Was war los 2019, was hat euch und uns bewegt? Einige Streiflichter von Asia Bibi über den Kirchentag in Dortmund bis hin zur Weihnachtsfeier in der Hannoveraner Drogenszene.
Von Daniel Wildraut
Persönlich hat mich das Schicksal eines Menschen in diesem Jahr besonders bewegt: Asia Bibi. 2010, als ich gerade aus der Elternzeit zurückkam, war die pakistanische Christin wegen angeblicher Blasphemie zum Tod verurteilt worden. Ihre Geschichte haben wir dann über Jahre begleitet – bis hin zu ihrem Freispruch und der Ausreise nach Kanada im Mai dieses Jahres. Wir haben uns riesig gefreut. Wobei sich die Freude rasch wieder relativierte. Die Jahre in der Todeszelle haben Asia Bibi schwer mitgenommen. Und in Sicherheit ist sie auch im Ausland nicht.
Außerdem bleibt die bittere Erkenntnis, dass sich die Situation für Christen und andere religiöse Minderheiten in Pakistan nicht verbessert hat. Die innenpolitische Dynamik hat dort in den vergangenen Jahrzehnten zu einer fortschreitenden religiösen Radikalisierung geführt. Der Rückhalt in der Bevölkerung für islamistische Positionen ist ungebrochen groß. Auch weltweit war es kein gutes Jahr, was das Thema Religionsfreiheit betrifft. Dies gilt neben China, Nordkorea und Indien vor allem für Länder, in denen der Islam Staatsreligion ist.
Ungewisses Schicksal für Konvertiten
Die Situation im Iran unterscheidet sich von Pakistan deutlich. Dort haben sich vor allem junge Menschen in den vergangenen Jahren liberalisiert und auch säkularisiert, leben dies allerdings nur privat aus. Ein Systemwechsel oder gar eine erneute Revolution ist trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage nicht in Sicht, sagen Nahostexperten. Die Furcht vor dem Regime sei zu groß.
Was bitter aufstößt: Wer als Christ aus dem Iran flieht, hat in Deutschland inzwischen keine guten Chancen mehr auf Asyl. Die Anerkennungsquote für christliche Konvertiten aus dem Iran ist in den vergangenen drei Jahren deutlich gesunken. In Brandenburg tendiert sie gegen Null. Mehrmals kam es zu Abschiebungen von Christinnen und Christen in den Iran, weil sie bei den „Glaubenstests“ des BAMF durchfielen. Viele Kirchenvertreter, darunter auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, haben diese Prüfungen scharf kritisiert.
Ich glaube, hilf meinem Unglauben
Ein Thema, das viele unserer Leserinnen und Leser bei Jesus.de in diesem Jahr beschäftigt hat, war Zweifel bzw. Unglaube. Rund 11.000 Mal wurde der Artikel über Hillsong-Musiker Marty Sampson gelesen, der bekannte, seinen Glauben verloren zu haben. Ähnlich häufig wurde auch die Meldung über den einstmals christlichen Autoren und Eheberater Joshua Harris geklickt, der sich ebenfalls nicht mehr als Christ bezeichnet.
Insgesamt begegneten uns – vielleicht auch nur gefühlt – mehr Geschichten von Menschen, deren geistlicher Weg „Dellen“ aufweist. Aber irgendwie passt das ja auch zur Jahreslosung für 2020: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“. Unser Beitrag Gedanken zur Jahreslosung 2020: Glauben heißt ehrlich sein vor Gott wurde über 6.000 Mal gelesen. Sehr viel Resonanz gab es auch auf den Sieg der Christin Claudia Emmanuela Santoso bei der Casting-Show „Voice of Germany“ (8.300 Klicks).
Doch es gibt auch ältere Artikel, die viel gelesen werden. Zum Beispiel unsere Zusammenstellung der 10 beliebtesten christlichen Advents- und Weihnachtslieder. Über 10.000 Mal wurde ein Artikel aus dem Jahr 2015 angeklickt: ein Pro & Contra-Gespräch zum Thema Sex vor der Ehe.
Birkenfeld, Hänssler, Bonnke
Von den Verstorbenen dieses Jahres will ich drei nennen. Margret Birkenfeld und ihre Musik- und Chorarbeit dürften den Jüngeren nicht mehr viel sagen, doch „Ja, Gott hat alle Kinder lieb“ oder „Sei ein lebend’ger Fisch“ habe ich als Kind noch gesungen. Der Verleger Friedrich Hänssler verstarb im Mai nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 92 Jahren. Das Schönste sei für ihn gewesen, so hatte er noch kurz vor seinem Tod gesagt, „dass ich als Verleger dazu beitragen kann, dass Christus gehört und gelesen werden kann.“ Im Dezember dieses Jahres starb schließlich der Pfingstprediger Reinhard Bonnke, der vor allem durch seine großen evangelistischen Kampagnen in Afrika bekannt wurde.
Kirchentag polarisiert
Am Kirchentag haben sich auch in diesem Jahr viele unsere Leserinnen und Leser abgearbeitet. Positiv wie negativ. Bemerkenswert fand ich die Beiträge zweier konservativer Theologen, die die Großveranstaltung in Dortmund gegen Angriffe aus der „fromm-konservativen Blase“ verteidigten: Michael Diener, Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, sprach von negativer Stimmungmache, „Verleumdungen und Gerichtswarnungen.“ Jürgen Mette, ehemals Vorsitzender der Stiftung Marburger Medien, fragte im Medienmagazin pro: Warum diese Pauschalkritik am Kirchentag? Und er stellte die These auf, dass die theologisch-konservative Szene selbst kein vergleichbar umfangreiches, konsensfähiges Programm auf die Beine bringen würde. Trotzdem sind beide, Diener und Mette, dem Kirchentag gegenüber keineswegs unkritisch.
Dem Veranstalter – übrigens ein eigenständiger Verein, nicht etwa die EKD – gelang es in Dortmund gut, gesellschaftspolitisch relevante Themen aus christlicher Sicht aufzugreifen. Der politische Protestantismus bekam seine gewohnte Bühne. Allerdings verschenkte der Kirchentag erneut Potenzial, wenn es um Themen der persönlichen Frömmigkeit ging, gerade auch in pietistisch oder evangelikaler Tradition. Daran ändert auch die Eingliederung des Christustags nicht. Das schmerzt. Gemeinsam mit Michael Diener warte ich weiter darauf, dass „Mission in der Postmoderne“ zum Forumthema eines Kirchentags wird.
Ein Schiff wird kommen
Niemand behauptet, dass es beim Thema Flucht und Migration einfache Lösungen gäbe. Es ist hochkomplex. Auf dem Kirchentag entwickelte sich eine Dynamik, die in der Resolution gipfelte, ein Schiff zur Rettung der Menschen auf dem Mittelmeer zu schicken. „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt.“ Dies sagte Pastorin Sandra Bils im Abschlussgottesdienst und erntete dafür viel Beifall.
Inzwischen steht fest, dass die EKD kein eigenes Boot schickt. Stattdessen wird sie den Einsatz eines anderen Schiffs finanzieren. Aus Spenden, nicht aus Kirchensteuern. Zahlreiche Gemeinden, Kirchen, Landeskirchen, kirchliche und diakonische Werke sowie auch die Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) haben sich inzwischen dem Bündnis für Seenotrettung United 4 Rescue angeschlossen.
Die Gräben
Manche Gräben, die die Christenheit insgesamt in Deutschland voneinander trennen, wurden inzwischen formell zugeschüttet. So ist die Ausdrucksweise der kirchenleitenden Personen wohlwollender geworden. Wirft man aber zum Beispiel einen Blick auf die inner-evangelische Landschaft, dann stellt man fest, dass nach wie vor teils großes Misstrauen auf beiden Seiten herrscht. Das weiß jeder, der die Diskussionen in den „Sozialen Medien“ verfolgt. „Müssten die Liberalen denn nicht klarer Jesus verkünden?“ „Sollten die Konservativen nicht weniger dogmatisch sein?“ Und so weiter.
Insofern war es ein starkes Zeichen, dass EKD und Stiftung Christliche Medien (SCM) im November in Berlin gemeinsam ein Symposium zum Thema „Mission“ veranstalteten. Das hätte mich auch dann sehr gefreut, wenn Jesus.de nicht Teil der SCM wäre. Der Weg ist für allle Beteiligten steinig, aber es ist wichtig und richtig, ihn zu gehen.
Mutig ins neue Jahr
Was macht mir sonst noch Mut für 2020? Die Zusagen Gottes. Viele tolle Christinnen und Christen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen, die ich kenne und deren Arbeit ich sehr schätze. Geschichten wie die vom Straßen-Doc, der kostenlos Obdachlose versorgt. Oder, gerade heute erst von uns veröffentlicht, der Erlebnisbericht von David Werner über Christmas in the city, einem sozial-missionarischen Projekt in der Hannoveraner Drogenszene.
Wir können etwas bewegen, wenn wir von und durch Jesus bewegt bleiben. Gemeinsam in seiner Spur, für die Menschen, die ihn nicht kennen. In Wort und Tat. ER hilft unserem Unglauben. In diesem Sinne: ein gesegnetes Jahr 2020.