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Leiten zwischen Ambition und Kleinmut

Selbstüberschätzung und Kleinmut – beides sind Hindernisse für eine segensreiche Gemeindearbeit, sagt der Schweizer Theologe Thomas Härry und wirbt für „mutiges Gestalten.“

Von Daniel Wildraut

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Der Schweizer Theologe und Autor Thomas Härry ist bei den Leitungskongressen von Willow Creek Deutschland ein gern gesehener Gast und geschätzter Redner. Am Samstagmittag hat er mit seinem Impuls quasi das „Schlusswort“ in der dm-Arena. Härry erzählt von der Südpol-Expedition des Briten Robert Falcon Scott, die 1912 in einer Katastrophe endete. Alle Expeditionsteilnehmer starben auf dem Rückweg vom Pol auf dem Ross-Schelfeis, nachzdem sie zuvor das „Rennen“ zum südlichsten Punkt der Erde gegen den Norweger Roald Amundsen verloren hatten. Der Grund für die Katastrophe: zahlreiche Fehler in der Vorbereitung. „Die Expedition scheiterte an Ruhmsucht und Zeitdruck“, so Härry. „Sie hatten das gute Maß verloren.“

Härry benennt Vermessenheit als ein klassisches Problem: „Man will zu hoch hinaus, um jeden Preis.“ Früher sei dies der Turmbau zu Babel gewesen, heute vielleicht Menschen im kalifornischen Silicon Valley, die einen ‚digitalen Gott‘ erschaffen wollen. Größenwahn! „Ich selbst war oft auch ein Getriebener“, bekennt Härry. „Ich habe mich selbst und andere überfordert.“

Aber auch das Gegenteil der Überheblichkeit, der Kleinmut, tauge nicht für die Arbeit in der Gemeinde. „Solche Menschen sind vom Gedanken gerieben, dass alles schlimmer werden könnte und ducken sich weg. Wenn dich der Kleinmut lähmt, dann wagst du nichts. Dann zögerst du, das zu tun, was du tun solltest.“
Woran leiden Kirchen mehr? An Vermessenheit oder Kleinmut? „Es gibt beides“, sagt Härry, „aber ich vermute: der Kleinmut.“

Der Segen Gottes ist nicht von euren Ressourcen abhängig.

Thomas Härry

Vielen Gemeinden fehlen heute Geld und Mitarbeitende. „Aber der Segen Gottes ist nicht von euren Ressourcen abhängig“, ruft Härry den Teilnehmenden in der Halle zu. „Dass Menschen in deiner Gemeinde zum Glauben kommen, das ist keine Frage des Budgets, sondern des Glaubens.“

„Unsere Kirchen brauchen Menschen mit Gestaltungsmut“, unterstreicht Härry. Ohne Überheblichkeit, aber im Vertrauen auf Gott. „Nicht entmutigen lassen, sondern dranbleiben. Und um Menschen werben, die wir für den Dienst gewinnen wollen. Wir glauben an Menschen, aber noch viel mehr an Gott.“ Er wünsche sich, dass „wir alle“ solche Menschen sind. Heute, morgen und auch in fünf Jahren.

Warum ein „nein“ ein „ja“ sein kann

Bei allen Aufbrüchen brauche es aber ebenso den Mut zur persönlichen Begrenzung. Den Mut, nein zu sagen. „Wir Menschen neigen zu Grenzenlosigkeit“, mahnt Härry. Die Selbstbegrenzung falle oft gerade dann besonders schwer, wenn es gut läuft. Kaum jemand wolle sich selbst begrenzen. Aber: „Manchmal beflügelt der Erfolg eines Leiters mehr sein Ego, als den Glauben.“ Dabei sei ein „Nein“ gleichzeitig auch ein „Ja“. Ein „Ja“ zu all den Dingen, die man bereits tut – die unverzichtbar sind. Härrys These: „Eine Organisation oder Kirche findet nur dann ein gutes Maß, wenn die Leitenden es finden.“ Leitende sollten möglichst nur das tun, was sie gut können. Und den Rest anderen Menschen überlassen.

Der Theologe skizziert eine weitere Expedition: die von Lewis und Clark, die 1804 von St. Louis aus den Missouri stromaufwärts fuhren, um einen Weg zum Pazifik zu finden. Im Gegensatz zur Expedition von Scott starb nur ein Teilnehmer – an einer Blinddarmentzündung. „Diese Expedition gilt als großartige Führungsleistung“, erklärt Härry. „Ein perfektes Team, das sich ergänzte. Die Talente und Gaben der Teilnehmer wurden klug eingesetzt. Und trotz des Zeitdrucks machten sie auch lange Pausen.“ Sie seien an die Grenzen gegangen. „Aber nicht um jeden Preis.“

Es geht um die Treue zu Christus.

Thomas Härry

Am schwierigsten, so Härry,  sei die Begrenzung des eigenen Egos, der Umgang mit der Luststeigerung, die mit Anerkennung und Erfolg einhergehe. „Mir persönlich hilft der Rückzug in die Gegenwart Gottes“, sagt Härry. „Regelmäßig, auch länger.“ Er wendet sich an die Menschen im Saal: „Am Ende gehört dein Leben ganz Gott. Es geht um die Treue zu Christus.“

Willow Creek Deutschland ist ein überkonfessionelles Netzwerk, das haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter ermöglichen will, ihre Berufung zu entdecken. Seit 1996 finden Kongresse in Deutschland statt – zuletzt 2022 in Leipzig.

Noch mehr Beiträge über den Leitungskongress 2024 findet ihr hier.


Transparenzhinweis: Das Jesus.de-Team unterstützte während des Leitungskongresses die Pressearbeit von Willow Creek Deutschland.

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