiraten, es wird zu keiner Entscheidung für Jesus Christus aufgerufen…..man lese dringend Judas 1 Vers 4 : Denn gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gnade unsres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen. Das ist der Zustand der bekennenden Christenheit. Judas nennt diese Menschen „Gottlose“. Sie sind zum Gericht „aufgezeichnet“. Bereits vor vielen Jahrhunderten, schon vor der Sintflut, hat Henoch dieses Gericht angekündigt. Eine Haltung und Gesinnung, wo solche Menschen es wagen, die Gnade zu missbrauchen, um ihre Ausschweifungen zu rechtfertigen. Sie nennen es christliche Freiheit, weil Gott ja sooo lieb ist, und verachten die absolute und göttliche Autorität des Herrn Jesus. Die „Nebeneingeschlichenen“ kann man an ihrer Lebensweise und Gesinnung erkennen. Hurerei, wobei sie „anderem Fleisch“ nachgehen, das der natürlichen Ordnung Gottes völlig zuwider ist. Die von den Liberalen propagierte zügellose , freie Lebensweise und die Lobby, die die homosexuelle Praxis für rechtmässig erklären will, werden mit den Praktiken von Sodom und Gomorra verglichen, wo diese schmutzigen Phantasien bereits ausgelebt wurden. Judas 1 Vers 11 spricht ein „Wehe“ aus. Fruchtlose Bäume, leer und am Ersterben und tot bis in die Wurzel. Das Einzige, was entwurzelte Bäume erwartet, ist das Feuer. Es bleibt nichts, was irgendeinen Wert hat, nur Schändlichkeit. Solche Menschen sind beständig auf die Befriedigung ihrer Leidenschaften aus und leben nach dem Lustprinzip. Solch ein Zustand ist unmöglich das Werk des Heiligen Geistes und hat mit Jesus nichts zu tun.
Wenn Du Missbrauch gleich setzt mit normalen sexuellen Verhalten wie Homosexualität, dann ist dein moralischer Kompass aber sehr weit verrutscht.
Der Unterschied sollte eigentlich jedem klar sein und auch, was das für eine Organisation bedeutet.
Lügt jemand? Oder erinnert sich eine Partei nur falsch?
Ich weiß von mir, dass ich mir bei zurückliegenden Erlebnissen ganz sicher war, wie der Ablauf sich gestaltete. Meine Frau oder ggf. eine dritte Person hat dagegen eine ganz andere Erinnerung. Lügt einer von uns? Oder hat sich -gerade bei einem Thema, das einen beschäftigt, das man sich wiederholt in Erinnerung ruft- durch dieses Rekapitulieren der Inhalt (unwillentlich und unwissentlich) verändert abgespeichert?
Eine eidesstattliche Versicherung macht falsche Erinnerung nicht richtig.
Dies bezieht sich nicht auf den aktuellen Fall der Frau Kuschurs sondern ist ein grundsätzlicher Hinweis, dass wir mit Urteilen bzw. Verurteilen vorsichtig sein sollten.
Dieses ‚man kann sich an nichts erinnern‘ oder ‚wurde nicht informiert‘ zieht sich wie ein roter Faden durch die Missbrauchsskandale der beiden großen Kirchen.
Es geht um mehr als Getuschel, es liegen 2 eidesstattliche Erklärungen dazu vor,
> In einer größeren Landeskirche bzw. größerem Kirchenkreis scheint mir durchaus glaubwürdig zu sein, dass man da nichts erfährt.
Auch nicht, wenn sie persönlich mit dem Beschuldigten befreundet war, wie sie nach anfänglichen tagelangen Zögern schließlich einräumen musste?
Wie üblich versuchst Du, die Skandale und Verfehlungen der EKD klein zu reden.
Wenn man erwischt wird, ist es eben nicht mehr ‚aller Ehren wert‘.
Ein sehr zorniger Kommentar
Der Andere Jörg: Ich versuche nicht wie üblich die Skandale und Verfehlungen der EKD klein zu reden. Das wäre völlig unsinnig, da ich die Leute nicht persönlich kenne. An dem was Frau Kurschus gemacht oder nicht gemacht hat, bin ich völlig unschuldig. Ich habe auch keine persönlichen Interessen. Aber die unbedingte Aufklärung sexueller Verfehlungen darf aber keinesfalls dazu führen, dass fast nur noch jeder und jede öffentliche Person in der Kirche, die unter Druck gesetzt wird oder Druck aushalten muss, automatisch in Verdacht kommt und zurücktritt. Dann bleibt zum Schluß auch niemand mehr übrig. Wir schaffen uns als Christen damit selbst ab, wenn wir den Topf auf dem Herd so heiß kochen, dass nicht nur der Topf sondern die ganze Küche und das gesamte Haus in die Luft fliegt. Warum lösen andere Menschen an anderen Orte ihre berechtigt als groß empfundenen Skandale und Verfehlungen anders? Auch wenn vorher schlimme seelische Verletztungen entstanden? Die unendlich große Schuld ganz vieler Menschen in Südafrika, auch jener in den Kirchen, wurde anlässlich der menschenverachtenden Apartheit nur gelöst durch die Arbeit der Versöhnungskomissionen und daß Schuldige, Verdächtige und die Opfer extrem sehr viel miteinander redeten. Aber solches (fast schon therapeutische) Reden macht nur Sinn unter der Voraussetzungen von Vertrauen auf allen Seiten. Offensichtlich glaubt man ja noch nicht einmal den wirklich Bemühten, die alles von der Wurzel her aufklären wollen, ihren guten Willen und ebenso die ehrlichen Absichten. Im Ende nutzt die Hexenjagd niemand: Nicht uns als Christen (die wir ja oft gar nichts mit dem Problem zu tun haben), nicht den Betroffenen, nicht der Kirche und ebenso nicht der Gesellschaft. Im Gegenteil: Es ist Wind auf alle Mühlen derjenigen, die uns als Gläubige doch als Reflex generell nur eher noch alle Unehrlichkeit und Doppelmoral vorwerfen. Leider ist es wie folgt, selbst wenn man davon ausgeht dass die betroffene EKD-Vorsitzende wirklich Schuld auf sich geladen hätte: Ist das Vertrauen einmal ganz fundamental und grundsätzlich lädiert, kann dies wie ein totes Pferd auch nicht mehr aufstehen. Ich kann den Zorn von Menschen sehr gut verstehen, die sexueller Gewalt, von wem auch immer, ausgesetzt waren und ich will niemals marginalisieren oder kleinreden. Es gibt eine gute alte Weisheit: Lege einen ixbeliebigen Mensch unter ein (sinnbildliches) Vergrößerungsglas, und du wirst immer etwas oder auch mehr finden, was dir nicht gefällt und die Erwartungen dass etwas zu finden wäre, ist voll befriedigen. Leider sind Erinnerungen an z. B. 30 Jahre zurückliegende Ereignisse in jedem menschlichen Gehirn einer ständigen Veränderungen unterzogen und selbst Heilige mit völlig reinem Gewissen können sich dann sogar unabsichtlich falsch erinnern. Sonst würden nicht so viele Leute eidesstattlich falsche Erklärungen abgeben, wobei sie doch selbst oft genau wissen, dass man sich dabei nicht unwesentlich strafbar machen kann. Ich wünsche mir noch größere Bemühungen einer Aufklärung, aber keine Hexenjagd, auch nicht eine verbale öffentliche Steinigung.
Du machst es schon wieder.
> automatisch in Verdacht kommt
Sie ist nicht automatisch in den Verdacht gekommen und es ist auch keine Hexenjagd. Es gibt sehr konkrete Hinweise, dass sie etwas gewusst hat. Lies doch einfach mal die Fakten.
Das zu verschweigen oder unter den Teppich zu kehren, wie es in den früheren Jahrzehnten in der EKD wohl üblich war, geht allerdings nicht mehr so einfach. Darüber sollten alle froh sein.
Aller Ehren wert
Dass Frau Kurschus von allen ihren Ämtern zurücktritt, ist aller Ehren wert. Die persönlichen Angriffe zeigen aber, wie schwer es bei dem Thema Sexualität und Sexuelle Belästigung ist, gerecht zu sein. Wenn wir jede/n hinhängen, über den (irgend) etwas getuschelt wird, scheint mir unsere Kirchenwelt auch nicht heller und ehrlicher zu werden. Genauso nicht wenn wir nichts hören und sehen (oder eines von beiden). In einer größeren Landeskirche bzw. größerem Kirchenkreis scheint mir durchaus glaubwürdig zu sein, dass man da nichts erfährt. Bei meiner kleinen Landeskirche ist dies was anderes, dann kennt die Kirchenpräsidentin jede Pfarrerin und Pfarrer, ganz viele Gemeindemitglieder, oft auch mit Art und Name des Haustieres. (Zu dem besagten Thema bzw. sich von der Person von Frau Kurschus beispielsweise – angeblich – zu distanzieren, kann eher damit verwechselt werden, hierzu keine eigene Stellungnahme abzugeben, um nicht auch noch selbst unter Druck zu geraten. Ist menschlich, aber nicht die edelste Verhaltensweise)