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Abend ward, bald kommt die Nacht

Dieses christliche Abendlied entstand während des Zweiten Weltkriegs und ist sprachlich an frühere Epochen angelehnt.

1. Abend ward, bald kommt die Nacht,
schlafen geht die Welt;
denn sie weiß, es ist die Wacht
über ihr bestellt.

2. Einer wacht und trägt allein
ihre Müh und Plag,
der lässt keinen einsam sein,
weder Nacht noch Tag.

3. Jesu Christ, mein Hort und Halt,
dein gedenk ich nun,
tu mit Bitten dir Gewalt:
Bleib bei meinem Ruhn.

4. Wenn dein Aug ob meinem wacht,
wenn dein Trost mir frommt,
weiß ich, dass auf gute Nacht
guter Morgen kommt.

Von Rudolf Alexander Schröder 


Das Lied entstand 1942, also in der in vieler Hinsicht dunklen Zeit des Zweiten Weltkrieges. Rudolf Alexander Schröder verfasste damals „Zehn Abendlieder“, im Jahr darauf folgten dann noch „Zehn Wächterlieder“. Abend und Nacht sind ja untrennbar miteinander verbunden.

Inhaltlich waren viele Gedichte des Autors gegenwartsnah, sprachlich allerdings auffällig – fast möchte man sagen – altertümlich. Er hat viele Texte aus der klassischen Antike und aus diversen anderen Sprachen übersetzt. Und bei seinen deutschen Dichtungen ist zu spüren, wie sehr ihn die Beschäftigung mit der Barock-Literatur geprägt hat. Deren Sprache und Stil waren ihm so vertraut, ja lieb geworden, dass er vielfach selbst darauf zurückgriff. Veraltet? Er selbst sah sich als „Wieder-Holer“ klassischer Sprachelemente. Auch in dem Lied ist das deutlich zu spüren. Es enthält nicht nur Endreime, sondern auch auffällig viele Stab- und Binnenreime, also gleichklingende Wortanfänge oder betonte gleiche Buchstaben. Nehmen wir nun den Liedtext genauer unter die Lupe.

Jesus, der Lastenträger

In der ersten Strophe ist davon die Rede, dass Gott die von ihm geschaffene Welt auch des Nachts nicht aus dem Blick verliert. Der Dichter formulierte es so, dass man denken könnte, es sei eine Allerweltsweisheit. Die zweite Strophe betont dann aber, dass nur Gott es vermag, alle und alles zu beschützen. Dazu finden sich schon im Alten Testament deutliche Hinweise, zum Beispiel in den Psalmen 4 und 121. Und aus dem Neuen Testament erfahren wir, dass Jesus Christus allein alle Lasten zu tragen vermochte, stellvertretend für uns alle.

Möglicherweise bezieht sich der Dichter hier auf die Nacht in Gethsemane. Jesu Jünger schlafen, er aber bleibt wach, weil er spürt, dass eine schwere Last auf ihn wartet. Nicht von ungefähr wird in der folgenden Strophe Jesus direkt angesprochen. Der Dichter verwendet dafür erneut ein klangvolles Zwillingswort. Die dann an Jesus gerichtete Bitte ist so formuliert, dass man stutzig wird. Darf man so energisch beten?

In einem neueren Gesangbuch hat man diese Strophe gestrichen, offenbar, weil die Formulierung als zu aggressiv empfunden wurde. Doch ein Hinweis kann die Wogen glätten. In zwei Gleichnissen erzählte nämlich Jesus selbst von lästigen, aber dann doch erhörten Bitten (Lukas 11,5ff.; 18,1-8). In einigen anderen Liederbüchern findet man übrigens eine zusätzlich eingefügte Strophe aus einem etwas älteren Abendlied des Autors. Dort wird die bekannte Bitte der Emmausjünger ausgelegt.

Vom A und O

Und wie endet das Lied? Es ist wohl kein Zufall, dass in der ersten Strophe des Liedes der Buchstabe A mehrfach betont vorkam, und nun in der letzten das O: A und O, Anfang und Ende des griechischen Alphabets. Das ist uns ja aus der Bibel vertraut. Im Kontext des Liedes heißt das: Wenn unser Abendgebet erhört worden ist, können wir den neuen Tag so begrüßen: „Guten Morgen!“

Der Strophenbau des Liedes wurde übrigens erst seit Ende des 18. Jahrhunderts vermehrt genutzt. Wer den Liedtext nun im Kopf hat, prüfe, ob Rhythmus und Länge dem Gedicht „An den Mond“ von Johann Wolfgang von Goethe entspricht. Darin findet sich folgende Strophe:

„Rausche, Fluss, das Tal entlang, Ohne Rast und Ruh, Rausche, flüstre meinem sang Melodien zu!“
Das Lied hat 1946 eine eingängige Melodie erhalten. Nicht zuletzt deshalb ist es sehr beliebt.

Text: Günter Balders


Hier findest du gute Gedanken zu weiteren altbekannten Chorälen und christlichen Liedern.

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