Kira Geiss, Miss Germany 2023, hatte eine schwierige Teeniezeit: Ihr Freund wurde übergriffig, sie brach mit ihrem Freundeskreis und war sehr einsam. Auf einer christlichen Jugendfreizeit öffnete sie ihr Herz für Gott.
Kira, wie kam es dazu, dass du dich bei „Miss Germany“ beworben hast?
Kira Geiss: Bei Insta wurde mir Werbung dafür angezeigt, die ich erst mal weggeswiped habe. Ich bin absolut kein Fan von Schönheitswettbewerben. Dann wurde mir die Werbung ein zweites Mal angezeigt und der Satz „Be part of the new movement“, dazu die damalige Miss Germany, die gar nicht diesem klassischen Frauenbild entspricht: Nicht groß, blond, schlank, blaue Augen, sondern eine richtige Powerfrau mit ausländischen Wurzeln, das fand ich spannend. Miss Germany ist kein Schönheitswettbewerb mehr. Der Fokus liegt darauf, Frauen eine Plattform zu geben, die etwas verändern wollen. Und ich dachte mir, ich möchte ganz dringend etwas verändern!
Was möchtest du verändern?
Geiss: Ich setze mich dafür ein, dass wir gemeinsam als Gesellschaft in junge Menschen investieren. Wir müssen starke, geile Jugendarbeit machen. Dafür müssen wir Kapazitäten haben, Menschen mobilisieren, Geld anschaffen und kompetente Arbeitskräfte einstellen.
So viele junge Menschen sind nur am Handy, weil sie Langeweile haben. Ich bin davon überzeugt: Wenn sie einmal bei einer coolen Jugendarbeit dabei waren, dann haben sie keinen Bock mehr, ständig am Smartphone zu hängen. Ich selbst kann aus meiner Lebensgeschichte sagen, dass das ganz viel verändern kann.
„Mein Freund ist übergriffig geworden“
Wie war das denn bei dir?
Geiss: Das ist ’ne wilde Story. In meiner Teeniezeit hatte ich eine ziemlich radikale Phase. Ich habe gegen meine Eltern rebelliert, die Schule gewechselt und einen neuen Freundeskreis bekommen. War mit dem Schülersprecher in einer Beziehung. Gehörte immer zu den coolen Kids.
Mit 13 hatte ich meinen ersten Blackout, weil ich zu viel Alkohol getrunken habe. Mit 15 oder 16 sind dann ein paar Sachen zu viel passiert. Mein Freund ist übergriffig geworden. Das letzte halbe Jahr in der Schule habe ich mich abgekapselt. Ich saß nur in meinem Zimmer und habe geweint, weil ich keine Kraft mehr hatte.
Wie hast du dich aus dieser Situation befreit?
Geiss: Nach meinem Abschluss habe ich mit meinem Freund Schluss gemacht, mit dem Freundeskreis gebrochen und eine Ausbildung zur Gestalterin für visuelles Marketing angefangen. Ich hatte das große Privileg, jeden Morgen mit zwei Mädels im Bus zu fahren, die mich über ein halbes Jahr lang zu ihrem christlichen Jugendkreis eingeladen haben. Das fand ich immer total cringe.
Und trotzdem hast du dich darauf eingelassen?
Geiss: Ich habe mich sehr einsam gefühlt, da ich eigentlich ein super sozialer Mensch bin. Und habe meinen Halt im Essen gesucht, aber nicht gefunden. In der Zeit habe ich 17 Kilo zugenommen. Vor vier Jahren habe ich dann die Einladung zu einer Jugendfreizeit in der Schweiz angenommen, weil ich mich so sehr nach Menschen gesehnt habe.
Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen: Dieser Jugendreferent stand da im Schneesturm in einer Hütte und hat mich in den Arm genommen, obwohl er mich nicht kannte und gesagt: „Hey Kira, es ist so gut, dass du da bist. Ich freu’ mich riesig!“
„Der Glaube ist für mich die Quelle meiner Kraft“
Kira Geiss
Wie war das für dich, als dir eine fremde Person mit so viel Liebe begegnet ist?
Geiss: Ich habe das so gebraucht! Diese ganze christliche Sache, die fand ich eigentlich super suspekt. Aber ich habe gemerkt, was da zwischenmenschlich passiert, was das für eine soziale Energie ist. Deswegen bin ich danach auch zum Jugendkreis gegangen, weil der mir so viel gegeben hat. Ich wurde gesehen und gefördert. Und mit der Zeit hat sich mein Herz für den Glauben geöffnet. Das hat mein ganzes Leben verändert.
Welche Rolle spielt der Glaube heute in deinem Leben?
Geiss: Der Glaube ist für mich die Quelle meiner Kraft. Ich weiß, dass ich keine Aufgabe allein machen muss. Wenn sich Hürden in den Weg stellen, dann überspringe ich sie mit Gott zusammen oder er zeigt mir einen neuen Weg. Der Glaube ist für mich auch eine Art Wegweiser.
Wie sind die anderen Kandidatinnen mit dir und deinem Glauben umgegangen?
Geiss: Super, ich habe überhaupt keine negative Kritik bekommen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es keinen Sinn ergibt, jemandem den Glauben aufzuzwingen. Ich versuche nicht zu missionieren, sondern Zeugnis zu geben. Ich werde auch als Miss Germany niemandem sagen: Du musst an Jesus glauben. Du musst Christ sein. Ich werde das immer mit mir tragen und Menschen werden das hoffentlich merken.
War dein Glaube auch Thema in euren Gesprächen?
Geiss: Ja, wir haben viele tiefe Gespräche über unterschiedlichste Themen geführt: Woran glaube ich ganz konkret? Wie schränkt mich die Bibel ein? Und ist es überhaupt eine Einschränkung? Gerade im Bereich Sexualität. Da konnte ich ganz klar drüber sprechen, was die Bibel dazu sagt und weshalb ich so denke. Ich kann da unverklemmt drüber reden.
„Wenn du zufrieden bist, bist du schön.“
Kira Geiss
Was macht für dich einen schönen Menschen aus?
Geiss: Ich finde, der erste Schritt zur Schönheit ist, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Wenn du mit deinen inneren Werten nicht zufrieden bist und dich deswegen nicht schön fühlst, dann musst du was ändern. Das heißt nicht, dass du super viel Sport machen musst. Als ich noch 17 Kilo mehr gewogen habe, fand ich mich nicht schön.
Ich habe intensiv Sport gemacht und hatte keine gesunde Beziehung zum Essen. Ich bin super schlank geworden und habe mich trotzdem nicht schöner gefühlt als vorher. Ich musste mich irgendwann fragen: Ok, what’s the point? Die innere Einstellung ist so wichtig!
Was würdest du einer Person raten, die mit sich und ihrem Äußeren Probleme hat?
Geiss: Finde dich und deinen Charakter schön, begegne anderen Menschen mit Nächstenliebe und trau dir Sachen zu. Wenn du zufrieden bist, bist du schön. Dann strahlst du auf andere Menschen ab und das ist mein Point: Es ist zweitrangig, was für Klamotten du anziehst, welche Haarfarbe du hast, wie groß du bist, ob du mehrgewichtig bist. Es kommt darauf an, was für eine Ausstrahlung du hast, wenn du in einen Raum kommst.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Sofia Löwen.
Dieses Interview ist zuerst in der Jugendzeitschrift Teensmag erschienen. Teensmag ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.
Beeindruckende Antworten wie man Christin wird
Kira Geiss beschreibt sehr eindrücklich, wie wichtig der Aufbau und die Pflege sozialer Beziehungen zwischen Menschen vor allem in unseren Kirchen und ihren kirchlichen Jugendorganisationen ist. In weltlicher Sprache geht es um soziale Beziehungen, ein soziales Netz das Menschen auffangen kann – und in der Sprache unseres Glaubens ist es die „Gemeinschaft“. Ich habe selten solche Klarheit der Formulierungen empfinden können wie bei Kira Geiss. Insbesondere wie wesentlich es immer ist, sich auch selbst zu lieben, wenn man in den Spiegel sieht. Niemand kann Liebe geben, wenn er sie nicht auch vorher bekommt – und umgekehrt. Der christliche Glaube ist vor allem seine Praxis, denn ohne diese Praxis gibt es auch keine gute Theorie (hier wäre die Theorie= die Glaubenslehre). Wer sich von Gott geliebt fühlt, weil ihn die Mitmenschen lieben, ja wie bei Kira geradezu auffangen, der kann auch am Morgen sein Spiegelbild vertragen, das ihm oder ihr noch müde entgegen blickt. Ach ja: Kira erwähnt auch die „Sexualität“, die ebenso zum Menschsein gehört, keine unwesentliche und/oder störende Beigabe, sondern unser Menschsein mitprägt. Sonst gäbe es nicht diese Unmenge an Liebesfilmen und Romantikkomödien. (Also absolut etwas positives). Auch versteht sich dann auch fast von selbst, dass ein vorhandenes Selbstwertgefühl eigentlich nicht meine äußerliche Schönheit erfordert, sondern auch eine hier eher innerlich verstandene Schönheit, nämlich Empathie auszustrahlen und mit ihr Vertrauen sowie Freundlichkeit. Nur so kann ich mir Jesus heute als Mensch vorstellen, der seinen Mitarbeitern eher keine Gardinenpredigten aufnötigte, sondern sie wie der Jugendreferent Kira, auch in den Arm nahm und tröstete. Dies muss ja nicht ausschließen, dass wir auch im Notfall die Tische in unseren Tempeln umwerfen müssen (aber nicht die auf den Stühlen sitzen), wenn die soziale Kälte unter Null sinkt. (bildlich verstanden). Die verlässlichste und für fast alle Menschen verständlichste Bibel sind zuerst wir selbst und ein klein wenig Licht, dass wir durchaus in der Lage sind zu verbreiten. Freizeiten sind in der christlichen Jugendarbeit von enormer Wichtigkeit für die Nachhaltigkeit sozialer Bindungen. Kirchengemeinden brauchen ebenso Gruppen, Kreise und Aktionen oder die Chöre die singen und musizieren. Wo nur die Routine aufrecht erhalten wird, da hindert man den Geist am wehen. Dann ist unter unserem Leben auch kein soziales Netz aufgespannt, was jeden Sturz abfedert, wenn uns Ungemach ereilt und wir abstürzen. Gott sendet dazu die Menschen, die uns auffangen.