Gregor Gysi hat aus der Reformation und den Zeiten danach wichtige Lehren gezogen. „Man kann aus der Geschichte der katholischen und der evangelischen Kirche eine Menge lernen“, sagte der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linkspartei dem Monatsmagazin „Cicero“ (Januar-Ausgabe).
Die Reformation zeige, „dass eine Institution, die überzieht, Gegenwehr provoziert“, sagte Gysi. Zuerst habe es die katholische Kirche mit dem Ablasshandel zu weit getrieben, dann wiederum habe die Gegenreformation auf „manches überschießende protestantische Element“ reagiert.
Gysi: Links-Partei könne aus Kirchengeschichte lernen
Er versuche, auch die Linken „davor zu warnen, programmatisch zu überziehen“, da sonst eine berechtige Gegenreaktion ausgelöst werde, sagte Gysi, der am Samstag zum Vorsitzenden der Europäischen Linken gewählt wurde.
Generell wolle er, obwohl er selbst nicht an Gott glaube, in keiner gottlosen Gesellschaft leben, sagte Gysi: „Eine gottlose Gesellschaft, eine Gesellschaft ohne Kirchen und Religionsgemeinschaften, hätte verheerende Folgen.“ Allein die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland sorgten dafür, „dass es noch eine allgemeinverbindliche Moral gibt.“
„Problematisches Verhältnis von Staat und Kirche“
Für problematisch hält er aber ein zu enges Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland. Die sogenannten Staatsleistungen für Enteignungen der Kirche durch den Staat seien nach 200 Jahren überholt. „Wir brauchen keinen sofortigen Ausstieg, aber ein Abkommen, das einen Weg dorthin festschreibt.“ Auch die Einziehung der Kirchensteuer durch den Staat würde er abschaffen: „Mit diesem Kirchenprivileg sollte auch Schluss sein.“
Freundliche Worte findet Gysi für Papst Franziskus. Dessen Wahl sei „wichtig und richtig“ gewesen. Der Argentinier erinnere an „die Ursprünge des Christentums, auch mit seiner Einstellung gegen Armut und Krieg.“ Zudem kritisiere der Papst „globale ökonomische Ungerechtigkeiten“.