Glockengeläut mitten in der Nacht: So verhinderten rund 100 Bürger und Bürgerinnen Bremens den Versuch der Polizei, ein Kirchenasyl zu brechen.
In der Nacht zum Dienstag wollten Polizeikräfte zwischen 2 und 3 Uhr einen 25-jährigen Somalier aus dem Kirchenasyl im evangelischen Zion-Gemeindezentrum holen, wie Pastor Thomas Lieberum dem Evangelischen Pressedienst am Morgen bestätigte. Dies sei von rund 100 Bürgerinnen und Bürgern unter Glockengeläut friedlich verhindert worden. „Wir sind entsetzt, dass in Bremen das Kirchenasyl seitens der Behörden offenbar nicht mehr geachtet wird“, sagte der Pastor. Zuerst hatte buten un binnen Online von Radio Bremen über den Vorfall berichtet.
Der Somalier befindet sich dem Pastor zufolge seit September im Kirchenasyl und sollte nun nach Finnland abgeschoben werden, weil er dorthin über die russische Grenze in die EU eingereist sei. Am Samstag laufe seine Überstellungsfrist nach dem Dublin-Verfahren ab.
„Tabubruch“
Die Gemeinde stehe weiterhin zu dem Kirchenasyl, bekräftigte der Pastor. Sie habe den Fall vorab sorgfältig geprüft und den Behörden gemeldet. Pastor Lieberum bezeichnete den Vorfall als „Tabubruch“. Die Kirchengemeinde habe stets eng mit den Behörden kooperiert. Er wisse von keinem Fall in der Vergangenheit, in dem das Kirchenasyl in Bremen nicht akzeptiert worden sei. „Wir hoffen, dass die Behörden keinen weiteren Versuch unternehmen werden, das Asyl zu brechen. Wir werden aber in den kommenden Nächten weiter auf der Hut sein.“
In Bremen stehen die Behörden und die Kirche eigentlich im engen Kontakt, wenn es um Fälle des Kirchenasyls geht. Einem Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche zufolge gibt es in der Hansestadt derzeit zwölf Kirchenasyle. Im gesamten Jahr 2024 seien es mehr als 100 gewesen: „Das war im Vergleich zu den Vorjahren ein riesiger Anstieg.“ Laut der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche seien bundesweit (Stand 18. September) 542 aktive Kirchenasyle mit mindestens 690 Personen bekannt, davon seien etwa 114 Kinder. 522 der Kirchenasyle sind den Angaben zufolge sogenannte Dublin Fälle.
Asylpolitik in Europa: Gefahr für Kirchenasyl
Erst Ende November hatte die Vorstandsvorsitzende von Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, im Gespräch mit dem epd aufgrund der restriktiveren europäischen Asylpolitik vor einer Gefahr für das Kirchenasyl gewarnt. Ihr zufolge sind seit 2015/16 fast ausschließlich solche Menschen im Asyl, die von sogenannten Dublin-Abschiebungen betroffen sind. Für deren Asylverfahren ist eigentlich ein anderes EU-Land zuständig, in dem sie erstmals registriert wurden. Zudem habe die Bundesarbeitsgemeinschaft seit Sommer 2023 bereits acht Räumungen von Kirchenasylen durch die Polizei verzeichnet.
Der Bremer Flüchtlingsrat verurteilte die Aktion. Die Menschenrechtsorganisation verwies auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und Linken im Bundesland. Darin sei festgeschrieben, dass aus besonders sensiblen Orten, wie etwa Kirchen, keine Abschiebungen erfolgen sollen. Die Bremer Innenbehörde kündigte eine Stellungnahmen an.
Der Schriftführer der Bremischen Kirche, der Bremischen Kirche, Pastor Dr. Bernd Kuschnerus, erklärte in einer Stellungnahme: „Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen. Es gab dazu in Bremen bisher gute und verlässliche Verfahrenswege im Dialog zwischen der Innenbehörde und den Kirchen. Das jetzige Vorgehen gegen ein Kirchenasyl in der Bremer Neustadt ist eine deutliche Abweichung von dieser bisherigen, gemeinsamen Linie von Staat und Kirchen.“ Man sehe, dass die Behörde und der Innensenator politisch „unter Druck stehen“. Er habe die Erwartung, „dass „dass wir zu dem bisherigen guten Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen zurückkehren.“
UPDATE (5.12.)
Nach dem gescheiterten Abbruch eines Kirchenasyls in Bremen durch die Polizei haben der leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche, Bernd Kuschnerus, und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) miteinander gesprochen. Beide Seiten seien sich einig, «dass es einen Dialog zwischen Kirche und Innenbehörde geben soll, um zu einem guten Umgang mit dem Kirchenasyl zurückzukehren», sagte ein Kirchensprecher am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd): «Was das bedeutet, wird im Dialog zu klären sein.»
Weiterlesen:
Zum Update: Das klingt ein bisschen so, als wenn der Staat der Kirche weiter entgegen kommen will. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Aussage des Hamburger Innensenators nach dem Treffen der Innenminister zeigt. Er benennt die Rechtswidrigkeit und das Brechen der bisherigen Vereinbarung der Kirchen klar und sagt, dass da Änderungen erfolgen müssen:
https://www.welt.de/regionales/hamburg/article254795204/Hamburgs-Innensenator-Grote-Die-Kirche-steht-nicht-ueber-dem-Recht.html
……ich muss leider immer wieder an 2 junge Auzunbildene denken unter 20 Jahre hier in Schleswig Holstein die bei der deutschen Bahn ihre Ausbildung gemacht haben……und von einem Mann erstochen wurden und dabei ums Leben kamen!
Diesem Mann ist der Asylantrag abgelehnt worden…und er wäre abgeschoben worden.
Aus Wut hat er mehrere Fahrgäste schwer verletzt und zwei junge Menschen getötet.
Er war gerade aus der U-Haft entlassen worden….
ist schon etwas her…..ich hätte zu dem Zeitpunkt meine Tochter nicht mehr mit einem ruhigen Gewissen Zug fahren lassen.
Die armen Eltern!!!!
Ein junges Mädchen wurde hier als Geisel genommen im Asylantenheim und mehrfach sexuell missbraucht.
Sie schaffte es irgendwie noch ihre Eltern anzurufen und um Hilfe zu „schreien“.
Sie hatte sich wohl diesem Mann verweigert…
doch er nahm sich dann sein Recht!
Angekettet an einen Stuhl wurde „Sie“…
Hier war die „Hundertschaft“ der Polizei ausgerü ckt…überall Polizeihunde…etc. um das Mädchen zu finden und ihren Geiselnehmer.
Das war hier im Ort…..
Sie haben das Mädchen Schlussendlich gefunden…und sofort ins Krankenhaus gebracht!
Der Mann wurde in U Haft genommen!!!
Ich denke eine „Abschiebung“ nach Finnland ist nicht so schlimm, wie nach Somalia zurück…
da wird dann weiter entschieden…
Es gibt doch Gründe -warum ein Asylant wieder abgeschoben wird!
iIch möchte einfach nur an alle Opfer erinnern und an die Angehörigen!
An die vielen schlimmen Dinge ,die hier passiert sind, mittlerweile….was wäre, wenn Jeder Kirchenasyl beantragt?
Ein Mann ist überfallen worden von 3 maskierten Jugendlichen…mit einer Schreckpistole bedroht.
In einer Siedlung…noch nie passiert hier…
Alte Leute trauen sich nicht mehr aus dem Haus…
wer weiß schon…wann man ein Messer im Rücken hat…
Ich finde das wird Alles zuviel für Deutschland…für Menschen ob mit oder ohne Glauben….
Andere Länder können mit helfen!!!
Werde da die Leute auch so erstochen, missbraucht und überfallen…?
Hier waren mehrere Überfälle und Diebstähle…Drogenkuriere…
das hat es so noch nicht gegeben!
BVor Diskotheken stehen Wachmänner, weil Deutsche Mädchen ohne bedrängt zu werden ,nicht mehr in eine Diskothek können…
Natürlich geht es hier um das Leben des Somaliers…aber er war ja erst in Finnland….warum dann nicht dort?
Das sind nur so ein paar Gedanken….
Meine Gedanken zu deinen Gedanken:
Ich finde deine verallgemeinernde Gleichsetzung von Asylanten mit Gewalttätern schlimm.
Ja, es gibt solche Fälle und jeder Fall ist einer zuviel. Aber jeder Fall wird auch medial so ausgeschlachtet, dass man den Eindruck bekommt, es wären viele.
Wie du hier lesen kannst, bin ich hier für Recht und Gesetz. Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen. Aber das heißt nicht, dass ich diese Menschen nicht verstehe oder kriminalisiere.
Ich kann verstehen, wenn jemand versucht, hier ein besseres Leben führen zu wollen. Das ist sowohl menschlich wie auch rational.
Wir sollten deshalb als Gesellschaft durchaus Grenzen ziehen, aber auch im Rahmen unserer Möglichkeiten Chancen geben.
Allerdings, und da bin ich mit dir durchaus einer Meinung, nicht gegenüber Kriminellen. Genauso wie man erwarten kann, dass sich Migranten um den Spracherwerb bemühen und sich in die Gesellschaft einfügen. Was viele übrigens tun. Oft mangelt es im Gegensatz an Möglichkeiten dazu.
Das Problem hier ist, dass beide Seiten, also Kirche und Staat, im Unrecht sind.
Zunächst die Rechtslage zu Kirchenasyl. Kirchenasyl ist illegal und ein Gesetzesbruch. Seit 2015 aber gibt es eine Erklärung der zuständigen Bundesbehörde, unter welchen Bedingungen das toleriert wird. Der verantwortliche Beamte nannte das mal eine Kulanz des Staates.
Der Staat hat den Kirchen in dieser Vereinbarung zugesagt, in Fällen des Kirchenasyls nochmals eine Härtefallprüfung durchzuführen. Da geht es um Erkrankungen oder um Lebensgefahr bei Rückführung. Ausgenommen waren die Dublinfälle. Denn bei diesen geht es ja um Rückführung in andere EU-Länder, wo man Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Gesundheitsversorgung erwarten kann.
Die meisten Fälle des Kirchenasyls sind aber Dublinfälle. Daher greift hier diese Vereinbarung nicht und die Kirchen stehen klar im Unrecht.
Nur ist eben auch das nicht so einfach. Kommen wir dazu, wo die Behörden im Unrecht stehen.
Denn längst nicht alle EU-Länder sind sicher und gewähren ein rechtsstaatlichen Verfahren. Es gibt z.b 3 osteuropäische Staaten, wo man von Körperverletzungen, Menschenrechtsverletzungen und Unrechtsverfahren sicher weiß (wer es nachlesen will, sollte mal zum Bericht von correctiv zum Kirchenasyl googlen)
Das kann unser Staat aber nicht offiziell eingestehen, weil er sonst allen in die EU kommenden Asylanten ein Asylverfahren geben müsste. Andere EU-Länder würden diese schlicht direkt nach Deutschland durchwinken. Es hätte einen Push- und Pulleffekt. Es würde Deutschland überfordern.
Das ist das Dilemma. Die Kirchen sind rechtlich im Unrecht und moralisch faktisch im Recht. Der Staat rechtlich im Recht, moralisch faktisch aber im Unrecht.
Ob sich die Kirchen allerdings einen Gefallen tun, hier eine Rückführung nach Finnland zu verhindern, das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß, dass Schweden inzwischen hochproblematisch für Asylanten ist. Die Zustände in Finnland kenne ich nicht, habe dort aber noch nichts negatives gehört.
Tabubruch in Bremen
„Glockengeläut mitten in der Nacht: So verhinderten rund 100 Bürger und Bürgerinnen Bremens den Versuch der Polizei, ein Kirchenasyl zu brechen. In der Nacht zum Dienstag wollten Polizeikräfte zwischen 2 und 3 Uhr einen 25-jährigen Somalier aus dem Kirchenasyl im evangelischen Zion-Gemeindezentrum holen, wie Pastor Thomas Lieberum dem Evangelischen Pressedienst am Morgen bestätigte. Dies sei aber von rund 100 Bürgerinnen und Bürgern auch unter Glockengeläut friedlich, verhindert worden. Der Pfarrer: „Wir sind entsetzt, dass in Bremen das Kirchenasyl seitens der Behörden offenbar nicht mehr geachtet wird“. Meines Erachtens geht dies gar nicht“! Denn es gibt in Deutschland eine informelle Regelung, daß beim Vorliegen offensichtlicher Mängel im Verfahren, wobei dann Kirchenasyl durchgeführt und tolieriert wird, nochmals von der Verwaltungsbehörde eine Überprüfung stattfindet. Hieraus fast immer mit dem Ergebnis, dass dann eine Abschiebung aus wirklich tatsächlichen Gründen auch nicht erfolgt: „Es gab dazu in Bremen bisher gute und verlässliche Verfahrenswege im Dialog zwischen der Innenbehörde und den Kirchen. Das jetzige Vorgehen gegen ein Kirchenasyl in der Bremer Neustadt ist eine deutliche Abweichung von dieser bisherigen, gemeinsamen Linie von Staat und Kirchen Man sehe, dass die Behörde und der Innensenator politisch „unter Druck stehen“. Er habe die Erwartung, „dass wir zu dem bisherigen guten Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen zurückkehren.“! Dazu möchte ich nichts weiter anmerken, das Abweichen von der bisherigen Regelung, vielleicht auch dem allgemeinen politischen Rechtsruck in Deutschland folgend, jedenfalls halte ich aus menschlichen Gründen und auch aus christlicher Ethik für enttäuschend.
> Denn es gibt in Deutschland eine informelle Regelung, daß beim Vorliegen offensichtlicher Mängel im Verfahren, wobei dann Kirchenasyl durchgeführt und tolieriert wird, nochmals von der Verwaltungsbehörde eine Überprüfung stattfindet. Hieraus fast immer mit dem Ergebnis, dass dann eine Abschiebung aus wirklich tatsächlichen Gründen auch nicht erfolgt:
Da bist du nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Das war früher mal so, dass das über 90 % lag.
Heute liegt diese Anerkennungsquote bei der Härtefallprüfung bei Kirchenasyl meines Wissens bei unter 10 %.
Anerkennung 2015 : 93 %
Anerkennung heute: 1%
https://correctiv.org/aktuelles/flucht-und-migration/2024/09/03/mit-aller-haerte-und-bamfherzigkeit/
(der Artikel ist generell empfehlenswert)
Recht so! 👏
„„Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen…“
Ja, Haertefall! Weiss doch jeder, wie kalt es jetzt in Finnland werden kann. Voellig unzumutbar fuer den armen Mann aus einer Warm-Klima-Kultur … Gut dass, die Abschiebung verhindert werden konnte!
Wir brauchen mehr Kirchenasyl. Das staerkt den Zusammenhalt der politischen Aktivisten vor Ort („WIR gegen die Polizei“) und lenkt von originaeren, kirchlichen Auftraegen (Mission/Evangelisation?) medienwirksam ab.
Vielleicht wird der Somalier jetzt sogar Mitglied in der bremischen Landeskirche? Konzept gegen Mitgliederschwund?
LG Joerg
LG Joerg