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Uwe Holmer – „Honeckers Pastor“ ist tot

Pastor Uwe Holmer beherbergte 1990 für zehn Wochen den abgesetzten DDR-Staatschef Erich Honecker und dessen Frau Margot. Nun ist der Theologe im Alter von 94 Jahren verstorben.

Pastor Uwe Holmer ist tot. Er starb im Alter von 94 Jahren in Mecklenburg, wie das Diakoniewerk am heutigen Dienstag (26. September) in Serrahn im Landkreis Rostock auf Anfrage mitteilte. Holmer leitete ab 1983 die Hoffnungstaler Anstalten im brandenburgischen Lobetal. Bekanntheit erlangte der Pastor, weil er Erich und Margot Honecker am 30. Januar 1990 Kirchenasyl in seinem Pfarrhaus in Lobetal bei Berlin gewährte.

Honecker war als Nachfolger Walter Ulbrichts ab 1971 Erster Sekretär und ab 1976 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED der DDR. Seine Frau Margot Honecker war ab 1963 Ministerin für Volksbildung. Nachdem sich 1989 eine stark wachsende Oppositions- und Protestbewegung gebildet hatte, mussten beide im Oktober 1989 ihre Ämter abgeben. Das Wohnrecht in der Funktionärssiedlung in Wandlitz verloren die Honeckers. Staatliche Stellen der DDR sahen sich nicht in der Lage, eine sichere Unterkunft für das Ehepaar zu finden. Die Honeckers waren damit obdachlos – so landeten sie bei Pastor Holmer. Die Honeckers lebten in den Kinderzimmern des Pfarrhauses. Sie blieben vom 30. Januar bis zum 3. April 1990 in Lobetal.

„Ja, ich würde es wieder tun“

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur im März 2021 sprach Holmer über seine Entscheidung, den Honeckers Kirchenasyl zu gewähren. Nach einer langen Diskussion mit seinen Mitarbeitern seien alle dafür gewesen, das Ehepaar in Lobetal unterzubringen. Er erinnerte sich an den damaligen Entscheidungsprozess: „Wir beteten jeden Sonntag in unserer voll besetzen Kirche damals: Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern. Dann sagten wir: Wir können doch nicht das Vaterunser beten, und dann tun wir das nicht. Nach drei Stunden waren wir einstimmig bereit: Ja, wir wollen das.“

Das Kirchenasyl machte den Pastor bundesweit bekannt, brachte ihm aber auch Anfeindungen und Hass ein. Das Haus des Pfarrers wurde von Einwohnern und Journalisten umlagert. Holmer selbst rechtfertige den Schritt später. Er habe getan, was sein Gewissen und sein Glaube ihm vorschreiben. „Ja, ich würde es heute wieder tun“, sagte Holmer etwa anlässlich seines 85. Geburtstages 2014. Der evangelische Bischof Tilman Jeremias aus Greifswald würdigte Holmers tiefe Frömmigkeit. Aus dieser Haltung heraus habe er auch gegenüber einem Sozialisten und Atheisten wie Honecker Nächstenliebe leben können. Die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal erklärte, sie sei ihrem früheren Leiter zu großem Dank verpflichtet.

Holmer selbst war in einer christlichen Familie in Wismar aufgewachsen. Als junger Pastor in Leussow bei Ludwigslust äußerte er seinen Unmut über die Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft. Daraufhin durften ihn seine Eltern und seine Geschwister aus Westdeutschland ein Jahr lang nicht besuchen. Später bekamen auch seine Kinder zu spüren, was es hieß, als Christen in der atheistisch geprägten DDR zu leben: Sieben seiner zehn leiblichen Kinder durften nicht zur Oberschule und waren damit vom Abitur ausgeschlossen – trotz guter Zensuren. Doch Versöhnung blieb Holmer wichtiger als Vergeltung.

Video: Uwe Holmer spricht mit seiner Enkelin über Erich Honecker

„Honecker und der Pastor“ als Film

Die Zeit der Honeckers im Kirchenasyl kam im vergangenen Jahr auch ins Fernsehen. „Honecker und der Pastor“ wurde Mitte März 2022 im ZDF und auf Arte ausgestrahlt. Regisseur war der Schauspieler Jan Josef Liefers, das Drehbuch stammt von Fred Breinersdorfer. Gedreht wurde in den Babelsberger Studios und der Umgebung von Potsdam, nicht jedoch in Lobetal, am historischen Ort des Geschehens.

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1 Kommentar

  1. Ein Lob für Pfarrer i. R. Holmer und die Bergpredigt

    Pastor Uwe Holmer beherbergte 1990 für zehn Wochen den abgesetzten DDR-Staatschef Erich Honecker und dessen Frau Margot. Nun ist aber der Theologe im Alter von 94 Jahren verstorben. Dazu kann man nur sagen und schreiben, dass der Betreffende und seine Familie endlich einmal auch exemplarisch die Bergpredigt praktiziert haben – und nicht nur über sie sinnierten. Etwa die Feinde zu lieben. Natürlich soll da niemand sich mit den Feinden verbrüdern, nur um ihre schlechte Lebensphilosophie ebenso zu übernehmen. Aber wir können durchaus lernen, es sei denn wir sind nicht mehr lernfähig, das Gleiche nicht mit Gleichem zu vergelten. Die Bergrede Jesu ist auch genauso revolutionär wie seine ganze Botschaft und Sendung. Nur haben wir diese oft verkümmern lassen, oft zur banalen Angelegenheit mit Wohlfühlcharakter. Alle Christinnen und Christen sind eigentlich die Kanalarbeiter der Gesellschaft, wenn sie das Licht der Welt und Salz der Erde sein möchten. (Kanalarbeiter nannte man früher die unsichtbaren Bundestagsabgeordneten, die ganz hinten saßen und sich – gefühlt – nie wirklich am Schlagabtausch der Argumente beteiligten). Kanalarbeiter arbeiten im Schmutz, sie graben dabei sehr tief und sie stecken bis über dem Kopf im Alltag und Dreck. Etwa Dietrich Bonhoeffer als Wiederstandskämper gegen Hitler war ein solcher Kanalarbeiter im Schmutz, mit der ethischen Bürde des Tyrannenmordes. Norbert Blüm ebenso, weil er sein Zelt auf einem verschlammten Terrain im Flüchtlingslager im Regenchaos aufschlug. Der also einmal ausprobierte, wie es sich anfühlt, ein Flüchtling zu sein, über den aber leider manche eher die Nase rümpft. Denn die Realität der Welt ist der Alltag und dieser hat wenig zu tun mit den Sonntagsreden der Politiker*innen. Heute sind die Kanalarbeiter auch die Seenotretter, welche die italienische Regierungschefin am liebsten verbieten oder in Bälde auch durch die Staatsanwaltschaft anklagen lassen würde. Dabei sind dies Lebensretter. Sollte nicht Jesus vielleicht auch gesagt haben: „Ich war auf dem Mittelmeer auf der Flucht – und ihr habt mich ertrinken lassen“! Zudem ist jeder – etwa auch Leute vom Schlage Honnecker`s oder die Trump-Abkömmlinge – dennoch auch Mensch. Daher sollte es dann eher um Gerechtigkeit gehen, aber nicht um die Rache. Honnecker hätte leider auch ins Gefängnis gehört und sein Kollege Trump zukünftig genauso. Ebenso Herr Putin. Aber es geht nicht darum sich zu rächen, sondern die Gerechtigkeit walten zu lassen. Denn auch jeder Mensch hinter Gittern ist bleibt immer einer. Christen sehen dies so – und sind deshalb gegen die Todesstrafe – weil in der Schöpfungsgeschichte auch Kain als Brudermörder sein Leben nicht verloren hatte. Die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind daher die Forder- und Rückseite der gleichen Münze. Auch wenn der zuvor genannte Bonhoeffer sich zwischen Pest und Colera entscheiden musste: Bonhoeffer machte sich die Hände schmutzig wegen dem absehbaren Tyrannenmord. Pfarrer Holmer beherbergte einen Verbrecher. Blüm beleidigte die Populisten und wer Trumpf ins Gefängnis steckt, der provoziert den Heiligen der demokratischen Rechten in Amerika bis aufs Blut. Aber so friedlich war auch Jesus nicht, denn er warf die Tische der Wechsler im Tempel um: Das Heilige darf nicht unter die Geschäftsleute fallen.

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