- Werbung -

Was sind eigentlich Exerzitien?

Der Theologe Ralf Miro ist seit über 50 Jahren Christ und entdeckte vor acht Jahren eine Bereicherung für sein Glaubensleben: Exerzitien.

Die Fragen stellte Pascal Alius

- Werbung -

Ralf, was sind Exerzitien eigentlich?

Exerzitien sind Zeiten mit Gott, in denen man sich bewusst Zeit für ihn nimmt. Herausgehoben aus dem Alltag. Es sind geistliche Übungen. Man trainiert seine geistlichen Muskeln, um fit zu sein. Fit für das Leben, für den Alltag. Im Idealfall macht man ja was für seine Gesundheit, bevor es einem schlecht geht.

Wozu genau dienen die Exerzitien?

Für Christen ist es ganz wichtig, dass sie ihren Glauben selbstständig leben können. Unabhängig von Gemeinde, Gottesdienst, Predigt und Pastor. Das ist alles gut. Aber ich bin total dafür, selbst fit zu sein, falls es mal Zeiten gibt, in denen man nicht so Anschluss an eine Gemeinde hat oder aus anderen Gründen nicht am Gemeindeleben teilnimmt. Da muss man dann selbst geistlich gut überleben.

Kannst du mir konkrete Übungen nennen?

Eine schon lange praktizierte Art ist es, den Bibeltext häufiger zu lesen und zu schauen, wo man hängenbleibt. Dafür nimmt man sich dann Zeit, um noch mal darüber nachzudenken. Das wäre eine Möglichkeit des Bibellesens.

- Weiterlesen nach der Werbung -

Eine andere Sache ist, dass man auf seine Empfindungen beim Lesen achtet. Dass Glaube nicht nur im Kopf stattfindet, sondern auch im Herzen, in meiner Seele. Wie geht es mir mit dem Bibeltext? Freue oder ärgere ich mich oder habe ich ein großes Fragezeichen oder bin ich plötzlich begeistert? Es gilt, darauf zu achten, wie meine Seele auf Bibelstellen reagiert. Also nicht nur theologisch im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper Bibel lesen.

Und drittens gehört ein Tagesabschluss dazu. Da lässt man am Abend noch mal den Tag vorübergehen und spürt einzelnen Situationen nach. Was hat mich bedrückt, was aufgebaut? Damit schließe ich den Tag bewusst ab, gebe ihn Jesus zurück und kann dann zuversichtlich und in Frieden einschlafen, um am nächsten Morgen gestärkt aufzustehen.

Ignatius von Loyola war der Begründer der Exerzitien. Bei ihm ging es doch auch viel um Vorstellungskraft, oder?

Ja, das ist auch noch ein wesentlicher Punkt: Bibellesen mit allen Sinnen. Sich wirklich in den Text hineinzuversetzen. Wie hat das damals ausgesehen? Was höre ich? Was rieche ich? Was nehme ich wahr? Das kann man bei ganz vielen Bibelgeschichten machen, vor allem bei den Evangelien, die eignen sich am besten dafür. Ich bin dann entweder eine Person in der Geschichte oder ein Betrachter. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Zum Beispiel, als Jesus durch Jericho zieht und Zachäus trifft: Marktplatz, kleiner Mann und große Leute, auf den Baum klettern, von Jesus angeschaut werden. Dadurch kann ich lernen, wie Jesus, seine Jünger und die anderen Menschen drauf sind. So entdeckt man echt spannende Sachen. Bei vielem denke ich mir: Da wäre ich sonst nicht drauf gekommen. Es ist viel lebensnaher.

Haben Exerzitien eine Ähnlichkeit zur Meditation?

Ja, bei Exerzitien, die man außerhalb des Alltags macht, schweigt man viel. Auch beim Essen. Das hat den großen Vorteil, dass jeder bei seinen Gedanken bleiben kann. Man muss sich nicht um andere kümmern, keinen Small Talk führen. Man kann wirklich bei sich selbst sein. Und bei der Meditation geht es ja auch darum, still zu sein vor Gott.

- Werbung -

Bestimmte Meditationen wollen, dass man völlig leer wird. Das ist bei der christlichen Meditation anders: Dort schafft man Raum für Gott. Es geht zwar auch darum, sich zu entleeren und freizumachen, aber nicht, damit dann nichts da ist, sondern damit Gott mehr Platz hat.

Ralf Miro (geb. 1950) ist Theologe, Mentor und Exerzitienbegleiter und war als Pfarrer und Gemeindeleiter in verschiedenen Gemeinden tätig.


Ausgabe 3/23

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift MOVO erschienen. MOVO ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

Zuletzt veröffentlicht

2 Kommentare

  1. Christsein ohne Kirche geht auf Dauer nicht

    „Für Christen ist es ganz wichtig, dass sie ihren Glauben selbstständig leben können. Unabhängig von Gemeinde, Gottesdienst, Predigt und Pastor. Das ist alles gut. Aber ich bin total dafür, selbst fit zu sein, falls es mal Zeiten gibt, in denen man nicht so Anschluss an eine Gemeinde hat oder aus anderen Gründen nicht am Gemeindeleben teilnimmt. Da muss man dann selbst geistlich gut überleben“! (Zitat Ende). Dies hier gesagte würde ich voll teilen, aber lediglich mit der Ausnahme, dass Christsein allein auf einer einsamen Insel genauso unmöglich ist wie ohne eine Gemeinde. Als Christinnen und Christen brauchen wir Gemeinschaft. Das Fernsehen und Internet verhilft uns zur Gemeinschaft und zum Gottesdienst insofern nur indirekt. Das Wegbrechen von vielen Kerngemeinden gerade in den großen Städten ist ein vielfach unterschätztes Problem, dass sich nicht von einer Internetgemeinde und -welt einfach ersetzen lässt. Wir brauchen die Gemeinde, den Gottesdienst, das Abendmahl, die Predigt und auch Pastorin und Pastor. Ohne Gemeinschaft geht Christein auf Dauer nicht. Dann wäre Christsein wie ein Kopf ohne Leib und Christus könnte nicht das Haupt des Leibes von uns Christen sein. Ich liebe ja auch nicht das Bild auf meinem Nachttisch, sondern die dort real abgebildete Person, für die es auch eine wirkliche Gegenwart geben müsste. Das real gelebte Christsein ist jenes, das Menschen – wenigstens in Teilaspekten – gemeinsam leben. „Einer trage des anderen Last“, sagte Christus und meinte damit, weil wir nur so das Gesetz Gottes erfüllen. Aber wohlgemerkt: Die Exerzitien sind immer wertvoll und erstrebenswert. Wenn eine Gemeinde über keinerlei eigenen Gruppen mehr verfügt ist die einfachste Methode, erneut Gemeindeaufbau zu betreiben. Ich halte es für ein Narrativ, eine falsche Erzählung, dies funktioniere in der Großstadt leider nicht. Es geht alles !

    • Liebe/r/s Mensch. . .in Bernd Hehner (m/w/d),
      da Sie in einem anderen Beitrag „jeder Mensch und jede Menschin“ geschrieben haben, können Sie sich darüber freuen, dass ich Ihnen – völlig unabhängig von der Sinnhaftigkeit – in dieser Hinsicht entgegenkomme!!!
      „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ wurde von Paulus (und seinem Schreiber) geschrieben (Galater 6:2).
      Der vom Geist Gottes inspirierte Apostel Paulus macht hier – wie an vielen anderen Stellen – deutlich, dass der „Leib Christi“ als Gemeinschaft der Christen (und ihrem Herrn) essenziell ist!!!
      Jedoch kann es Situationen geben, in denen Glieder am Leib Christi für die aktuell auf dieser Erde lebenden Menschen nur unsichtbar und nicht „von Angesicht zu Angesicht“ miteinander verbunden sind.
      Eine für die Menschen konkret erlebbare und greifbare Gemeinschaft mit anderen Gliedern am Leib Christi ist zwar wichtig und wünschenswert, aber nicht immer möglich.
      Der entscheidende Punkt ist dabei, dass ich sehr wohl auch „allein auf einer einsamen Insel“ und „ohne eine Gemeinde“ als Christ leben kann, wenn die Umstände es erforderlich machen!!!
      Mein Leben als Christ muss im Wesentlichen von meiner Gottesbeziehung abhängig sein und nicht von menschlichen Beziehungen!!!
      Für das ewige Leben im Frieden mit Gott, was schon im aktuellen irdischen Leben beginnt, ist es notwendig, dass man Jesus Christus als Herrn und Retter in sein Leben aufnimmt und dadurch Sündenvergebung und ein „geistreiches“ und erfülltes Leben hat!!!

      Auf den HERRN (JHWH) zu vertrauen ist besser, als auf Menschen zu bauen. (Psalm 118:8)

      Und weil ihr den als Vater anruft, der ein unparteiisches Urteil über die Taten jedes Menschen sprechen wird, führt ein Leben in Gottesfurcht, solange ihr noch hier in der Fremde seid. Ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen wie Silber oder Gold aus dem sinnlosen Leben freigekauft worden seid, das ihr von euren Vorfahren übernommen hattet, sondern mit dem kostbaren Blut eines reinen, makellosen Opferlammes, dem Blut von Christus. (1.Petrus 1:17-19)

      Exerzitien kann man machen, wenn sie gut sind. Bei katholischen Angeboten ist das leider oft nicht so.
      Als Christ ist es besonders wichtig, gerade im Alltagsleben durch den Herrn Jesus Christus und erfüllt mit dem Heiligen Geist in einer lebendigen Gottesbeziehung zu leben!!!

      Liebe Grüße
      Saint Peter

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.