Auch wenn der Mensch die Felder bestellt, Gott ist es, der alles wachsen lässt. Den Dank für „alle gute Gabe“ bringt Matthias Claudius in diesem Lied zum Ausdruck.
- Wir pflügen, und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand:
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.
Ref.: Alle gute Gabe kommt her
von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt,
drum dankt ihm, dankt
und hofft auf ihn!
- Er sendet Tau und Regen
und Sonn- und Mondenschein,
er wickelt seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behende
in unser Feld und Brot:
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott. - Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
der Sperling und das Meer.
Von ihm sind Busch und Blätter
und Korn und Obst von ihm,
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm. - Er lässt die Sonn aufgehen,
er stellt des Mondes Lauf;
er lässt die Winde wehen
und tut den Himmel auf.
Er schenkt uns so viel Freude,
er macht uns frisch und rot;
er gibt den Kühen Weide
und unsern Kindern Brot.
Matthias Claudius
Ursprünglich 17 Strophen
Die erste Strophe des Lieds „Wir pflügen und wir streuen“ erzählt in aller Kürze von dem, was in der Landwirtschaft zu tun ist. Allerdings gehen ursprünglich noch ein paar Zeilen voran. Sie erinnern an den Anfang der Schöpfung. Ja, die Originalfassung des Liedes bestand sogar aus insgesamt 17 Strophen, alle mit dem gleichen Refrain.
Noch zu Lebzeiten des Autors, Matthias Claudius, hat in Norddeutschland der Musikverleger Johann André das Lied gekürzt und in einem Liederbuch für Volksschulen veröffentlicht, versehen mit der bis heute geläufigen Melodie. Acht Strophen des Originals findet man nun gebündelt in vier Doppelstrophen.
Eingebettet in Erzählung
Leider wissen wir nicht, von wem die damals erstveröffentlichte Melodie stammt. In früheren Liederbüchern wurde sie oft Johann Abraham Peter Schulz zugeschrieben, der auch als Komponist der Melodie von „Der Mond ist aufgegangen“ (ebenfalls von Matthias Claudius) hervorgetreten ist. Einen sicheren Beleg dafür, dass er auch das Lied „Wir pflügen und wir streuen“ vertont hat, gibt es leider nicht.
Der Liedtext war übrigens Teil einer sehr netten Erzählung. Sie handelt davon, wie ein Bauer ein Fest feiert: Seit 50 Jahren ist Herr Erdmann Pächter eines Hofes! Zur Feier des Tages sind alle Nachbarfamilien eingeladen, aber auch der adelige Grundbesitzer, der weitere Standesvertreter mitbringt. Es gibt ein Festessen, es wird gebetet, viel gesungen und geplaudert. Man merkt es: Der Autor ist in einem kirchlich geprägten ländlichen Milieu aufgewachsen.
Das Lied, so wird erzählt, erklingt stets im Wechsel zwischen einem Vorsänger und allen Bauern, die aber nur den Refrain singen: „Coro“. In der Bearbeitung des Liedes hat dieser Kehrvers allerdings eine andere Fassung erhalten, die den Dank an Gott aus einer der entfallenen Strophen aufnimmt. Das Lied wird bis heute zumeist beim Erntedankfest gesungen, in den Kirchen und anderswo.
Gott sei Dank
Man könnte und sollte es aber auch einmal bei anderen Gelegenheiten singen! Warum denn nur beim Fest „Thanksgiving“, wie es seit langem in Amerika üblich ist? Zur englischsprachigen Version gibt es übrigens mittlerweile mehrere „Modernisierungen“, die uns glücklicherweise (noch?) erspart geblieben sind. Natürlich hat sich in der Landwirtschaft seit 1783 viel geändert, sehr viel! Aber muss deswegen eigens im Liedtext ein „Tractor“ bereitgestellt werden?
Der Schwerpunkt des Lieds „Wir pflügen und wir streuen“ ist auf jeden Fall der Dank an Gott, dem wir alles verdanken, was die Natur mit uns verbindet. Die Bauern, also wir Menschen, sind beteiligt an Saat und Ernte. Aber ohne Gott, den Schöpfer, gäbe es weder Strohhalm noch Sterne, weder Büsche noch Obst. Wie schön, dass Gott den Kühen Weide schenkt und den Kindern Brot. Weiterhin, hoffentlich! Auf den Punkt gebracht: Dankt und hofft – endlich – auf ihn!
Text: Günter Balders