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EKD verpflichtet sich auf Standards bei Missbrauchs-Aufarbeitung

Die EKD und die Diakonie haben eine gemeinsame Erklärung zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt unterzeichnet. Geplant ist außerdem die Einrichtung von neun regionalen Aufarbeitungskommissionen.

Nach mehrjährigen Verhandlungen haben die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie eine sogenannte gemeinsame Erklärung mit der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Bundes zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt unterzeichnet. Die am Mittwoch in Berlin unterschriebene Erklärung unterstreicht das Ziel unabhängiger Aufarbeitung und verpflichtet die EKD und den evangelischen Wohlfahrtsverband Diakonie zur Einhaltung von Kriterien und Standards bei der Aufarbeitung. Dazu zählen Professionalität, Transparenz und die Beteiligung Betroffener.

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Verpflichtungen der gemeinsamen Erklärung

Unterzeichnet wurde das neunseitige Papier von der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten Kerstin Claus, der EKD-Bevollmächtigten Anne Gidion und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Die Erklärung hält fest, dass Aufklärung und Aufarbeitung unter anderem die Benennung von Taten, Ursachen und Folgen sexualisierter Gewalt, die Identifikation von Missbrauch ermöglichenden Strukturen und die Anerkennung geschehenen Unrechts umfasst. Die institutionelle Aufarbeitung soll zudem dazu beitragen, Schlussfolgerungen für den Schutz vor Missbrauch zu ziehen.

Mit der katholischen Kirche gibt es eine solche Vereinbarung bereits seit 2020. Die Verhandlungen mit der evangelischen Kirche zogen sich unter anderem wegen der unterschiedlichen Verfasstheit beider Kirchen in die Länge. EKD und Diakonie können keine verbindlichen Entscheidungen für die eigenständigen 20 Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbände treffen, die letztlich für die Aufarbeitung zuständig sind. Für sie ist die am Mittwoch unterzeichnete Erklärung nicht unmittelbar bindend. Das Papier hält aber fest, dass deren Zusammenschlüsse – die Kirchenkonferenz und die Konferenz für Diakonie und Entwicklung – entsprechende Beschlüsse zur Umsetzung fassen.

Detlev Zander, Sprecher der Betroffenenvertretung im maßgeblichen Gremium für Entscheidungen zum Thema Missbrauch in der EKD, sagte, durch die Erklärung werde es auch mehr Transparenz und Handlungssicherheit für Betroffene geben. «Der Flickenteppich verschiedener Landeskirchen und diakonischen Werke ist für betroffene Personen einfach viel zu unübersichtlich», sagte er. Das führe häufig zu zusätzlichen Belastungen.

Planung regionaler Aufarbeitungskommissionen

Die evangelischen Landeskirchen und die Diakonie-Landesverbände planen für die Aufarbeitung neun regionale Aufarbeitungskommissionen, die nach EKD-Angaben in den kommenden Monaten eingerichtet werden sollen. Auch deren Zusammensetzung und Berichtspflicht regelt die am Mittwoch unterzeichnete Erklärung. Sie empfiehlt eine Größe von mindestens sieben Mitgliedern, von denen mindestens zwei Betroffene sein müssen und weniger als die Hälfte Beschäftigte von Kirche oder Diakonie sein dürfen. Die restlichen Mitglieder sollen aus den Wissenschaften, der Fachpraxis, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung gewonnen werden. Die Mitarbeit wird ehrenamtlich sein.

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Zur Aufarbeitung von Missbrauch in der evangelischen Kirche hat die EKD eine groß angelegte Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Januar präsentiert werden sollen. Die Studie soll Auskunft über Ausmaß und Ursachen sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie geben.

Weiterlesen: Der Text der Erklärung.

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11 Kommentare

  1. schon interessant, welche Selbstverständlichkeiten da Jahre gedauert haben. Und das zu derart selbstverständlichen offensichtlich nicht mal alle Landesverband verbindlich bereit sind.

    Ich denke, man sollte diese Aufklärung gar nicht der EKD überlassen sondern die Staatsanwaltschaft sollte da den ganzen Laden gründlich untersuchen und Gerichte Entschädigungen in vernünftiger Höhe festsetzen als diese Almosen, die die EKD ihren Opfern anbietet.

    Eben wie es bei derart gravierender und verwerflicher Kriminalität üblich ist.

    • Das sind zwei verschiedene Dinge. Natürlich muss man die Aufklärung der Staatsanwaltschaft überlassen. So ist es in der evangelischen Kirche auch Usus. Schon Luther betonte Römer 13, 1 und dass jeder, auch die Kirche, nicht über der weltlichen Gerichtbarkeit steht. Allerdings scheinst Du eines nicht erkannt zu haben: Viele dieser Fälle sind nach geltendem Recht verjährt. Keine Staatsanwaltschaft würde da ermitteln, kein Gericht ein Urteil sprechen. Die Opfer blieben im Regen stehen.

      Hier geht es darum, dennoch Schuld zu gestehen, das Leid der Opfer anzuerkennen. Dies geht weit über die „irdische“ Rechtsprechung hinaus. Und jeder Mitgliedsverband ging bisher auf eigene Art damit um. Nun haben sie sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt.

      • Das stimmt so nicht. Missbrauch muss angezeigt werden, um staatlich verfolgt zu werden.

        Und sowohl RKK wie auch EKD haben ganz bewusst auf Verjährung gesetzt und dieses Anzeigen möglichst verhindert. Und auch Entschädigungszahlungen möglichst vermeiden.

        Warum dauert es 16 Jahre, bis die Untersuchung über das Ausmaß dieser Verbrechen abgeschlossen und veröffentlicht wird? Wenn es denn 2024 endlich veröffentlicht wird.

        Und die Entschädigungszahlungen sind erbärmlich niedrig, bei der EKD noch mehr als bei der RKK. Lies mal Stellungnahmen der Opferverbände.

        Nur bei Kirchen lässt man die Täterorganisationen ihre Verbrechen selbst regeln.

        • Du verlangst also, dass das, was Du „Täterorganisation“ nennst, gleichzeitig auch Ankläger ist? Deine Argumente werden irgendwie immer konfuser. Nur, um allen zu zeigen, dass Deiner Meinung nach auschließlich „die Kirche“ an allem schuld sein KANN.

          Wird eine Straftat angezeigt, so geschieht das immer bei der Exekutive, also Polizei und Staatsanwaltschaft. Die evangelische(n) Kirche(n) haben nicht die Möglichkeit, eine Veröffentlichung zu verzögern. Das ist Rechtsgrundsatz, den auch die Kirche nicht umgehen kann.

  2. Ich verstehe nicht warum die Erklärung so lange gedauert hat. Die katholische Kirche ist noch kleinteiliger als die evangelische und genau genommen kann jeder Bischof und jeder Abt mitreden. Warum ging es dort doch deutlich schneller?

    Es ist halt mal wieder eine der üblichen Ausreden, denn genau genommen wollte und will man sich mit diesem Thema nicht beschäftigen. Das ist der eigentlich Grund.

    • Ich muss Dir da widersprechen, EinFragender. Die katholische Kirche ist alles andere als „kleinteilig“. Sie ist zentralistisch geführt, ihre „Hauptamtlichen“ werden oft nicht erst gefragt. So ist ihr gelungen, das Thema Missbrauch über viele Jahre hinweg zu ignorieren oder tot zu schweigen. Das, was wir dort jetzt an Aufarbeitung sehen, ist häufig das Ergebnis jahrzehnte langer Vorarbeit. Vieles wurde erst dadurch publik, dass die Opfer keinen anderen Ausweg sahen, als ihre schlimmen Erfahrungen gegen den Widerstand der Kirche öffentlich zu machen.

      Anders die evangelische Kirche: Hier steht jeder Pfarrer, jeder Dekan, Diakon oder Leiter einer Einrichtung zuallererst selbst in der Verantwortung. Und hier wurde mit der Aufarbeitung lokal zumeist unmittelbar nach Entdeckung der Missbrauchsfälle begonnen – oft, ohne viel Aufhebens und ohne den für die Opfer häufig unangenehmen Gang an die Öffentlichkeit. Nun ist der nächste anstehende Schritt, das alles für alle Mitgliedsorganisationen der EKD allgemein verbindlich zu regeln.

      • Das ist schlicht gelogen. Die EKD hat noch mehr verschleiert und verzögert als die RKK.

        Und auch erst 6 Jahre nach den Katholiken angefangen, sich mit ihren Verbrechen zu beschäftigen.

        • Luege, Jörg? Lesetipp: Hier auf den Seiten von Jesus.de gibt es mehrere Berichte, wie Gemeinschaften, die zur EKD gehören, in den vergangenen zwanzig Jahren mis Missbrauchsfällen umgegangen sind. Mir persönlich sind sogar ältere bekannt. Das alles geschah schon zu einer Zeit, als die römische Kirche noch darüber diskutierte, ob man solche „internen Angelegenheiten“ überhaupt an die Behörden weiter leiten soll. Der Unterschied ist, dass nicht „die EKD“ dafür verantwortlich ist, sondern jede einzelne ihrer Gemeinschaften und Einrichtungen. Neu ist hingegen, dass gemeinsame Richtlinien zur Aufarbeitung verabschiedet wurden.

          • Vertuschung ist Unwahrheit

            Lieber Andi: Das Problem im Problem Sexueller Mißbrauch ist nicht durchgängig publizierbar, aus zwar aus folgendem Grund: Dass diesem angeblich nicht nachgegangen wird oder es nicht geahndet wird, ist schlicht und einfach unwahr. Sondern hier gibt es aus gutem Grund normalerweise überhaupt keine, oder keinerlei präzisen und Ross und auch Reiter benennenden Hintergrundberichte. insbesondere wenn Betroffene/Angehörige dies nicht wünschen. Klarnamen von Opfern dürfen nach unseren Gesetzen weder von der Kirche noch vom Staat nicht genannt werde, wenn diese sich nicht selbst öffentlich äußern.. In meiner langen Zeit in der EKHN sind dann letztlich doch jene vorkommenden Fälle nur in einem Landkreis bzw. in damals drei evangelischen Dekanaten doch als Skandal und großes Unrecht in der Presse bekannt geworden. Das waren in 30 Jahren zwei Fälle in einem Gebiet mit 100.000 Einwohnern und zur Hälfte mit evangelischer Konfession. Es gab auf allen Seiten zurecht eine große Aufregung also bereits vor Jahrzehnten. Auch die Kirchenleitung wäre blind, lahm und degeneriert gewesen, hätte sie da nicht die auch immer nach geltenden kirchlichen Vorschriften erforderlichen Schritte unternommen und selbstredend wurde da die Staatsanwaltschaft aktiv. Ich halte die Behauptung, zumindest in aller Regel seien Sexueller Mißbrauch bei uns Evangelen vertuscht worden, für eine Lüge. Natürlich kann niemand, auch nicht ich, etwas wissen was ich nicht wissen kann. Weder kann man jemand hinter die Stirn sehen noch Gedanken lesen. Die bei solchen Fällen in der Lokalen Presse stehenden Berichte sind – was aus meiner obigen Ausgangslage klar wird – nicht wirklich erhellend: Was da im Einzelnen verbrochen wurde, steht und stand nicht in der Zeitung. Damit würde man ja auch – und deshalb ist es schlicht verboten – den Betroffenen und Angehörigen einen Bärendienst leisten. In aller Regel sind Betroffene traumatisiert. Sexueller Mißbrauch ist kein Verkehrsunfall und da kann nicht berichtet werden, wer mit wem zusammengestoßen ist. Lediglich die Gerichtsprozesse, wenn sie denn stattfinden, sind öffentlicht und wer dann verurteilt wird der ist auch schuldig. Vorher gilt man nach unserem fortschrittlichen Recht noch für unschuldig. Schlussbemerkung: Wenn es sich auch nach staatlichem Recht um ein Vergehen oder Verbrechen handelt, wird immer Justizia tätig und niemals kann es dann die Kirche alleine regeln.

            • > Ich halte die Behauptung, zumindest in aller Regel seien Sexueller Mißbrauch bei uns Evangelen vertuscht worden, für eine Lüge

              Dann lügen also alle Untersuchungen, auch die bisher Kircheninternen, die ja stets von der Spitze eines Eisbergs sprechen.

              Dann warten wir mal die grosse Untersuchung 2024 ab Dann sehen wir ja, wer lügt und somit die Opfer nochmals zu Opfern macht.

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