Was darf ich noch, was geht zu weit? – Das sollte weder bei Gott noch bei anderen Menschen der Maßstab sein, meint Tom Laengner. Denn: Es geht doch um Beziehung.
Es gibt schon lustige Fragen! Zum Beispiel habe ich mich mal gefragt, ob im Dortmunder Rombergpark auch Purzelbäume gut wachsen könnten? Dann gibt es aber auch noch rhetorische Fragen, Anfragen, Abfragen und Umfragen. Und es gibt ganz seltsame Fragen.
Ich habe mich neulich fast nass gemacht, als ich einer Frage über den Weg lief, von der ich dachte, dass sie längst tot sei. Gestellt wurde sie aus der christlichen Sinnfluencer-Szene. Kopfzerbrechen bereitete, was ein Christ alles darf. Darf er dieses tun? Muss sie jenes lassen? Und dann ging es um rauchen, tanzen und Spaß haben.
Ich frage mich da immer: Worauf will ein Mensch mit der Frage hinaus, was ein Christ darf? Rauft er sich die Haare, weil er einen Fehler machen könnte, von dem sein Gewissen keine Ahnung hatte, dass es einer sein könnte? Oder will er nur mal ausloten, wie weit er gehen kann, bis er die rote Linie überschritten hat, die zur Kündigung seiner Versicherungspolice namens „nein-in-die-Hölle-will-ich-nicht“ führen würde? Ich weiß das natürlich nicht. Aber ich weiß, dass es dabei nicht um kluge Fragen geht, die den Boden für kluge Entscheidungen vorbereiten.
soweit ich das in Erinnerung habe, stellt sich Gott nicht als Verwaltungsdirektor vor, sondern als Vater.
Immer dann, wenn Regeln im Vordergrund stehen, sind solche Fragen sinnvoll. Also, wenn es um das Rot im Straßenverkehr geht, um Hygienekonzepte im Amateursport oder die EU-Verordnungen für die Größe einer Pizza Napoletana. Doch soweit ich das in Erinnerung habe, stellt sich Gott nicht als Verwaltungsdirektor vor, sondern als Vater. Es geht da um Beziehung.
Keiner Frau und keinem Mann auf Gottes schöner weiter Welt reicht es, in einer Partnerschaft nur ganz nett gefunden zu werden. Ich jedenfalls will von ganzem Herzen gewollt sein. Mein Zahnarzt muss mich nicht umwerfend finden. Meine Frau schon. Alles andere wäre mir zu wenig. Und was reitet mich da zu glauben, dass es einem lebendigen Gott anders gehen sollte? Jesus ganz okay finden? Ja bitte geht’s noch?
Sollte ich in meiner Ehe fragen, wie viel Alkohol ich trinken, Pornos ich schauen und Koks ich durch die Nase ziehen dürfe, bevor meine Frau mich verlässt, dann wäre eine Minute später Schicht im Schacht. Es wäre schlagartig klar, dass ich weniger als keine Ahnung vom Format einer Beziehung hätte.
Meine Liebste wäre zugegeben auch fertig mit den Nerven, wenn ich sie regelmäßig fragen würde, ob ich, beispielsweise, Mikado spielen darf. Briefmarken sammeln und Eis essen spielen in derselben Liga. So wie ich das sehe, sind das doch eher Fragen eines Kindergartenkindes an seine Mama.
Vielleicht hätte Gott auch nichts gegen meine Frage, was ich tun kann, um für ihn attraktiv zu sein und ihn zu überraschen.
Eine Beziehung lebt doch davon, dass ich den anderen überrasche, erstaune und ihm Gutes tun will. Wenn meine Frau mich nachhaltig anziehend findet, ist schon viel gewonnen. Als Ehepartner war ich da nicht unbedingt perfekt. Aber ich hatte nichts dagegen, mich korrigieren zu lassen und dazu zu lernen. Und wir beide lernen immer noch zu unserem Glück dazu.
Vielleicht hätte Gott auch nichts gegen meine Frage, was ich tun kann, um für ihn attraktiv zu sein und ihn zu überraschen. Das ist ein Pfad, auf dem ich mir dann mal was einfallen lassen sollte!
Und was das Mikado spielen angeht? Da sehe ich Gott schmunzeln. Also mal flugs die Stäbchen raus geholt!