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Bei dir, Jesu, will ich bleiben

Im 19. Jahrhundert galt das Handwerk noch als weniger anstrengend als Studieren und Pfarrer sein. Der kranke Philipp Spitta musste deshalb erst Uhrmacher lernen, bevor er Theologie studieren durfte – und anschließend dieses Lied dichtete.

  1. Bei Dir, Jesu, will ich bleiben,
    stets in Deinem Dienste stehn;
    nichts soll mich von Dir vertreiben,
    will auf Deinen Wegen gehn.
    Du bist meines Lebens Leben,
    meiner Seele Trieb und Kraft,
    wie der Weinstock seinen Reben
    zuströmt Kraft und Lebenssaft.
  2. Könnt ich’s irgend besser haben
    als bei Dir, der allezeit
    soviel tausend Gnadengaben
    für mich Armen hat bereit?
    Könnt ich je getroster werden
    als bei Dir, Herr Jesu Christ,
    dem im Himmel und auf Erden
    alle Macht gegeben ist?
  3. Wo ist solch ein Herr zu finden,
    der, was Jesus tat, mir tut:
    mich erkauft von Tod und Sünden
    mit dem eignen teuren Blut?
    Sollt ich dem nicht angehören,
    der Sein Leben für mich gab,
    sollt ich Ihm nicht Treue schwören,
    Treue bis in Tod und Grab?
  4. Ja, Herr Jesu, bei Dir bleib ich
    so in Freude wie in Leid;
    bei Dir bleib ich, Dir verschreib ich
    mich für Zeit und Ewigkeit.
    Deines Winks bin ich gewärtig,
    auch des Rufs aus dieser Welt;
    denn der ist zum Sterben fertig,
    der sich lebend zu Dir hält.
  5. Bleib mir nah auf dieser Erden,
    bleib auch, wenn mein Tag sich neigt,
    wenn es nun will Abend werden
    und die Nacht herniedersteigt.
    Lege segnend dann die Hände
    mir aufs müde, schwache Haupt,
    sprich: „Mein Kind, hier geht’s zu Ende;
    aber dort lebt, wer hier glaubt.“
  6. Bleib mir dann zur Seite stehen,
    graut mir vor dem kalten Tod
    als dem kühlen, scharfen Wehen
    vor dem Himmelsmorgenrot.
    Wird mein Auge dunkler, trüber,
    dann erleuchte meinen Geist,
    dass ich fröhlich zieh hinüber,
    wie man nach der Heimat reist.

Philipp Spitta


Erst Uhrmacher, dann Theologe

Erst musste Philipp Spitta Uhrmacher werden, ehe sich sein eigentlicher Wunsch, Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden, erfüllte. Eine vier Jahre währende Erkrankung veranlasste seine Familie – der Vater war früh gestorben, die Mutter jüdischer Herkunft, aber getauft –, den zarten Jungen ein Handwerk lernen zu lassen, was damals als weniger anstrengend galt als Studieren und Pfarrer sein.

Dichterische Begabung zeigte sich bei dem jungen Mann schon früh. Je mehr Spitta jedoch in einen lebendigen Glauben hineinwuchs, desto mehr wollte er die ihm von Gott verliehenen Gaben nur noch in den Dienst seines Schöpfers und Erlösers stellen.

Plötzlich gestorben

Nach beendetem Studium und einer Hauslehrerzeit hat Spitta in seiner Landeskirche nacheinander sechs verschiedenen Gemeinden gedient, zuletzt auch als Superintendent. In seiner letzten Gemeinde war er allerdings nur wenige Monate tätig: Im Alter von 58 Jahren starb Spitta an einem plötzlichen Herzinfarkt.

Theologisch gehörte er zu den Vorkämpfern einer lutherischen Erweckungsfrömmigkeit. Darin stand er seinem Zeitgenossen Ludwig Harms nahe, wirkte auch ganz in der Nähe von Hermannsburg, doch ohne, dass es zwischen den beiden zu einer nachhaltigeren Begegnung gekommen wäre.

Äußerst populärer Dichter

Spitta war und ist ein äußerst populärer Dichter und darum in allen neuen evangelischen Gesangsbüchern mit einer ganzen Reihe von Liedern vertreten. Die meisten seiner Gesänge hat er bereits als junger Mann geschaffen. Sie wurden in einem Sammelband unter dem Titel „Psalter und Harfe“ veröffentlicht.

Das Lied „Bei dir, Jesu, will ich bleiben“ ist vielleicht sogar sein bekanntestes. Gerne singt man es zu Konfirmationen, aber auch bei Beerdigungen. In mehreren seiner insgesamt sechs Strophen spricht es davon, dass der Sänger sich seinem Herrn verschreiben möchte und ihm „Treue bis in Tod und Grab“ schwört.

In den letzten drei Strophen blickt der Sänger auf sein Ende. Leider werden aber fast nur die Strophen eins bis drei oder vier gesungen. Dabei ist es in unserer Zeit, die Tod und Sterben immer noch aus dem Bewusstsein verdrängt, durchaus geraten, im Gebet dem Wunsch nachzugeben, dass mein Ende ein seliges sein möchte. Ebenso der Hoffnung, dass die Verbindungen zu meinem Herrn sich gerade jetzt als Trost und Hilfe gegen alle Sterbensangst bewähren möchte.

Ernst, hoheitsvoll und sanft

Früher, als es in unseren Gesangbüchern noch die Rubrik „Jesus-Lieder“ oder „Liebe zu Jesus“ gab, war „Bei dir, Jesu, will ich bleiben“ in aller Regel dort zu finden. Das neue Evangelische Gesangsbuch rückt es unter das Stichwort der Geborgenheit und wird seinem Charakter damit nur bedingt gerecht.

Wie fast alle Lieder des gelernten Uhrmachers atmet auch dieses den Geist seines Jahrhunderts: ernst, hoheitsvoll, sanft und mild – wie die Gestalten auf den Kirchenfenstern jener Epoche. Dabei frei von aller Verstiegenheit, von Schnörkeln und entbehrlichem Zierrat. Es ist in jeder Hinsicht ausgewogen und proportioniert, aber gerade so ein Geschenk für die singende Gemeinde!

Das Lied „Bei dir, Jesu, will ich bleiben“ hat keine eigene Melodie gefunden. Wir singen es nach der Weise von Zinzendorfs „Herz und Herz vereint zusammen“.

Text: Reinhard Deichgräber


Hier findest du gute Gedanken zu weiteren altbekannten Chorälen und christlichen Liedern.

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