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Künstler unterstützen Künstler: „Die Not ist weiterhin groß!“

Über 170.000 Euro hat eine private Initiative innerhalb eines Jahres für Künstler in Not gesammelt. Viele haben existenzielle Probleme – manche arbeiten inzwischen in anderen Jobs.

Konzerte und Vorstellungen fallen wieder oder weiter aus, die Rücklagen sind aufgezehrt. Die Coronapandemie hat viele Kunstschaffende in Existenznot gebracht. Um unbürokratisch helfen zu können, gründeten die Künstler Christoph Zehendner, Peter Neubauer und Volker Schmidt-Bäumler (superzwei / „Schmittini“) im November 2020 die Plattform „Künstler unterstützen“ (Jesus.de berichtete) und sammelten nach eigenen Angaben bislang über 170.000 Euro. Rund 100 Künstler seien damit unterstützt worden, darunter Tontechniker, Tänzer, Sängerinnen und Sänger, Gitarristen, Schlagzeuger, Produzenten, Puppenspieler, Pantomime und Zauberkünstler. „Im vergangenen Sommer wollten wir unsere Initiative dann einstellen, weil wir dachten, es wäre nicht mehr nötig“, sagt Schmidt-Bäumler. Doch es kam anders.

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Nach wie vor benötigen viele Kunstschaffende dringend Unterstützung. Manche haben mehr als eine Spende von der Initiative erhalten. „Unsere Einschätzung ist, dass wir mit Sicherheit bis zum Sommer weitermachen werden“, so Schmidt-Bäumler. „Wir haben allein in den letzten Wochen über 20.000 Euro weitergeben können.“ Dabei gehe es nicht nur um das Geldgeschenk an sich, erklärt Zehendner: „Endlich mal wieder das Gefühl, ich bin nicht ganz vergessen. Endlich mal jemand der fragt: Wie geht es Dir?“

„Es ist toll, dass es nach wie vor viele großzügige Menschen gibt, die Künstler unterstützen und beschenken wollen“, sagt Peter Neubauer. „Das bewegt mich sehr – und es ist regelrecht ein Segen für Menschen, die im kreativen Bereich arbeiten und damit ihre Familie ernähren.“

Der Inhalt meines Lebens ist durch die Pandemie weggenommen worden.

Anna-Dorothea Mutterer

Stellvertretend für viele Kunstschaffende haben sich die Violinistin Anna-Dorothea Mutterer und der Sänger und Songwriter Johannes „Joe“ Falk zu ihrer aktuellen Situation geäußert.

Anna-Dorothea und Johannes, wie ist es euch in den vergangenen sechs Monaten ergangen?

Anna-Dorothea Mutterer: Mein Lebenssinn, der Inhalt meines Lebens ist durch die Pandemie weggenommen worden. Was mich als Mensch und Künstler ausgemacht hat, das ist weg. Wie viele andere Künstler habe ich in den letzten Monaten online gespielt, was aber nur Beschäftigungstherapie ist. Einige wenige Konzerte fanden statt, aber das reicht nicht.

Johannes Falk: Ich muss zugeben, dass ich in den letzten Monaten scheinbar sehr naiv war. Ich hab tatsächlich geglaubt, dass wir mit der Pandemie fast über dem Berg sind. Aber dann kam der Herbst und man konnte eigentlich täglich dabei zusehen, wie sich dieser Glaube in Luft auflöste. Jetzt, in diesem Moment, komm ich mir vor wie Bill Murray in „Täglich grüßt das Murmeltier“. Es ist wirklich zum Heulen.

Anna-Dorothea Mutterer: Veranstalter und Gäste bleiben aus, es ist zum Verzweifeln. Ich kann nun nicht mehr von meiner Kunst allein leben. Vor der Pandemie war ich als Solo Violinistin international unterwegs, in Australien, Mexiko, New York – dort habe ich mit großen Orchestern in ausverkauften Häusern gespielt. Eines meiner letzten Konzerte im Februar 2020 auf Teneriffa behalte ich bis heute als tolle Erinnerung im Herzen. Seit dem ersten Lockdown sind alle internationale Buchungen ausgeblieben. Ich habe eine neue Leidenschaft entdeckt: Ich bin nun Trainerin in einer Kampfsportschule und bin dort sogar mit einer halben Stelle angestellt. Ich hätte mir das so nie vorstellen können – weder die Festanstellung, noch dass ich überhaupt mal als „Nicht Künstlerin” arbeite.

Anna-Dorothea-Mutterer
Anna-Dorothea Mutterer (Foto: privat)

Wir Künstlerinnen und Künstler
haben keine Lobby.

Johannes Falk
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Johannes Falk: Ich hatte ein Konzert im Sommer, Open Air. 120 Sitzplätze mit Abstand, Testkontrollen am Eingang und dann noch Maskenpflicht am Platz. Sorry, aber das versteht keiner mehr, während gleichzeitig die Stadien voll sind oder Leute sich im ICE auf die Pelle rücken. Von den finanziellen Hilfen mal abgesehen – so etwas Kompliziertes und Undurchdachtes muss man erst mal erfinden! Dennoch sind die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen vernünftig. Die lassen sich durch politische Fehlentscheidungen oder Misskommunikation nicht in die Irre leiten, sondern vertrauen der Wissenschaft und zeigen sich solidarisch. Aber was die letzten Monate deutlich gemacht haben: Wir Künstlerinnen und Künstler haben keine Lobby. Das muss sich rasch ändern.

Johannes, als Übergangslösung bist du jetzt Lehrer …

Johannes Falk: Die Stelle habe ich erst seit wenigen Wochen und bin froh drum. Nach dem Sommer war klar, dass meine Tour vom Herbst ins Frühjahr verschoben wird. Heute ist nicht mal klar, ob sie dann stattfinden kann. Ich befürchte nicht. Einige meiner Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Supermarkt, auf dem Bau oder im Lager.

Anna-Dorothea Mutterer: Meine Hoffnungen für die kommenden Monate sind eher überschaubar. Die internationalen Konzerte bleiben aus. Die unterschiedlichen Bestimmungen zu Einreisen und Quarantäne machen das Reisen und Konzertieren mehr als kompliziert. Ich habe ein paar eigene Konzerte organisiert, Solo und mit Timo Böcking im Duo, das ist noch ausbaufähig. Wobei die Unsicherheit bleibt. Ich muss auf Nummer sicher gehen und bin nun erstmal in der Kampfsportschule und sehe dort viele tolle Möglichkeiten. Was ja eigentlich auf den ersten Blick nicht einhergeht, Geigerin und Kampfsportlerin zu sein, erfüllt mich dennoch sehr.

Was wünscht ihr euch selbst und anderen Kunstschaffenden?

Anna-Dorothea Mutterer: Anderen Künstlern sage ich: Ich wünsche euch, dass ihr auf die Suche geht nach dem, was euch inspiriert in dieser Welt, was euch neben der Kunst noch begeistert. Die Krise hat mir den Blick geweitet, und ich bin dankbar für die vielen Chancen, die sich für mich ergeben haben. Aber ich wünsche mir vor allem, dass wir wieder Künstler sein können und auf den Bühnen Momente schaffen, die man nirgendwo anders finden kann. Dass wir Gemeinschaft haben und für die Besucher Konzerte spielen können, die Herzen berühren.

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Johannes Falk: Tapfer bleiben und keine dummen Entscheidungen aus dem Affekt heraus treffen. Die Pandemie ist meiner Meinung nach der schlechteste Zeitpunkt, seine Berufung infrage zu stellen oder seine Kunst an den Nagel zu hängen. Ich gebe zu, diesen Gedanken hatte ich auch, aber es wäre keine Vernunftentscheidung, sondern eine aus der Verzweiflung heraus. Vielleicht müssen wir Künstlerinnen und Künstler, die wir unter dem kommerziellen Radar laufen, uns mit neuen Modellen anfreunden. Ich persönlich tue mich damit schwer, zum Beispiel dauerhaft Spenden über Plattformen wie Patreon zu akquirieren. Aber vielleicht muss ich – müssen wir – umdenken, um unsere Kunst und uns selbst am Leben zu erhalten. Spenden oder Geldgeschenke anzunehmen ist für mich nicht einfach. Die Pandemie ist für uns eine gute Schule, da über unseren Schatten zu springen.

Johannes Falk (Foto: Johannes Falk)

Ich danke Christoph, Peter und Volker
von Herzen für ihre Arbeit

Johannes Falk.

Was die Initiative „Künstler unterstützen“ macht, geht ja schon in diese Richtung, also den Support von Kunstschaffenden neu zu denken, ein neues Bewusstsein für Kunst und Kunstschaffende zu fördern. Ich finde das großartig und danke Christoph, Peter und Volker von Herzen für ihre Arbeit – ebenso allen Schenkerinnen und Schenkern. Ich durfte ja selbst schon davon profitieren. Danke!

Anna-Dorothea Mutterer: Danke für alle Begleitung in diesen Tagen, das ist mir sehr viel wert. Ein herzlicher Dank geht auch an die vielen Geldschenker, die „Künstler Unterstützen” erst möglich machen. Ihr sendet mehr als ein Signal der finanziellen Absicherung. Ihr schickt ein Signal, dass Kunst etwas Göttliches ist, was es zu erhalten lohnt. Irgendwann sind wir wieder da, wozu wir erschaffen wurden: als Künstler”.

Die Interviewtexte wurden uns von der Initiative „Künstler unterstützen“ zur Verfügung gestellt.

Video-Update der Initiative vom 1.12. 2021:


Wer betroffene Kunstschaffende unterstützen möchte, kann dies auf der Homepage der Initiative tun.

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