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Golgatha: Der Fels, auf dem Jesus starb

Jesus starb auf dem Hügel Golgatha. Die „Schädelstätte“ auf der Nordwestseite Jerusalems wurde zum Ort der grausamen und herrlichen Erhöhung.

Von Johannes Hilliges

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Um es gleich vorwegzunehmen: Golgatha ist bei Licht betrachtet gar kein richtiger Berg. Wir werden also unter anderem der Frage nachgehen, warum sich in der frommen Überlieferung und in unserer Vorstellung dennoch der „Hügel Golgatha“ so hartnäckig hält – und was er mit der Jerusalemer Grabeskirche zu tun hat.

Doch zunächst der Textbefund. Er ist wirklich überschaubar. Nur in den vier Evangelien und dort nur in den Passionsgeschichten kommt Golgatha vor, bei Lukas sogar ohne Namensnennung.

Historisch und geografisch verankert

Allen Evangelisten geht es darum, den Ort der Kreuzigung zweifelsfrei zu benennen. Als ein historisches Ereignis wird die Hinrichtung von Jesus exakt datiert und lokalisiert, um diesem Ereignis für immer einen unverrückbaren Ort in der Welt- und Menschheitsgeschichte zu geben. Früh genug würden sich die Stimmen erheben, die den Kreuzestod von Jesus leugnen und in Zweifel ziehen würden, um demzufolge natürlich auch seine Auferstehung in Abrede stellen zu können.

Also ein konkreter Ort. Ausdrücklich wird auf den Namen hingewiesen und wird dieser Name auch für die nichtjüdische Leserschaft erklärt. „Schädel“ wurde dieser Platz schlicht genannt, gulgulta auf aramäisch, der damaligen Umgangssprache. Dass der Volksmund manchmal merkwürdige bis kuriose Ortsnamen hervorbringt und überliefert, ist nicht ungewöhnlich und muss nicht immer viel heißen. Ich bin z. B. in der Ruhrmetropole Essen zur Schule gegangen und die Buslinie, die mich zur Schule brachte, fuhr weiter nach „Haarzopf “. Kein Mensch hat sich gewundert, wie dieser Stadtteil zu seinem Namen gekommen ist…

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Deutungen des Namens „Schädel“

Also „Schädel“. Schon die Kirchenväter versuchten, diesem Namen einen tieferen Sinn abzuringen. Origines (185–254) meinte, an diesem Ort sei der Schädel Adams begraben gewesen, daher die Namensgebung. Dahinter stand natürlich eine ganz bestimmte Theologie, die die Reichweite des Todes Jesu bis zu den Anfängen des Menschheitsgeschlechtes auszuloten versuchte. Hieronymus (ca. 347–420) war da schon ein bisschen handfester und führte den Namen auf die Schädel all der Delinquenten zurück, die an diesem Hinrichtungsort ihr Leben schon ausgehaucht hatten. Aber nirgends wird vermerkt, dass dieser Ort ein klassischer, zur Stadt Jerusalem gehörender Hinrichtungsort war. Wenn es hochkommt, hatten die Römer hier einen Ort für ihre Kreuzigungen eingerichtet; aber die waren zu diesem Zeitpunkt erst runde 70 Jahre im Land. Sie hatten diese Hinrichtungsart mitgebracht, für das jüdische Volk wären Kreuzigungen undenkbar gewesen.

In den siebziger Jahren wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten und Grabungen in der Grabeskirche unternommen, die sich – einschließlich vieler Vorgängerbauten – heute über dem vermuteten Ort der Kreuzigung und auch der Grablegung von Jesus erhebt. Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei diesem Gelände ursprünglich um einen Steinbruch gehandelt hatte, in dem bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. der weiße Meleke-Kalkstein geschlagen wurde. Zurück blieb ein länglicher, halbmondförmiger Stumpf von etwa sieben Metern Länge, drei Metern Breite und einer Höhe von 4,80 Metern, der von der Stadt aus wie eine Schädelkuppe ausgesehen haben kann. Wenn dieser Ort deswegen „Schädelstätte“ genannt wurde, kann dieser Name zum Zeitpunkt der Kreuzigung von Jesus allerdings nicht besonders alt gewesen sein.

Ortsbesichtigungen

Nun kommen wir aber der Frage näher, warum schon sehr früh vom „Hügel Golgatha“ gesprochen wurde. Es kann sich dabei also um einen Felsen gehandelt haben, der sich im Gelände erhob. Dazu passen frühchristliche Pilgerberichte, die Golgatha als einen übermannshohen Felsen beschreiben, zu dem man auf Stufen hinaufstieg. Nehmen wir jetzt noch die moderne Archäologie zur Hilfe, so erfahren wir, dass im Jahr 1986 nach Abtragung einer Kalkschicht ein in den Stein geschlagenen Ring von 11,5 cm Durchmesser gefunden wurde, der einem irgendwie gearteten Holzstamm hätte Halt geben können.

All das fügt sich zu einem Bild zusammen, zumal das Areal der heutigen Grabeskirche zur Zeit von Jesus tatsächlich außerhalb der Stadtmauer lag. „Dann führten sie ihn zur Stadt hinaus (!), um ihn zu kreuzigen“ notiert Markus (15,20) „Als sie die Stadt verließen (!), begegnete ihnen ein Mann, der Simon hieß und aus Zyrene stammte. Den zwangen die Soldaten, Jesus das Kreuz zu tragen“ erzählt Matthäus (27,32); und Johannes weiß zu berichten: „Er trug sein Kreuz selbst aus der Stadt hinaus zu der so genannten Schädelstätte; auf Hebräisch heißt sie Golgatha“ (19,17). Als letzte Lokalisierungshilfe für Golgatha dient uns noch einmal Johannes: „Dort, wo Jesus gekreuzigt worden war, befand sich ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in das noch niemand gelegt worden war“ (19,41). Sowohl auf der Süd- als auch auf der Ostseite Jerusalems fiel das Gelände außerhalb der Stadtmauer steil ab in das Hinom- bzw. Kidrontal – wesentlich steiler, als das heute der Fall ist.

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Eine Gartenanlage ist da schwer vorstellbar. Hinzu kommt, dass die Römer ihre Kreuzigungsplätze gerne an belebten Straßen und, wenn es sich ergab, auch gerne an erhöhter Stelle anlegten. Nicht anders verhielt es sich bis ins späte Mittelalter in vielen deutschen Dörfern und Städten bei der Anlage sogenannter Richtstätten. Hinrichtungen waren öffentliche Ereignisse. Diese Zurschaustellung diente sowohl der Abschreckung als auch der Entehrung und Demütigung der Verurteilten. Das bestätigt Markus, wenn er schreibt: „Die Leute, die vorübergingen, schüttelten den Kopf und riefen höhnisch: ‚Ha! Du wolltest doch den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen! Hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz!’“ (15,29) Schließlich notiert Johannes (immerhin als Augenzeuge!) „Dieses Schild wurde von vielen Juden gelesen; denn der Ort, an dem Jesus gekreuzigt wurde, war ganz in der Nähe der Stadt, und die Aufschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst“ (19,20).

Sowohl der biblische Textbefund als auch die Ergebnisse archäologischer Forschung legen also nahe, dass Golgatha auf der Nordwestseite Jerusalems lag, unmittelbar vor der Stadtmauer an einem der Stadttore und an der Straße, die nach Joppe am Meer und nach Samaria führte. Damit ergibt sich auch, dass der überlieferte Hinrichtungsort Golgatha, über dem sich heute die Grabeskirche erhebt, mit der historischen und tatsächlichen „Schädelstätte“ übereinstimmt.

Wie Golgatha zum Berg wurde

Im Laufe der Frömmigkeitsgeschichte entwickelte sich die Idee vom „Kalvarienberg“, der die Vorstellung von Golgatha als Hügel oder Berg noch einmal wesentlich verstärkte. Der Begriff Kalvarienberg leitet sich aus der lateinischen Übersetzung der Bibel ab, der Vulgata, die seit dem 7. Jahrhundert in der lateinischen Kirche in Gebrauch war. Das Wort „Schädelstätte“ wird dort mit Calvariae locus wiedergegeben, von lateinisch calva „Hirnschale“. Kalvarienberge sind bis heute lebensgroße Darstellungen der Kreuzigungsszene auf natürlichen oder künstlich angelegten Hügeln und Bergen, deren Anstieg oft mit Kreuzwegstationen ausgestattet sind. Was lag da näher, als sich die tatsächliche Kreuzigung von Jesus auf Golgatha auf genauso einem Hügel vorzustellen, wie man ihn vor der eigenen Haustür stets vor Augen hatte!

Gebet als Erhebung

Aber die Vorstellung vom „Hügel Golgatha“ oder das augenscheinliche Bedürfnis, sich Golgatha als Hügel vorzustellen, hat durchaus einen geistlichen Hintergrund. Es hat mit dem Gebet zu tun – und das gilt für alle Berge und für die Geschichten, die sich mit ihnen verbinden. Beten bedeutet unter anderem, Gott zu erheben, und auch: sich zu Gott zu erheben. Diese innere Aufwärtsbewegung findet eine wunderbare Entsprechung im Ersteigen oder Erklettern eines Berges. Nicht umsonst gab es im alten Israel lange Zeit unausrottbar die Höhenheiligtümer. Intuitiv hat der Mensch Gott in der Höhe gesucht und sich zu Gott nach oben ausgestreckt. Selbst von Jesus heißt es: „Als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten“ (Matthäus 14,23). Und die Engel auf Bethlehems Feldern
sprachen: „Ehre sei Gott in der Höhe …“ (Lukas 2,14).

Die körperliche, äußere Aufwärtsbewegung steht also im Zusammenhang damit, dass auch der innere Mensch Gott erheben und sich zu Gott hin ausstrecken will. Einige typische Ausdrucksweisen dazu, die wir in der Bibel finden:

„Ich will dich erheben, Herr, du hast mich emporgezogen.“ (Psalm 30,2)

„Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen preisen immer und ewig.“ (Psalm 145,1)

„Erhebet den Herrn mit mir, lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!“ (Psalm 34,4)

„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist hat frohlockt in Gott, meinem Heiland.“ (Lukas 1,47)

„So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel.“ (1. Timotheus 2,8)

„Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.“ (Kolosser 3,2)

Martin Buber übersetzt in seiner Psalmenübersetzung das Psalmzeichen „sela“ mit „Empor!“

Zu Beginn der gottesdienstlichen Liturgie ruft bis heute der Zelebrant der Gemeinde zu: „Sursum corda!“ – „Empor die Herzen!“ oder „Erhebet die Herzen!“

Das sind jetzt nur einige beliebig zusammengestellte Beispiele; aber sie sprechen von dieser inneren Aufwärtsbewegung im Gebet, die sich bis in die Körperhaltung des Beters fortsetzen kann.

Als Jesus „erhoben“ wurde

Überraschenderweise begegnet uns dieses Emporstreben und die Ausrichtung nach oben ausgerechnet in der Kreuzigung von Jesus auf Golgatha wieder. Es wurde eben in der Senkrechten und nicht in der Waagerechten gekreuzigt. In der Regel erhob sich ein Kreuz ein ganzes Stück über den Erdboden. Man schaute also zu dem Gekreuzigten hinauf. Natürlich gehörte das zu dieser perfiden Hinrichtungsmethode: Der Gekreuzigte verlor so jede Bodenhaftung und buchstäblich den Grund unter den Füßen und war obendrein ungeschützt den Blicken der Gaffer ausgesetzt – schlimmer kann man nicht sterben!

Es ist Jesus selbst gewesen, der seine eigene Kreuzigung aber als Erhöhung in einem ganz anderen Sinne interpretierte. Zu Nikodemus sagte er: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“ (Johannes 3,14). Und im Streitgespräch mit den Pharisäern: „Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selbst tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich“ (Johannes 8,28). Und gegenüber dem Volk: „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen“ (Johannes 12,32).

Wenn wir also trotz allem vom „Berg Golgatha“ reden, dann meinen wir damit nicht, dass wir Golgatha oder das Kreuz anbeten. Wir meinen Jesus und wir beten ihn an für das, was er am Kreuz für uns getan hat, als er für unsere Sünden starb und so zu unserem Erlöser wurde. Dass Jesus am Kreuz von Golgatha einen gewaltsamen Tod stirbt, ist dabei keine unvermeidliche Episode, die wir dank Ostern schnell hinter uns lassen können und die damit ein für alle Mal der Vergangenheit angehört. Es war kein unschönes Ereignis, das Jesus in seiner Auferstehung abgelegt und abgestreift hat und woran gottlob jetzt nichts mehr erinnert. Nein, wir beten Jesus an als den Auferstandenen, dessen verherrlichter Leib unverkennbar an den Wundmalen zu erkennen ist (Johannes 20,20). Wir beten ihn an als das Lamm auf dem Thron, das in Ewigkeit die Schächtwunde trägt (Offenbarung 5,6).

Steinbruch und Eckstein

Kehren wir ein letztes Mal zu Golgatha zurück. Dieser Ort, an dem Jesus hingerichtet wird, ist ein aufgelassener Steinbruch. Von da aus können wir eine Verbindung zu Psalm 118 ziehen:
„Der Stein, den die Bauleute für unbrauchbar erklärten, ist zum Eckstein geworden. Das hat der Herr getan, und es ist ein Wunder in unseren Augen“ (Vers 22.23). Petrus greift dieses Wort auf, wenn er in seinem ersten Brief schreibt: „Gott sagt ja in der Schrift: ‚Seht, ich verwende für das Fundament auf dem Zionsberg einen Grundstein von unschätzbarem Wert, den ich selbst ausgewählt habe. Wer ihm vertraut, wird vor dem Verderben bewahrt werden‘. Euch also, die ihr glaubt, kommt der Wert dieses Steins zugute. Doch was ist mit denen, die an ihrem Unglauben festhalten? Es heißt in der Schrift: ‚Der Stein, den die Bauleute für unbrauchbar erklärten, ist zum Eckstein geworden.‘ Und an einer anderen Stelle heißt es: ‚Es ist ein Stein, an dem sich die Menschen stoßen, ein Fels, an dem sie zu Fall kommen.‘ Sie stoßen sich an diesem Stein, wie es allen bestimmt ist, die nicht bereit sind, Gottes Botschaft Glauben zu schenken.“ (1. Petrus 2,6-8)

Golgatha – das ist der Hügel, auf dem wir Jesus begegnen – dem „Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt!“ (Johannes 1,29)

Golgatha – das ist der Steinbruch, aus dem Christus stammt: der Felsen, auf dem unser Glaube ruht, der Grundstein der Gemeinde.

Johannes Hilliges (Jahrgang 1960) lebt in Niedersachsen und ist dort Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Northeim.


Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen. Faszination Bibel gehört wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag.

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