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Kann man einem Mörder vergeben?

Ulrike Blessing erlebte 2009 als 15-jährige Schülerin den tödlichen Anschlag auf die Albertville-Realschule in Winnenden. So hat sie die Tat verarbeitet.

Von Catharina Bihr

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Laute Geräusche, die sich nicht zuordnen lassen. Menschen, die aus der Schule fliehen, obwohl doch gerade Unterrichtszeit ist. Im ersten Moment weiß Ulrike Blessing die Geschehnisse an diesem Mittwochvormittag im März 2009 nicht einzuordnen. Dann fällt ein Schuss durch die verschlossene Klassenzimmertür, der die Referendarin trifft, die gerade noch Chemieunterricht gegeben hat. Ab diesem Moment sind Ulrikes Erinnerungen nur noch bruchstückhaft vorhanden.

Sie weiß noch, wie ihre Klasse in einen Nebenraum flüchtete. Und dass man sich später im benachbarten Schwimmbad versammelte. Wie sie in den Nebenraum kam, weiß sie nicht mehr. Doch an eines entsinnt sie sich noch heute ganz klar: An den tiefen Frieden, der sie plötzlich erfüllte. Inmitten der Todesangst und der Unsicherheit ist er auf einmal da. „Ich sah mein Leben an mir vorüberziehen und dachte: ‚Hey, war doch ein tolles Leben! Wenn ich heute gehen muss, dann weiß ich: Ich bin bei Gott.‘“

Zerreißprobe für den jungen Glauben

Diese Zuversicht hatte Ulrike erst seit Kurzem. Als Kind plagte sie oft Angst vor dem „Nichts“, das nach dem Tod auf sie wartete. Auch ihre Eltern und ihre große Schwester konnten diese Furcht nicht lindern. Dann lernt Ulrike in der Jugendgruppe der örtlichen Gemeinde Christen kennen und begegnet einem Gott, der nach dem Tod kein Nichts, sondern Gemeinschaft und ewiges Leben verspricht. Mit 14 Jahren gibt sie ihr Leben Jesus. Immer wieder wiederholt sie im darauffolgenden Jahr ihr „Ja“ zu ihm. Der Amoklauf in der Albertville-Realschule in Winnenden am 11. März 2009 stellt ihren noch jungen Glauben auf eine schwere Zerreißprobe.

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In den darauffolgenden Tagen erfährt Ulrike, dass unter den Todesopfern mehrere Bekannte und Freundinnen sind. Fassungslosigkeit und Wut bestimmen die nächste Zeit. Schwer ist es für sie auch, als um sie herum langsam wieder Normalität einkehrt: Der Unterricht findet wieder statt, der größte Schock scheint überwunden. Doch in ihrem Innern brodelt es. Nicht nur einmal fragt sie sich, was sie wohl tun würde, wenn der Amokläufer noch leben würde. Ihr Herz ist voller Hass, doch sie lässt sich nichts anmerken, baut sich eine lächelnde Fassade auf und versucht, ihr Leben wieder aufzunehmen.

Es ist eine Zeit der Identitätsfindung und des Schwankens zwischen Schwärmereien, Partys und ihrem Glauben, der gleichzeitig Anker und größte Herausforderung ist. Mit dem, was der Amoklauf in ihr angerichtet hat, beschäftigt sich Ulrike kaum, obwohl sie sich eigentlich vorgenommen hatte, die Geschehnisse nicht zu verdrängen. Erst zwei Jahre später beginnt in Ulrikes Leben ein heilsamer Prozess, der bis heute andauert.

Eine starke Schulter

Da ist zum einen die Begegnung mit ihrem heutigen Mann Tobi, den sie beim Pfingstjugendtreffen Aidlingen, das jährlich vom dortigen Diakonissenmutterhaus veranstaltet wird, kennenlernt. Nachts am Lagerfeuer vertraut Ulrike sich ihm an und ist hinterher verblüfft, dass sie sich ihm bereits bei der allerersten Begegnung öffnen kann, noch ohne ihn wirklich zu kennen. Tobi wird ihr zur wichtigen Stütze, wenn Angst und Flashbacks sie einholen.

Er hat ihr auch beigebracht, sich die Frage „Was bringt mir das?“ zu stellen: „Wie bringt mich dieser Gedanke weiter?“ Dann merkt Ulrike, dass ihr Hass sie nicht weiterbringt. Hass bringt nie etwas Gutes, er führt höchstens zu weiterem Hass. Dagegen stellt sie fest, dass sogar der schreckliche Amoklauf etwas Gutes hervorgebracht hat, zum Beispiel eine Schülergemeinde oder das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden, das sich für Gewaltprävention an Schulen einsetzt.

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Die Last wird leichter

Weitere wichtige Erkenntnisse gewinnt Ulrike beim Lesen des autobiografisch geprägten Romans „Die Hütte: Ein Wochenende mit Gott“. In diesem Buch verliert Familienvater Mackenzie seine kleine Tochter, die von einem Entführer ermordet wird. Er versinkt in Bitterkeit und Trauer. Dann erhält er eine außergewöhnliche Einladung in eine Hütte, in der er Gott in dreifacher Gestalt antrifft: Als „Papa“, verkörpert von einer liebevollen Mutterfigur, als junger Mann Jesus und als die Heilige Geist (das hebräische Ursprungswort in der Bibel ist feminin), genannt Sarayu, im Körper einer jungen Frau. Mackenzie lernt an diesem Wochenende in der Hütte zu vergeben.

Vergebung? Das ist für Ulrike zunächst unvorstellbar. Wie soll sie dem Amokläufer, der so viele Menschen auf dem Gewissen hat, darunter ihr wichtige Menschen, vergeben? Doch dann fasst sie den Mut, Vergebung in ihrem Leben zuzulassen. Ein Jahr lang spricht sie die Worte „Ich vergebe dir“ jeden Tag aus. Mit jedem Tag glaubt sie sich die Worte selbst ein wenig mehr. Ulrike erlebt, wie sie immer freier wird. Die Last, die ihr das Herz schwer machte, wird kleiner und leichter. Sie merkt: Das Gewicht von Wut und Hass trägt sie ausschließlich selbst; der Empfänger ihrer Gefühle ist davon nicht beeinträchtigt. Es gelingt ihr, Stück für Stück loszulassen und dadurch ihre Hände, die diese Last getragen haben, wieder freizubekommen.

Ihre Kindheit war behütet und glücklich, eine liebevoll geformte Vase entstand. Der Amoklauf war wie ein Hammerschlag, der die Vase in tausend Teile zerspringen ließ.

Ein Trost ist es für sie zu wissen, dass sie ihr Päckchen bei Gott abladen darf und es nicht einfach im luftleeren Raum verpufft. „Gott hat mich nicht geheilt, aber er hat mich wiederhergestellt“, sagt sie heute. Es werden immer Narben bleiben und es gibt weiterhin viel zu lernen. Doch die Fassade, die sie sich aufgebaut hatte, zerbröckelte Stück für Stück und ihr aufgesetztes Lächeln wurde wieder aufrichtig. Ulrike vergleicht diesen Prozess gerne mit einer Vase, die zerbrochen und wieder zusammengesetzt wurde.

Ihre Kindheit war behütet und glücklich, eine liebevoll geformte Vase entstand. Der Amoklauf war wie ein Hammerschlag, der die Vase in tausend Teile zerspringen ließ. Durch viele Gespräche mit ihrem Mann, einer Seelsorgerin und Freundinnen, durch Gebet, das Buch „Die Hütte“ und weitere Schlüsselmomente setzte Gott die Scherben eine nach der anderen wieder zusammen. Am Ende des Prozesses steht wieder die komplette Vase, zwar von Rissen durchzogen, doch fest und stabil, von der Sonne beleuchtet und dadurch selbst strahlend.

In den letzten Jahren hat Ulrike mehr und mehr das Gefühl, dass sie ihre Geschichte teilen soll und anderen dadurch Mut machen kann. So hat sie sich sehr gefreut, als ein Verlag Interesse an der Veröffentlichung ihres Manuskriptes zeigte. Obwohl Ulrike nicht gerne im Mittelpunkt steht, hat sie sich zudem letztes Jahr getraut, über ihre Geschichte zu predigen. Ihre eigentliche Sprache ist jedoch die Musik. Ulrike singt leidenschaftlich gerne und hat viele eigene Lieder geschrieben, auch um Dinge zu verarbeiten, die sie beschäftigen.

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Heute ist Ulrike eine erwachsene Frau: Mutter, ausgebildete Ergotherapeutin und begleitende Seelsorgerin. Mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen lebt sie am Bodensee. Ihr Alltag ist zurzeit sehr herausfordernd: Neben Krabbelgruppe und Elternzeit haben sie und ihr Mann einen ökumenischen Gottesdienst mit mehreren umliegenden Gemeinden ins Leben gerufen – den „All in“. Dazu steht derzeit auch noch der Umbau eines Hauses an, das die beiden nach vier Jahren Suche in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gefunden haben.

„Wir müssen gerade viel stemmen“, gibt Ulrike zu, „aber ich möchte das auch so – ich mag es nicht, wenn es langweilig ist.“ Zusammen mit ihrem Mann will sie sich weiter als Brückenbauerin zwischen den Konfessionen und Glaubensrichtungen einbringen. Nach ihrer Elternzeit möchte sie auch gerne wieder als Ergotherapeutin arbeiten und Menschen helfen, ihre Handlungsfähigkeit im Alltag zu verbessern. Bei all diesen schönen Plänen blickt Ulrike offen und zuversichtlich in die Zukunft. So vieles ist noch möglich!

Catharina Bihr lebt in Stuttgart und arbeitet als Bildungsreferentin.

Ulrike Blessing erzählt ihre Geschichte ausführlich in dem Buch „Mein Gott kann“, in dem Herausgeberin Désirée Wiktorski drei wahre Geschichten der Befreiung von unterschiedlichen Frauen veröffentlicht hat.


Ausgabe 2/23

Dieser Artikel ist in der Frauenzeitschrift JOYCE erschienen. JOYCE ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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5 Kommentare

  1. Falsche Bücher gelesen?

    > Seit die Nahtoderfahrungen aus fast einhundert Jahren dokumentiert werden, berichteten immer wieder Menschen, dass sie Gott nahekamen wie einem großen Licht, (…) Alle haben sich unendlich danach vor ihrem eigenen Gewissen geschämt für jede Sünde und Lieblosigkeit. Das scheint ja derzeit Dein Thema zu sein. Aber dann solltest Du nicht bei den Vermutungen von vor Jahrzehnten stehen bleiben“! Dies schreibst du, lieber AndererJörg. Allerdings scheinst du die falschen Bücher gelesen zu haben, denn unter Neurologen ist lange bereits auch eindeutig medizinisch-wissenschaftlich geklärt, dass insbesondere die in der Nahtoderfahrungen erfahrenen Lebensrückblicke niemals durch eine Unterversorgung des Gehirnes mit Sauerstoff erzeugt werden. Solche Menschen haben eher obstruse unwirkliche Phantasien, die man aber auch nur haben kann, wenn die Gehirnströme wieder normalisiert arbeiten. Aber wer weder an die subjektive noch an die objektive Wirklichkeit dieser Erscheinungen glaubt, kann höchstens die Frage offen lassen, wie solche Erlebnisse entstehen könnten. Beweisen kann man ihre Realität aber leider nicht, denn die Genese dieser Erscheinungen ermöglichen es nicht, sie durch Studien auszuwerten. Subjektiv erlebtes lässt sich schlecht in Studien als Tatsachen erfassen, wobei auch die wenigsten Menschen, außer den mitbetroffenen Ärztinnen und Ärzten sowie Angehörigen, davon berichten. Aber auch in diesen Berichten wird eindeutig, wie im Koma liegende Menschen oftmals später dabei sehr präzise Gespräche in der Notaufnahme im vor allem in Fachdeutsch wiedergeben können, die sich nachgewiesen in eigener Sache stattfanden. Also dabei auch schockierend genaue Beschreibungen, welche Maßnahmen die Mediziner durchführten, um den Betreffenden zu retten. . Dies hat immer die Ärzteschaft je nach eigener Überzeugung, massiv gewundert, schockiert oder verunsichert.

  2. Vergebung im Trainingslager des Heiligen Geistes

    Richtig, wie der „Der Andere Jörg“ es schreibt: Es kann niemand von einem anderen Menschen, zumal nach einem sehr schrecklichen Verbrechen, wirklich Vergebung einfordern. Ich kann auch niemals verurteilen, dass die Ukrainer ihre Feinde nicht lieben. Kein Mensch würde nachträglich für den Römischen Kaiser der Antike beten (damals war er der Antichrist). Ich kann nachvollziehen, dass Menschen über andere Menschen endgültig den Stab brechen: Also ein ewiges Beziehungs-Aus beschließen. Noch nicht einmal können wir völliges Unverständnis haben, wenn bei weitem nicht jeder gewesenen Straftätern helfen würde, ihnen also eine zweite Chance gewährt: Oder ihnen nicht vergeben kann als ein wirkliches Opfer. Dabei dachte sogar der – angeblich so böse – Staat dabei viel moderner: Die Resozialisierung ist auch das Angebot einer wirklich zweiten Chance.

    Doch gerade daher ist die Botschaft Jesu so radikal, revolutionär und die so auf den Kopf stellt, was wir eigentlich normalerweise meist denken und glauben möchten: Gleiches auch mit Gleichem zu vergelten gehört doch eigentlich zu den Dogmen unseres Denkens: So du mir, so ich dir. Wer mir als ein Kotzbrocken begegnet, dem bin ich auch ein Kotzbrocken. Wer mich nicht mag, den werde ich niemals mögen. So kann ich mich auch manchmal irren, Gott sei wie ich. Im Himmel gibt es kein „so du mir, so ich dir“. Gott liebt auch seine Feinde . Wozu wir aber oft überfordert sind. Die größte Feindesliebe Gottes auf Erden war, dass er selbst Mensch wurde und durch die Römer bestialisch gefolgert und gekreuzigt wurde.

    Aber warum sollten wir doch denen vergeben, wo es uns so schwerfällt ? Oder wie kann ich mich einer Vergebung annähern, wenn mir ein Mensch große Schmerzen oder großes Unrecht angetan hat ? Kann ich einen Feind lieben ? Jemand mit Liebe begegnen, der mich von Herzen hasst ? Oder wie kann ich meinen eigenen Hass in die Mülltonne schütten ? Lebt es sich nicht leichter, wenn ich nicht jeden Tag immer Hass generiere ?

    Jesus gebot, die Feinde zu lieben, den Nebenmenschen 77×7 (also immer) zu vergeben – und damit eigentlich über niemand endgültig den Stab zu brechen. Dazu muss sich jede/r, auch wenn wir dies als Jesusfreunde wissen, immer wieder vergegenwärtigen: Gott bricht über niemanden endgültig den Stab. Nicht über den Verlorenen Sohn im Gleichnis. Ebenso nicht über das Verlorene Schaf, das Jesus einfach auf seine Schulter legt und heimträgt. Sodann ist er auch noch für die Sünde aller Menschen auf Erden auf Golgatha gestorben. Aber dieser Jesus wird wiederkommen nicht als Richter, sondern als Friedefürst und Erlöser. Selbst ein Gericht, wobei dieses eigentlich bereits bei Jesu Kreuzung stattfand, wird und kann nur eines der Liebe sein. Denn wie gesagt: Gott bricht über niemandem den Stab. Ich denke, wenn in harmlosen Angelegenheiten wir auch über unseren Mitmenschen nicht den Stab brechen, immer wieder vergeben und nicht unsere Maßstäbe anlegen sondern die Gottes – und dies sind die Maßstäbe der Liebe – dann sind wir im Trainingslager der Heiligen Geistes. Vergebung ist hier kein Sekundenakt, aber oftmals eine Lebensleistung.

    Seit die Nahtoderfahrungen aus fast einhundert Jahren dokumentiert werden, berichteten immer wieder Menschen, dass sie Gott nahekamen wie einem großen Licht, sowie der Begegnung mit einer kaum beschreibbaren unverdienten Wärme und Liebe. Manche berichten auch dass ihr Leben gefühlt so lange wie es dauerte, in allen Einzelheiten wie ein 100%iger Lebensrückblick ablief. Alle haben sich unendlich danach vor ihrem eigenen Gewissen geschämt für jede Sünde und Lieblosigkeit. Dies war ihre Strafe, weil Gott (so hoffe und vertraue ich), uns nur mit Liebe bestraft. Auch die Psychologen wissen nur zu gut, dass die schlimmste Strafe diejenige völlig unverdienter Liebe ist. Im Normalfall hält dies kaum ein Mensch aus. So kommen die ganz schlimmen Menschen auch nicht an Gott vorbei, vor allem nicht an seiner Liebe. Auf Erden passierte dies bekanntlich Saulus, als er vor Damaskus Jesus begegnete und dieses helle Licht der Liebe ihn so blendete, dass er fortan der größte Völkerapostel wurde. Vorher aber generierte er zum Chefankläger und möglicherweise Mörder der Christen. Auch er hatte diese reine Gnade und Liebe ebenfalls niemals verdient.

    Vielleicht gibt uns dann Gott auch manchmal so viel Heiligen Geist, dass wir wirklich bösen Menschen vergeben können. Ein längst verstorbener Dichter und Schauspieler, (den ich gut kannte) war im 2. Weltkrieg SS-Führer und sollte in einem Dorf alle Menschen erschießen. Er verweigerte den Befehl, wurde zum Tode verurteilt und kam wie durch ein Wunder durch das plötzliche Kriegsende mit dem Leben davon. Dann war er nur noch ein Jesusnachfolger und spielte unendlich oft Szenen als Ein-Mann-Theaterspieler in Kirchen, so aus seinem Leben. Sein Credo: Jesus ist auch für Judas ans Kreuz gegangen. Denn er glaubte, dass im Himmel auch Judas vergeben wurde. Denn wenn Gott Liebe ist, übt sie keine Gewalt aus.
    Vielleicht als Schlussbemerkung: Wir Christ*innen sind Neue Menschen in Jesus, aber auch immer noch Sünder wie Adam und tragen auch die Abgründe der Sünde des Kain in uns. Billy Graham sagte wie der gegenwärtige Papst: „Wir alle sind Sünder, auch ich und alle Frommen ebenso“!

    • Ich bekomme langsam ein schlechtes Gewissen, so häufig, wie ich Dir hier derzeit widerspreche. Nun ja, ich mache es dennoch und gehe die Punkte in der geposteten Reihenfolge durch.:

      Im Grundsatz, dass Vergebung nicht eingefordert werden kann und darf, sind wir uns ja einig. Dennoch kann aus der christlichen Theologie, so wie Du sie hier schilderst, genau so ein Druck entstehen.

      > Staat dabei viel moderner: Die Resozialisierung ist auch das Angebot einer wirklich zweiten Chance.

      Häufig leider nur in der Theorie. Und es gibt auch in erheblichen Umfang eine Kriminalisierung im Knast.

      > Doch gerade daher ist die Botschaft Jesu so radikal, revolutionär und die so auf den Kopf stellt

      Radikal war sie, aber nicht revolutionär. Denn Verzeihen ist fester Bestandteil der jüdischen Lehre, auch schon zu Jesus Zeiten. Der höchste Feiertag des Judentums ist Jom Kippur, der Tag, an dem man sich sowohl mit Gott wie auch seinen Mitmenschen versöhnen soll.

      > Selbst ein Gericht, wobei dieses eigentlich bereits bei Jesu Kreuzung stattfand, wird und kann nur eines der Liebe sein. Denn wie gesagt: Gott bricht über niemandem den Stab.

      Hier muss ich den Christen zustimmen, die dich für solche Aussagen hier kritisieren. Es ist nicht christliche Lehre und Inhalt der Bibel, die Du hier wiedergibst. Denn Du lässt den entscheidenden Punkt außer Acht: Nach christlicher Lehre gilt all das nur für rechtgläubige Christen (Nach katholischer Lehre sogar nur für Christen nach der Absolution). Die Bibelstelle hierzu ist eindeutig: Nur Jesus ist der Weg.

      Das siehst Du auch an der Kreuzigungsgeschichte. 2 Verbrecher sterben neben ihn. Einer der beiden bekennt sich zu ihm, einer nicht. Laut Bibel ist nur dieser eine im Himmel (nebenbei: Er ist die einzige Person in der Bibel neben Jesus, von dem drin steht, dass er sicher im Himmel ist)

      Deine Theologie ist sehr humanistisch und nett. Nur christlich ist sie in diesem Punkt nicht.

      > Seit die Nahtoderfahrungen aus fast einhundert Jahren dokumentiert werden, berichteten immer wieder Menschen, dass sie Gott nahekamen wie einem großen Licht, (…) Alle haben sich unendlich danach vor ihrem eigenen Gewissen geschämt für jede Sünde und Lieblosigkeit.

      Das scheint ja derzeit Dein Thema zu sein. Aber dann solltest Du nicht bei den Vermutungen von vor Jahrzehnten stehen bleiben.

      Ja, diese Erfahrungen gibt es, aber sie sind heute größtenteils wissenschaftlich erklärbar.

      Und auch kulturell bedingt: Ein Hindu begegnet dabei z.B. nicht dem christlichen Gott sondern seinen Göttern.

      Das sich alle danach geschämt haben, ist aber schlicht von Dir erfunden, sorry. Nach dem, was ich zuletzt darüber gelesen habe, ist das Gegenteil der Fall. Für viele war das eine durchweg positive Erfahrung, in manchen Fällen hat das auch zu einer Veränderung des Lebensgeführt. Sehr verbreitet ist es, das Menschen mit Nahtoderlebnis die Angst vor den Tod verlieren. Er hat keine Bedrohlichkeit mehr für sie.

      Von Scham habe ich in keinem einzigen Fall gelesen. Das mag es vielleicht geben, aber wohl kaum so, dass man da von ‚alle‘ schreiben kann.

      Bei Dir scheint hier vielmehr deine eigene Theologie und nicht Fakten eine Rolle zu spielen.

  3. Vergebung ist meines Erachtens ganz wichtig, um innerlich Frieden zu finden. Denn Opfer bleiben oft für lange Zeit Opfer, das Verbrechen belastet sie oft immens.

    Aber Vergebung kann nicht gefordert werden. Weder vom Täter noch vom Umfeld. Die Entscheidung dazu liegt allein beim Opfer.
    Gerade im christlichen Umfeld kann es hier leicht zu so einer („christlichen“) Forderung kommen. Aber hier an ein Opfer auch noch mit einer Forderung heranzutreten, das kann nicht richtig sein. Das scheint hier zumindest auf Basis diesen kurzen Textes aber nicht der Fall gewesen zu sein. Genau weiß man es nicht.

    Und bei so einer schrecklichen Tat wie hier würde ich auch immer professionelle psychologische Hilfe empfehlen. Ich hoffe, sie hatte diese ausreichend. So ein Trauma kann viele Jahre, ja Jahrzehnte plötzlich wieder hoch kommen. Fraglich, ob man so etwas schreckliches überhaupt je ganz verarbeiten kann.

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