- Werbung -

Corrie ten Boom: Gott, meine Zuflucht

Trotz aller Verzweiflung verliert Corrie ten Boom im Konzentrationslager nicht den Glauben. Nach dem Krieg gründet sie einen weltweiten Versöhnungsdienst – und vergibt auch dem Mann, der ihre Familie an die Nazis verriet.

Von Lydia Rieß

- Werbung -

Es ist 1944. Seit fünf Jahren zerreißt ein schrecklicher Krieg die ganze Welt. Im KZ Ravensbrück in Deutschland sitzt die Niederländerin Corrie ten Boom mit ihrer Schwester Betsie, weil sie Juden in ihrem Haus versteckt haben. Betsie ist schwer krank und hat nicht mehr lange zu leben, aber trotzdem sind gerade diese beiden Schwestern ein besonderes Licht für ihre Mitgefangenen. Sie halten Bibelstunden und sprechen ihnen Mut zu. Ein Satz prägt die Hoffnung besonders, die sie trotz der harschen Umstände mitten in ihrer Gefangenschaft haben: „Wer im Schutz des Höchsten wohnt, bleibt im Schatten des Allmächtigen“ (Psalm 91,1).

Eng, gemütlich, voller Wärme

Cornelia „Corrie“ ten Boom wird 1892 in Amsterdam als Jüngste von vier Kindern geboren und wächst in Haarlem auf, der Hauptstadt der Provinz Nordholland. Ihr Vater ist Uhrmacher. Auch Corrie entdeckt ihre Freude an der Uhrmacherei. Ihr Vater bildet sie aus. 1924 wird sie die erste Frau in den Niederlanden, die ein Diplom als Uhrmacherin erhält.

Gemeinsam mit ihrer Familie lebt Corrie ten Boom im „Beje“ – so nennt sie ihr Haus in der Barteljorisstraat, in dem sich auch das Uhrengeschäft befindet. Es ist ein Haushalt, der stets voller Leben steckt. Ein großer Teil davon ist der geteilte und gelebte Glaube der Familie. Der Vater hält Bibelstunden und hat immer ein offenes Herz für die Menschen um ihn her. Corries Mutter ist im ganzen Ort für ihre praktische Hilfe bekannt. Corrie kümmert sich um körperlich und geistig eingeschränkte Kinder und hält Sonntagsschulstunden. Bedürftige kommen oft ins Haus, um dort Gastfreundschaft und Versorgung zu erfahren, und wann immer Platz ist, haben Pflegekinder dort ein Zuhause. Es ist eng, aber gemütlich und voller Wärme.

Genau wie ihre Schwester Betsie bleibt Corrie unverheiratet. Eine Beziehung, von der sie sich eine Heirat erhofft, endet enttäuschend, da ihr potenzieller Ehemann von seiner Familie gedrängt wird, eine „vorteilhafte Partie“ zu heiraten – etwas, das Corrie finanziell und gesellschaftlich gesehen nicht ist. Stattdessen leben Corrie und Betsie weiterhin im Haus ihrer Eltern, unterstützen Haushalt und Uhrengeschäft. Die Beziehung der Schwestern ist dadurch sehr eng.

Wie ernst diese Liebe füreinander und für ihre Mitmenschen ist, zeigt der Ausbruch des zweiten Weltkrieges und die Besetzung der Niederlande durch die Nazis. Corrie ist da fast 50 Jahre alt. Sie erlebt die Realität des Krieges hautnah, als eines Nachts der nahe gelegene Flughafen zerbombt wird.

Untergrundtätigkeit

Die Familie bemerkt schnell die besondere Gefahr für ihre jüdischen Mitbürger. Für Corrie und ihre Familie stellt sich nie die Frage, ob sie helfen sollen, sondern nur wie. Gottes Volk, so sagt es Corries Vater, ist in seinem Haus immer willkommen. Als die Lage sich verschlechtert und Menschen verschwinden, sucht die Familie nach sicheren Orten, um sie unterzubringen. Corries Schwester Nollie nimmt Personen mit gefälschten Papieren bei sich auf. Ihr Bruder Willem verbirgt die Identität der jüdischen Senioren in seinem Heim und verkleidet junge Männer als Schwestern, damit sie nicht zur Zwangsarbeit in den deutschen Munitionsfabriken eingezogen werden. Die Lebensmittelknappheit erschwert dieses Unterfangen. Mithilfe eines sympathisierenden Beamten gelingt es Corrie, an hundert Lebensmittelkarten zu kommen.

Schließlich kommt Corrie mit der Untergrundbewegung der Niederlande in Verbindung und erfährt dort Unterstützung. Ein Architekt baut im Haus ein raffiniertes Versteck wie auch ein Warnsystem mit Summer ein. In einem Verschlag werden Lebensmittelkarten und das verbotene Radio verborgen, um weiter die Nachrichten hören zu können. Die von den Besatzern abgestellte Telefonleitung im Haus wird wieder aktiviert, um Unterkünfte und Lebensmittellieferungen zu organisieren. Botschaften werden nur als verschlüsselte Reparaturaufträge für das Uhrengeschäft weitergegeben. Von 1942 bis 1944 ist das Beje ein Ort, an dem ständig Mitglieder des Untergrundes und bedürftige Juden ein und aus gehen.

- Weiterlesen nach der Werbung -

Verrat und Verhaftung

Ein Kollaborateur verrät die ten Booms schließlich. In einer Razzia werden zahlreiche Familienmitglieder und Freunde festgenommen. Die Juden im Haus erreichen rechtzeitig das Versteck, und durch einen sympathisierenden Polizisten können sie trotz Hausbeobachtung wenige Tage später in Sicherheit gebracht werden. Corrie und ihre Familie werden zur Polizeistation gefahren. Der Vater bittet seinen Sohn Willem, aus Psalm 91 vorzulesen:

„Wer im Schutz des Höchsten wohnt,
bleibt im Schatten des Allmächtigen.
Ich sage zum Herrn:
Meine Zuflucht und meine Burg,
mein Gott, ich vertraue auf ihn!“

Im Gefängnis muss Corrie aufgrund einer schweren Erkrankung lange Zeit in Einzelhaft leben. So erfährt sie auch erst nach Monaten, dass ihr Vater bereits zwei Wochen nach Haftantritt gestorben ist. Die Worte aus der letzten Bibelstunde, die sie mit ihm gemeinsam hatte, gehen ihr in ihrer kleinen und schmutzigen Zelle nach: „Wer im Schutz des Höchsten wohnt …“ So viele Jahre haben Menschen in ihrem Haus Zuflucht gefunden und Gottes Liebe erfahren. Sie weiß, jetzt muss sie Gott vertrauen, dass er ihr in dieser schweren Zeit eine Zuflucht ist.

Während Corrie und Betsie im Gefängnis bleiben müssen, kommen ihr Bruder Willem und ihre Schwester Nollie frei. In mehreren Verhören gelingt es Corrie, ihre beschuldigten Mitverschwörer zu entlasten, ohne dabei mehr preiszugeben, als man bereits weiß. Eine Bibel, die Nollie ihr zuschickt, spendet ihr Trost und Mut.

Im Konzentrationslager

Corrie wird schließlich in ein Lager abtransportiert. Dabei sieht sie endlich ihre Schwester Betsie wieder. Im Lager Vught erleben sie eine Verschlechterung ihrer Lage: Zwangsarbeit, geringe Essensrationen und enge Unterkünfte. Aus dem Lager nebenan, in dem viele Ehepartner von Frauen in ihrem Lager gefangen sind, hört man immer wieder Schüsse des Exekutionskommandos.

In ihrer engen Baracke halten Corrie und Betsie Bibelstunden. Ihre Mitgefangenen sind hungrig nach Hoffnung, und so werden diese Treffen immer größer. Während Corrie mit ihrem Hass auf die Besatzer und Wachhabenden im Lager kämpft und von einer Zeit träumt, in der die Opfer des Krieges endlich ihre Traumata aufarbeiten können, sieht ihre Schwester Betsie auch in ihren Besatzern und Peinigern Opfer, von Hass und Krieg zerstört und zutiefst hilfsbedürftig. Corrie versteht, dass die Täter nach dem Krieg ebenfalls Heilung und eine Zuflucht brauchen werden.

Nachdem das Lager durch herannahende Kämpfe zu unsicher geworden ist, werden Corrie und Betsie ins KZ Ravensbrück nach Deutschland gebracht. Corrie gelingt es, die Bibel mit ins Lager zu schmuggeln – obwohl alle anderen durchsucht werden, lässt man sie unbehelligt passieren.

- Werbung -

In Ravensbrück sind die Verhältnisse noch schlimmer, die Unterkünfte noch überfüllter, voller Flöhe und kaum gegen die Kälte gewappnet. Statt mit Namen werden sie dort nur mit ihrer Nummer angesprochen. Das Essen wird durch die Kriegsverhältnisse immer knapper, die Arbeit und die morgendlichen Appelle immer schwerer. Regelmäßig müssen alle Insassinnen sich ausziehen und in demütigender Weise an einer Reihe von Wächtern vorbeilaufen, um sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

Wenn Flöhe zum Segen werden

Auch hier halten die Schwestern Bibelstunden. Betsie gelingt es, ihre dankbare Einstellung zu behalten und sogar für die Flöhe zu danken, die das enge Schlaflager der Frauen plagen. Später erfährt Corrie zufällig, dass es Flöhen zu verdanken ist, dass keine der Wächterinnen in ihre Baracken kommt und ihre Bibelstunden unterbindet. Selbst mitten im KZ finden sie eine Zuflucht, in der sie durch die Worte der Bibel Hoffnung schöpfen können.

Die Belastungen im KZ gehen schließlich über Betsies Kräfte. Bevor sie stirbt, gibt sie ihrer Schwester diese Worte mit auf den Weg: „Wir müssen ein Heim aufmachen für Menschen, die gelitten haben wie wir hier und anderswo, wo der Krieg das Leben zerstört hat. Aber die wichtigste Arbeit, die uns erwartet, ist die, jedem, der es hören will, zu erzählen, dass Jesus die Antwort auf die Probleme in den Herzen der Menschen und der Völker ist. Wir werden ein Recht haben zu reden, denn wir können aus Erfahrung berichten, dass sein Licht stärker ist als die tiefste Dunkelheit.“

Corrie wird kurz danach entlassen und kann nach Holland zurückkehren. Später erfährt sie, dass sie ihre Freilassung einem Verwaltungsfehler verdankt – eine Woche später werden die Frauen aus ihrer Altersgruppe im KZ Ravensbrück in die Gaskammern gebracht.

Versöhnungsarbeit – der Traum erfüllt sich

Trotz all des Leides und der Verluste vergisst Corrie nicht die Verheißung aus Psalm 91 und den Traum ihrer Schwester. Dieser erfüllt sich, als der Krieg wenig später endet. Eine wohlhabende Frau stellt ihr ein Anwesen in Bloemendaal zur Verfügung. Corrie richtet ein Rehabilitationszentrum für Kriegsopfer ein, öffnet aber gleichzeitig das Beje für ehemalige Nazi-Kollaborateure, die inzwischen in der Gesellschaft geächtet sind. Nach und nach gelingt es ihr, beide Gruppen zueinander zu führen und entdecken zu lassen, dass ihre Wunden sehr ähnlich sind. Später gründet sie ein weiteres Heim in einem ehemaligen Konzentrationslager in Darmstadt. Corrie versteht immer mehr, dass ihre Schwester recht hatte: Zu lange haben Hass, Rache und Zerstörung geherrscht. Nur Liebe und Versöhnung können heilen und eine Zukunft schenken.

Corrie ten Boom ist 53, als der Krieg endet, doch ihre eigentliche Lebensaufgabe beginnt erst. Bis zu ihrem Lebensende reist sie in mehr als 60 Länder und predigt die Botschaft von Versöhnung und Vergebung. Von der Königin der Niederlande wird Corrie für ihren Einsatz während des Krieges zum Ritter geschlagen. 1967 wird ihr Name in Yad Vashem unter die „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen.

Auch für Corrie selbst wird die Botschaft der Versöhnung konkret. Nach einem Gottesdienst in München 1947 kommt ein Mann auf sie zu und bittet sie um Vergebung. Er ist einer der KZ-Wächter, an dem sie regelmäßig nackt vorbeilaufen musste. Corrie versteht, dass sie Vergebung aus sich selbst heraus nicht leisten kann, sondern nur mit der Hilfe von Jesus.

Corrie ten Boom stirbt am 15. April 1983 in Orange, Kalifornien. Das Beje, das lebendige Haus der ten Booms, in der zu allen Zeiten Bedürftige jeglicher Art eine Zuflucht fanden, ist heute ein Museum und erinnert in so vielfältiger Weise an die Worte aus Psalm 91: „Wer im Schutz des Höchsten wohnt, bleibt im Schatten des Allmächtigen. Ich sage zum Herrn: Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, ich vertraue auf ihn!“

Lydia Rieß ist evangelische Theologin, Autorin, Übersetzerin und Redaktionsmitglied von Faszination Bibel.


Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

Weiterlesen: Corrie ten Boom: Mit Gott durch dick und dünn

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht

3 Kommentare

  1. Sehr beeindruckende Christin. Ich las mal ein Buch über sie, ihre Vergebungsbereitschaft ist schon übermenschlich. Hoffen wir, dass nicht wieder sehr schwierige Zeiten auf uns zu kommen. Könnte ich mir leider teilweise schon vorstellen.

  2. was für eine Lebensgeschichte, was für gesegnete Menschen und echte Vorbilder ! Deren Gesinnung werden wir wohl in den vor uns liegenden Jahren auch brauchen !

  3. Antichristen darf man nicht gehorchen

    Corrie ten Boom gehört zu jenen Menschen, von denen ich (umgangssprachlich) meine, sie seien Heilige. Also Menschen, die besondere Vorbilder sind für alle, die Jesu Lehre und Lebensstil nachzuahmen versuchen: Gott, den Nächsten und sich selbst zu lieben. Ein solches Unrechtssystem wie jenes des Nationalsozialismus wäre nie (und auch so nirgends auf Erden) möglich geworden, ohne die vielen kleinen Rädchen im Getriebe. Also alle jenen kompromisslosen Obrigkeitsgläubigen, oder an ihren Beamtenschreibtischen mit viel vorauseilendem Gehorsam. Zugegeben: Es herrscht neben Enthusiasmus auch große Angst. Oder jene Kritik- und Skrupellosigkeit, mit denen die sehr zahlreichen Demagogen dieses Antichristen in großen Massenveranstaltungen Menschen nicht nur zum begeisterten Heil-Rufen mobilisieren konnten, sondern auch für das: „Wollt ihr den Totalen Krieg“. Der totale Krieg gegen die Menschlichkeit bestand vor allem darin, jüdische Menschen (Jesus war auch Jude und damit angeblich schwach) und alle die ihre Freiheit und Verantwortlichkeit des Denkens behielten, mit dem Vorbehalt ihrer Vernichtung aussortierten. Ich habe sehr hohe Achtung für die Geschwister Boom, die jüdische Menschen versteckten unter Gefährdung ihres eigenen Lebens und auch im KZ noch für Gottes gute Botschaft warben. Es gibt nur den Trost, dass nicht alle sonntäglichen Kirchgänger mitgejubelt haben. Etwa nicht mein Großvater, der sowohl Sozialdemokrat als auch überzeugter evangelischer Christ war. An ihm hatte die Führer daher somit doppelt keine Freude. Auch nicht am beliebten Katholischen Pfarrer der Kleinstadt, der fast fällig geworden zum Abtransport ins KZ, und zudem die Unverschämtheit besaß mitten im Krieg zu versterben. Die Pfarrer aller Konfessionen im Talar und eine unermessliche Schar Christen aus der Kurstadt gingen singend nach dem Trauergottesdienst hinter dem Sarg bis zum Friedhof – während aus den Fenstern die zornigen Parteigenossen dem entsetzt zusahen. Nicht jede/r, aber leider viele, fielen dem Werben für den falschen Messias zum Opfer. Wider den Stachel zu löcken war zugegeben risikobehaftet: Zur Zeit der Konfirmandenstunde, unter Strafandrohung an die Eltern, mussten alle Jugendlichen zur Hitler-Jugend. Die katholischen Messdiener wurden zudem jeden Sonntag dort von den in Kirchennähe lauernden Hitlerjungen vermöbelt. Einige ganz Mutige baten daher erfolglos die Polizei, dies zu verhindern. Eine mutige Krankenschwester gab einem minderjährigen Schützen, der für den Führer alleine todesmutig die anrückenden Amerikaner bekämpfen wollte, auf offener Straße links und rechts eine kräfige Watsche, wonach der Jüngling so verstört reagierte dass er den Heimweg antrat. (Was auch gefährlich war). Leider werden bald die letzten Zeitzeugen jenes Widerstandes verstorben sein. Eine Erinnerungskultur wird für unsere kommende Zukunft relevant sein.

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.