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Ansgar Hörsting: Jesus nicht vor den ideologischen Karren spannen

Impfung hin oder her – ein viel größeres Problem ist, dass Jesus für die Argumentation herhalten muss. Der Präses des Bund FeG Ansgar Hörsting wirbt für eine neue Gesprächskultur.

Wir hören es überall und erleben es selbst auch: Polarisierungen nehmen zu. Ich sehe drei Quellen stark polarisierter Debatten: Erstens feuert digitale Kommunikation Missverständnisse an. Man sieht sich nicht persönlich und so fallen harte Worte viel leichter. „Fake News“ gab es zwar schon immer, aber durch die Digitalisierung ist die Menge unüberschaubar und dadurch schwerer durchschaubar.

Zweitens kann es geschehen, dass in einer Atmosphäre, in der Vieles harmonisiert wird, wo also nicht mehr richtig gestritten wird und entgegengesetzte Positionen ausgetauscht werden, die Polarisierer umso leichteres Spiel haben.

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Drittens: In Deutschland (wie in weiten Teilen der westlichen Welt) fördert eine Denkweise Polarisierungen, nämlich ein übertriebener Dualismus: Die Neigung, in Spannung stehende Dinge nicht zu verbinden, sondern als unversöhnlich gegeneinander zu stellen (Wort – Tat | Gotteswort – Menschenwort | der Welt zugewandt – nicht von der Welt | usw.)

Wir dürfen Jesus nicht vor unseren ideologischen Karren spannen!

Ansgar Hörsting

Auch Jesus hat polarisiert

Es gibt Polarisierungen, die wirken sich befruchtend aus, weil sie neue Denkansätze und unbequeme Wahrheiten verdeutlichen können. Leute, die unbequeme Dinge aussprechen, können wichtige Lösungen vorwärts bringen. Auch Jesus hat polarisiert. Er hat Wahrheiten ausgesprochen, die klar machten, wo er und wo andere stehen. Aber er hat darin immer auch die Menschen gesehen.

Es ist nötig, Wahrheit in seinem Namen auszusprechen. Aber Achtung, wir dürfen Jesus nicht vor unseren ideologischen Karren spannen, sondern als seine Nachfolger ihm und seiner Wahrheit folgen. Mit Polarisierung ist deswegen auch meistens die zerstörerische Kraft von extremen Positionen ohne Würdigung der Argumente Anderer gemeint. Es ist der Populismus gemeint, der bewusst verkürzt und Andersdenkende diffamiert. Dem gilt es entgegenzutreten. Um der Wahrheit willen, um Jesu willen und um eines guten Miteinanders in Gemeinden und der Gesellschaft willen.

Etiketten werden verteilt

Polarisierungen erkennen wir sowohl im gemeindlich-theologischen als auch im politisch-gesellschaftlichen Raum:

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In theologischen Debatten, im evangelikalen Raum wird man plötzlich gefragt, ob man zu jener oder dieser Gruppe gehört. Es werden Etiketten verteilt und man soll sich entscheiden zwischen liberal, konservativ, charismatisch oder anderes. Dann meint man, sich zwischen Lagern oder Etikettierungen entscheiden zu müssen.

In Gemeinden hat sich mancher Streit entwickelt, weil die Polarisierer Stimmung machen konnten: gegen Impfungen, gegen Impfgegner, gegen die Gemeindeleitungen, gegen Kritiker, gegen Präsenzgottesdienste, gegen digitale Gottesdienste, usw.

Wir haben als Bundesleitung im Bund FeG einen Prozess angestoßen, der in Fragen der Theologie und Gemeindepraxis das Ziel verfolgt, dass wir geistliche Gemeinschaft mit mehr lebendigen Gemeinden leben und erleben. In diesem Prozess streben wir an, dass verschiedene Positionen, dass Menschen mit verschiedenen Positionen in einen fruchtbaren Dialog treten, dass Spannungen benannt werden können und dass wir erkennen, welche wir stehen lassen und welche gegebenenfalls gelöst werden müssen.

Verständnis zeigen

Die ersten Erfahrungen machen Mut. Sie zeigen, dass es Möglichkeiten geben muss, seine entgegengesetzten Positionen vernünftig austauschen zu können und sich den Rückfragen zu stellen, die andere haben. Sie zeigen, dass jeder das Bedürfnis hat, verstanden zu werden. Sie zeigen, dass manche Positionen sich wirklich entgegenstehen, dass sie aber nicht zwingend zu Polarisierungen und damit zu Verwerfungen führen müssen.

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In politischen Debatten, wenn Zuspitzungen dazu führen, dass der politische Gegner nicht nur Gegner, sondern Feind ist. Wenn alle „Andersdenkenden“ pauschal verunglimpft werden. Wenn aus einem Kern Wahrheit eine ganze Ideologie gemacht wird. In gesellschaftlichen Debatten, wenn Rassismus, Antisemitismus und andere „-ismen“ die Diskussionskultur bestimmen. Bei der Frage, wie die Regierung/Regierungen auf die Corona-Pandemie reagiert haben, z. B. bei der Beschaffung und Verteilung von Impfstoff. Einerseits soll die eigene Bevölkerung versorgt werden, andererseits gibt es Schutz nur bei einer weltweiten Impfkampagne.

Eine Demokratie braucht Bürger, die in den polarisierenden Debatten verbinden, wo es geht.

Ansgar Hörsting

Engagiert mitmachen

Wir werden für Politiker beten, werden als Bürger mitdiskutieren und uns in dieser Welt engagieren. Eine Demokratie ist nicht per se gottgegeben. Aber es ist eine Regierungsform, die wir schätzen und deren Vorteile wir sehen. Aber eine Demokratie braucht Bürger, die in den polarisierenden Debatten verbinden, wo es geht. Denn unversöhnliche Menschen gibt es immer wieder.

Yair Lapid, stellvertretender Premierminister in Israel und Architekt der momentanen Regierung, veröffentlichte seine nicht gehaltene Rede vor der Knesset am 13. Juni 2021: „In den letzten Jahren haben wir uns alle von Menschen zu Labels entwickelt – rechts, links, säkular, haredisch, jüdisch, arabisch. Diese Regierung wurde gebildet, damit wir aufhören, Etiketten zu sein und unsere gemeinsame Identität, als Menschen, mit all unseren Komplexitäten wiederzubeleben.“1

Ansgar Hörsting ist Präses des Bundes FeG.


1 Yair Lapid: „The past few years have seen us all turned from people into labels — right, left, secular, Haredi, Jewish, Arab. This government has been formed so that we stop being labels and revive our common identity, people, with all our complexities.” | link.feg.de/chyairlapid



Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Christsein Heute erschienen. Christsein Heute wird vom SCM Bundes-Verlags herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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